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»Schlacht ist ein zu hochtrabendes Wort. Sie würden ein paar Wehrlose niederschießen …«

»Wir würden sehen, ob die Schlitten sich bewähren. Wenn ja, würde es ja vielleicht Sinn ergeben, auch gepanzerte Kutschen zu bauen.«

Der Feldherr schüttelte unwillig den Kopf, während Hornbori überrascht war, dass die Elfe ihn so sehr unterstützte. Ein paar Wehrlose niederzuschießen klang gut. Und für seinen weiteren Aufstieg in den Zwergenfürstentümern musste er Kriegsruhm erlangen. »Meine Männer brennen darauf zu kämpfen! Bitte, mein Feldherr, verwehre uns nicht die Gelegenheit, Ruhm zu ernten, nachdem wir dich enttäuscht haben.«

»Es wäre gut für die Moral der Truppe«, unterstützte die Elfe ihn weiter, und Hornbori beschloss, sie so bald wie möglich mit einem Geschenk zu belohnen. Vielleicht ein erlesener Wein? Er hatte höchstpersönlich darüber gewacht, dass einige ausgewählte Luxusgüter unter die Fracht gelangt waren, um durch Geschenke neue Bekanntschaften zu Freundschaften werden zu lassen.

»Nun gut«, entschied Solaiyn. »Sollen sie uns zeigen, wie sie kämpfen können. Du wirst mit deinen Männern sofort aufbrechen müssen, wenn du die Menschenkinder noch mal gehörig zur Ader lassen willst, bevor sie den Albenstern erreichen.«

»Deine Wünsche sind mir Befehl!« Hornbori verbeugte sich tief, dann verließ er beschwingten Schrittes das Zelt. Das würde ein Kampf ganz nach seinem Geschmack!

Ich werde nicht mehr hier sein

Sein Körper war wieder warm geworden. Doch es war nicht die Hitze des Fiebers, die sich erneut in Aarons Leib eingenistet hatte. Sie hatte gesiegt, dachte Shaya glücklich. Nachdem sie Aaron aus dem Schnee geholt hatten, war er in die kleine Höhle zurückgebracht worden. Sein Leib war ganz steif vor Kälte gewesen. Sein Herzschlag fast verstummt. Sie hatte sich nackt an ihn geschmiegt. Aus ihrer Kindheit wusste sie, dass dies die beste Art war, die Lebensgeister eines unterkühlten Mannes wieder zu wecken. Mehr als einmal hatte sie als Kind erlebt, wie Krieger von winterlichen Jagden mehr tot als lebendig zurückgekehrt waren. Es waren nicht heiße Suppen oder vergorene Yakmilch, die ihnen am besten geholfen hatten. Die Wärme einer jungen Frau war das beste Mittel gegen Unterkühlung.

Shaya setzte sich auf ihn und massierte seine Glieder. Manchmal flatterten seine Augenlider. Immer wieder hielt sie inne und lauschte auf seinen Herzschlag. Er war immer noch langsam, doch viel kräftiger als zuvor. Noch einmal streckte sie sich auf ihm aus.

Ihr war so kalt. Sie hatte das Gefühl, seine Kälte sei ihr tief in die Knochen gezogen. Sie fühlte sich schwach und krank. Wie gerne wäre sie bei ihm eingeschlafen! Doch das durfte nicht sein. Der Frieden im Reich hing davon ab, dass sie verschwunden blieb. Statt darüber zu trauern, was unmöglich war, sollte sie sich freuen, was für ein Geschenk die Götter ihr gemacht hatten! Eine halbe Nacht mit ihm. Noch einmal an seiner Seite liegen, heute Morgen noch hätte sie das für unmöglich gehalten.

Leise stand Shaya auf, deckte Aaron zu, und dann kleidete sie sich an. Schweren Herzens trat sie aus der Höhle.

»Wie geht es ihm?«, bestürmte Ormu sie, der vor dem Eingang auf sie gewartet zu haben schien.

»Er hatte großes Glück. Ich glaube, er hat es geschafft. Das Fieber ist besiegt. Aber er wird sehr schwach sein. Gib gut auf ihn acht, Ormu. Du weißt, dass er sich zu viel abverlangt. Der Schatten des Todes ist einen Schritt zurückgewichen, aber er ist noch nahe.«

»Du musst ihm das sagen, Kirum. Auf dich wird er hören!«

Shaya schüttelte traurig den Kopf. Zweimal setzte sie an, und die Stimme versagte ihr, bis die Worte beim dritten Versuch zu sprechen endlich über ihre Lippen kamen. »Ich werde nicht mehr hier sein … Ich muss ihn verlassen. Es wird keinen Frieden im Reich geben, wenn ich an seiner Seite bleibe.«

»Das ist nicht gerecht«, begehrte Ormu auf.

