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Erschrocken tastete Nodon nach seinem Hals. Da war tatsächlich eine schmerzende Schwellung. »Was bewirkt das Gift?«

»Es ist nicht schlimm, Herr!« Sie hob beschwichtigend die Hände, und ihre Bluse öffnete sich nun ganz.

Nodon sah zur Seite. Er mochte es nicht, wenn Frauen ihre Reize derart zur Schau stellten.

»Das Gift ist unmittelbar in Euer Gehirn gelangt. Euer Körper konnte nicht dagegen ankämpfen … Ich nehme an, Ihr erinnert Euch nicht sehr gut an den letzten Abend.«

Jetzt sah er zu ihr auf. Ein eigentümlicher Tonfall lag in ihrer Stimme, und sie lächelte seltsam.

»Sprich weiter, Aloki!«

»Es kann zu Bewusstseinstrübungen führen. Zu leichten Schwellungen. Übelkeit. Eigentlich nichts Schlimmes. Nichts davon ist bleibend. Außer den Erinnerungslücken … Es kann sich aber nur um einen sehr kurzen Zeitraum handeln, der Eurem Gedächtnis verloren gegangen ist. Ein halber Tag vielleicht …«

Nodon hatte das Gefühl, dass sie ihm etwas verschwieg. »Was ist mit Solaiyn?«

»Er hatte einen Schwächeanfall. Es ist ein altes Leiden. Die Last der Verantwortung hat seine Kräfte über die Maßen beansprucht. Er muss ein wenig schlafen. Einen Tag, höchstens zwei. Dann wird er sich vollständig erholt haben.«

Ein Oberbefehlshaber, der zwei Tage seines Feldzugs einfach verschlafen würde? Nodon war erschüttert über das Ausmaß an Inkompetenz! Er musste den Himmelsschlangen berichten, was hier vor sich ging.

»Kann ich mit ihm reden?« Der Elf erhob sich von dem Stuhl. Er fühlte sich schwach und ein wenig schwindelig. Die Geschichte, die ihm die Schlangenfrau aufgetischt hatte, stank zum Himmel. Er mochte nicht glauben, dass er aus Versehen von einer Schlange gebissen worden war.

»Der Fürst ist unpässlich!« Aloki glitt ihm in den Weg. »Er hat gestern Abend alles mit Euch besprochen und Euch klare Befehle erteilt.«

»Es tut mir leid, aber ich erinnere mich an nichts. Hier geht es um einen Feldzug und nicht um die Vorbereitung eines Hofballs. Ich werde ihm wohl die Unannehmlichkeit bereiten müssen, noch einmal mit ihm zu sprechen.«

»Während die Schiffsbrücke gebaut wurde, hat er all seine Gedanken niedergeschrieben.« Aloki deutete auf eine messingbeschlagene Kiste am Fußende des Feldbetts. »Ich bin sicher, er wird nichts dagegen haben, wenn Ihr seine Papiere durchseht.«

Nodons ungutes Gefühl verstärkte sich noch. Warum hielt sie ihn um jeden Preis vom Fürsten fern? Was war mit Solaiyn? Der Elf kniete vor dem Feldbett nieder und öffnete die Kiste. Gleich zuoberst fand er mehrere Blätter mit Notizen zu den verschiedenen Truppen, die am Feldzug beteiligt waren. Solaiyn wollte fast alle Krieger zurück nach Albenmark schicken. Nur ein Spähtrupp sollte den Menschen auf der Spur bleiben. Nodon glaubte sich zu erinnern, dass sie darüber gesprochen hatten.

Er sah weitere Papiere durch und blätterte in einer ledergebundenen Kladde. Alle Schriftstücke waren in derselben, gestochen scharfen Handschrift abgefasst. Sie passte zu Solaiyn, aber ganz sicher konnte er sich nicht sein, dass es tatsächlich der Fürst gewesen war, der sie abgefasst hatte. Er hatte ihn bisher nie etwas schreiben sehen.

Nodon wurde das Gefühl nicht los, in eine jener Intrigen hineingeraten zu sein, für die die Fürstenhäuser Arkadiens so berüchtigt waren. Beiläufig griff er über die Truhe hinweg und berührte einen Fuß des schlafenden Fürsten. Solaiyn zuckte zurück.

»Keine Sorge, er ist nicht tot«, sagte Aloki, die ihn nicht aus dem Blick ließ, lächelnd. »Es ist alles ganz so, wie ich es Euch gesagt habe.«

Nodon antwortete nicht. Er rollte die Truppenlisten zusammen und schloss die Truhe. »Wenn hier nur noch ein Spähtrupp bleiben soll, werde ich wohl den Rückzug der restlichen Armee einleiten müssen«, erklärte er kühl. »Diese Aufzeichnungen werde ich dazu brauchen.«

»So viel Misstrauen.« Wieder dieses Schlangenlächeln.