»Und doch muss es so sein. Schwöre die Krieger, die mich erkannt haben, darauf ein, dass ich niemals hier gewesen sei. Sagt, es müsse ein Fiebertraum gewesen sein, wenn Aaron nach mir fragt und glaubt, mich gesehen zu haben.«

»Hat er dich denn gesehen?«

»Ich weiß es nicht. Er hat im Schlaf meinen Namen geflüstert und …« Sie stockte. Nein, was er noch gesagt hatte, ging nur sie an. Sie wusste, er liebte sie und würde es immer tun.

»Du willst wirklich nicht bleiben? Wenn du hier wärest, wäre er glücklich.«

Shaya schüttelte müde den Kopf. Ihr Platz war nicht an seiner Seite. »Lass mich ziehen und versuch nicht noch einmal, mich zu finden. Es ist besser so.«

»Warte!« Der Hauptmann winkte einem seiner Männer, der einen kleinen Messingpokal brachte. »Trink das!«

»Was …«

»Trink einfach« beharrte er.

Sie setzte den Pokal an die Lippen. Er war warm! Vorsichtig trank sie. Es war nur Wasser, und doch hatte nie etwas so Köstliches ihre Lippen benetzt. Warmes Wasser. »Woher hast du das?«

»Wir wärmen den Pokal an der Flamme einer Öllampe und schmelzen Schnee darin. Wir haben nur noch wenig Lampenöl. Es gibt am Tag nur ein paar Schluck warmes Wasser für jeden, aber es hilft.«

Shaya leerte den Pokal.

»Ich kann dir noch etwas machen«, bot Ormu an.

Sie vermutete, dass er dafür auf seine eigene Ration verzichten würde. Mit dem Wasser war wohlige Wärme in ihren Magen gesickert. Das erste Mal seit einer Ewigkeit. Doch ihre Lippen waren schon wieder trocken. Den Durst hatten die paar Schlucke Wasser nicht löschen können. Jetzt brannte er schlimmer in ihrer Kehle als zuvor. Die Prinzessin sah zum Himmel hinauf. Erstes Morgenlicht zog silberne Linien um die schwarzen Berge. Bald würde Aaron erwachen. Dann sollte sie nicht mehr hier sein.

»Ich muss gehen.« Es fiel ihr schwer, darauf zu beharren. »Habt ihr noch etwas Trockenfleisch?«

Ormu nickte.

»Schneidet es in kleine Stücke und lasst es in warmem Wasser ziehen, damit es weicher wird. Es wird dem Unsterblichen neue Kraft geben.«

»Ich wünschte, du würdest bleiben, Kirum.«

Sie lächelte. Dann wandte sie sich ab und stieg zwischen den Felsen hinab zum Passweg. Von einem der Toten nahm sie einen Speer. Sie brauchte einen Krückstock, um sich darauf zu stützen.

So wie sie waren auch schon andere auf dem Weg den Pass hinauf. Schweigende, abgerissene Gestalten, die sich Schritt um Schritt vorankämpften. Sie hatte keinen Blick mehr für die Gestrandeten am Wegesrand, und sie verschloss ihr Herz gegen das Flehen der Entkräfteten. Wer in den Schnee sank, der durfte auf keine Hilfe mehr hoffen. Die Lebenden hatten kaum noch die Kraft, sich selbst weiterzuschleppen.

Bald brannten ihre erschöpften Beine. Immer öfter verharrte sie, schwer auf den Speer gestützt. Dann hob sie ihr müdes Haupt und sah zu dem blendenden Sonnenlicht, in dem der Pass weit über ihr erstrahlte. Von dort könnte sie wahrscheinlich die Ebene sehen, in der das Weltentor lag. Sie musste es schaffen. Sie war Shaya, Kriegerprinzessin aus dem Volk der Ischkuzaia. Sie gab nicht einfach auf.

Stunde um Stunde kämpfte sie sich voran, Hunger und Durst und tiefer Kummer quälten sie. Die Reihen der Männer dünnten immer weiter aus. Immer mehr sanken am Wegesrand nieder. Endlich, es war weit nach der Mittagsstunde, und die Schatten begannen schon wieder länger zu werden, erreichte sie den Pass. Wie sie es sich erhofft hatte, gab es von dort einen atemberaubenden Blick auf die verschneite Ebene jenseits der Berge. Irgendwo dort unten lag ihre Rettung. Noch verborgen vor ihren Blicken, würde sich das Weltentor öffnen, sobald ein silberner Löwe davorstand.

Etwas Schattenhaftes huschte über die Ebene. Große Schlitten, wie es schien. Solche Gefährte gab es in ihrem Heer nicht. Die Daimonen waren ihnen zuvorgekommen und hatten ihnen den Rückweg abgeschnitten!

Die Erkenntnis raubte Shaya die letzte Kraft. Sie taumelte, trat vom Weg und ließ sich dann resigniert auf einem Felsblock nieder. So nah waren sie der Rettung gekommen, und doch war sie nun unerreichbar.