Er verneigte sich ein wenig steif und kämpfte einen neuerlichen Schwindelanfall nieder. Er würde Solaiyns Zelt in Zukunft meiden, dachte er, als er ins Freie trat und erleichtert die eisige Winterluft auf seinem Gesicht spürte. Die Himmelsschlangen mussten verrückt geworden sein, diesen Heerführer gewählt zu haben.

Er nickte den beiden Wachen vor dem Zelt knapp zu und ging hinab zur Schiffsbrücke am Fluss. Auf dem Weg kam ihm noch ein anderer Verdacht. War es von Anfang an ihr Plan gewesen, dass er das Kommando übernahm? Um ihn hier zurückzuhalten? Er wurde das Gefühl nicht los, dass es einen dringenden Grund für ihn gegeben hatte, in den Jadegarten zurückzukehren.

Von der Ehre der Drachenelfen

»Wie, wir bleiben hier?« Galar sah Ailyn fassungslos an. »Was für eine verschissene Elfenkacke ist das denn? Wir bleiben hier! Wir? Wir haben von allen Albenkindern, die hierhergeschickt wurden, die meisten Arschtritte abbekommen. Wir sind nicht einmal mehr fünfzig, so viele haben sie von uns niedergemetzelt. Und diese ganzen Feiertagskrieger, die auf diesem Drecksfeldzug nicht ein einziges Mal ihr Schwert gezogen haben, werden jetzt zurückgeholt, und wir bleiben, um uns den Arsch abzufrieren und uns noch weiter niedermetzeln zu lassen? Das kann ja wohl nur ein schlechter Scherz sein!«

»Gute Rede, Zwerg!«, stimmte Groz zu.

Einen Augenblick hatte Galar Sorge, der Troll wolle ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfen und sie dabei wahrscheinlich versehentlich auskugeln, doch dann besann sich der Hüne eines Besseren.

»Ich hätte es etwas drastischer ausgedrückt, aber sonst bin ich ganz deiner Meinung«, erklärte nun auch Che und sah zu seinem kleinen Rest Eisbärte hinüber.

Der rotgewandete Elf neben Ailyn rang unübersehbar um Fassung. Galar hatte ihn bisher nur von ferne gesehen, wie er am Himmel gegen die fliegenden Löwen gekämpft hatte. Er schien jetzt das Sagen zu haben. Oder ihr Heerführer benutzte ihn als Überbringer schlechter Nachrichten.

»All unsere Speerschleudern sind zerstört«, erklärte Nyr ruhig. »Wir haben doch gar keinen Wert mehr als Kampftruppe.«

»Es werden Verstärkungen und neue Speerschleudern kommen. Gobhayn, der Schmied, der euch ausgerüstet hat, wurde bereits beauftragt, weitere Waffen für euch zu fertigen.« Der rote Elf sah sie aus seinen zugeschwollenen Augen feindselig an. »Im Übrigen werden Befehle nicht diskutiert. Ihr habt sie einfach auszuführen.«

»Und was ist mit dem vielgelobten gesunden Elfenverstand«, kam es prompt von Che. Dann deutete der Kobold auf seine Füße. »Hast du die gesehen? Und die kleinen Beine, die dazugehören? Bin ich der Richtige, um einem Heer fliehender Menschenkinder hinterherzulaufen? Und im Vergleich zu einem Zwerg bin ich noch flink.«

Galar entschied, das zu überhören.

»Wir haben dieses Problem bedacht«, erklärte der Elf kühl. »Es wurden auch Rentierschlitten für euch geordert.«

»Rentierschlitten?«, wiederholte Groz ungläubig.

»Nicht für euch Trolle.« Der Elf wirkte nun eindeutig gereizt. »Findet euch damit ab!« Mit diesen Worten wandte er sich ab und marschierte in Richtung der Riesen, die nicht weit entfernt am Ufer des Nebelflusses kauerten.

Ailyn blieb bei ihnen. Sie wirkte ruhig, wie stets. Galar empfand ihre Gelassenheit als äußerst unpassend. »Du hättest härter für uns kämpfen sollen«, fuhr er sie an.

»Das werde ich tun, sobald wir den Menschenkindern wieder entgegentreten.«

»Für dich ist alles immer ganz einfach, nicht wahr? Du bist eine Drachenelfe. Hier gibt es nichts, was dir gefährlich werden kann. Nicht die Kälte und am wenigsten die verzweifelten Menschenkinder, die vor uns davonlaufen. Warum lassen wir sie nicht einfach flüchten? In diesem Kampf liegt keine Ehre.«