Выбрать главу

Ein verirrter Speer durchbohrte einen Kushiten, keine zwei Schritt von Aaron entfernt. Das Geschoss schlug durch den Körper des Leibwächters, der auf der Stelle tot zu Boden sank.

»Ich glaube, wir können den Schild zurücklassen, gegen diese Pfeile vermag er uns nicht zu schützen«, bemerkte der Unsterbliche trocken, bemüht, sich seine Frustration über dieses letzte Gefecht nicht anmerken zu lassen. Seine Männer hatten so vieles durchgemacht. Keiner von ihnen sollte mehr kämpfen und sterben.

»Ich bleibe mit Schild an deiner Seite, mein Herrscher!«, erwiderte Ormu entschieden. »Er schützt zumindest vor den kleineren Geschossen.«

Aaron wollte etwas entgegnen, als die Männer hinter ihm plötzlich aufschrien. Erschrocken fuhr er herum. Waren noch mehr Feinde aufgetaucht?

Keine hundert Schritt entfernt hoben sich zwei Schlangen aus Licht aus dem Eis, neigten sich einander zu, sodass ein Torbogen entstand. Das Weltentor! Es öffnete sich von alleine. Hatten die Götter sie doch nicht im Stich gelassen?

Ein Reiter auf einem Schimmel, mit weitem, purpurnem Umhang um die Schultern, preschte auf die Eisebene. Der Unsterbliche Ansur, Herrscher von Valesia! Sein Maskenhelm strahlte im Sonnenlicht. Er hob seinen Speer und deutete auf die Wagen, die inzwischen zum Stillstand gekommen waren. Dann preschte er los. Hinter ihm brach eine ganze Reiterschar aus dem Weltentor hervor. Mindestens hundert prächtig gewandete Krieger, alle bewaffnet mit langen Lanzen. Aaron traten Tränen in die Augen. Sie waren gerettet …

Der Boden vibrierte unter seinen Füßen. Erst dachte er, es wäre der Hufschlag der Pferde, als er aus den Augenwinkeln sah, wie von den Hängen des Passes weiße Wolken aufstiegen. Der ganze Berg schien in Bewegung geraten zu sein. Dutzende Lawinen gingen zur selben Zeit nieder. Was hatte Acoatl getan! Die Schnee- und Felsmassen stürzten auch den falschen, den südlichen Hang hinab. Dort, wo ihrem Heer Hunderte von Nachzüglern gefolgt waren.

Attacke!

Einen Moment lang war Ansur überrascht, als er die Krieger vor sich auf der Eisebene sah. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das geschlagene Heer es über den Passweg schaffen würde. Eigentlich hatte er als Held jenseits der Berge die Überlebenden einsammeln wollen. Aber nun war alles anders. Gut, dass er eine Vorhut von Reitern mitgebracht hatte. Er sah die Wagen weiter voraus auf der Ebene. Sie waren offensichtlich das Angriffsziel der letzten Eiskrieger. Dann würde er eben dort seinen Ruhm ernten!

Er hob seinen Speer und deutete auf die Daimonen. »Vorwärts, Männer! Reiten wir sie nieder!«

Er stieß seinem zitternden Hengst die Fersen in die Flanken und zwang ihn zur Attacke. Das Tier war verstört. Eben noch hatte es vor dem Weltentor der Goldenen Stadt gestanden, wo es ein warmer, regnerischer Tag gewesen war, und nun, nach wenigen Schritten über den Pfad durch das Nichts, fand es sich der schneidenden Kälte des ewigen Eises ausgesetzt.

Unruhig schnaubend und mit angstweiten Augen preschte der Hengst voran, als ein gewaltiges Getöse losbrach. Der Berg, über den der Passweg führte, hüllte sich in Wolken aus aufgewirbeltem Schnee. Dutzende Lawinen gingen zur gleichen Zeit seine Hänge hinab. Hoffentlich waren dort nicht zu viele Nachzügler zurückgeblieben, dachte Ansur. Er wollte der Retter des Heeres sein und die Überlebenden im Triumph in die Goldene Stadt führen. Dafür musste er mehr als eine Handvoll abgerissene Gestalten zurückbringen.

Der Herrscher wandte den Blick von den Bergen und sah wieder zu den seltsamen Wagen, deren Außenwände ganz mit silbern glänzendem Metall verkleidet waren und denen er sich rasch näherte. Auch sie wären eine passable Beute.

Einzelne Jaguarmänner waren dabei, auf die Wagen zu steigen und die Besatzungen niederzumetzeln. Er sollte sich beeilen, sonst ernteten Acoatls Krieger allen Ruhm allein.

Ansur sah eine riesige, graue Gestalt hinter einem der Gefährte hervorkommen. Der Hüne packte einen Zapote, der sich unter der großen Hand nicht mehr wegducken konnte, und schmetterte ihn gegen die Seitenwand eines Wagens, wo auf dem Metall ein großer Blutfleck zurückblieb.

So einen Riesen zu töten wäre eine gute Sache, dachte Ansur und lenkte sein Pferd zwischen den zu einer offenen Schlachtreihe formierten Kriegern hindurch. Flüchtig sah er Aaron zu seiner Linken. Der Herrscher Arams sah entsetzlich heruntergekommen aus. Mit struppigem Bart und eingefallenen Wangen unterschied er sich kaum von den übrigen Jammergestalten.

»Stell dich zum Kampf, Katzenmörder!«, rief Ansur aus voller Kehle und hoffte, der Riese würde ihn hören. Dieses Ungeheuer im Angesicht aller Truppen zu besiegen würde endlich auch ihm seinen Anteil am Ruhm einbringen. Ihm war wohl bewusst, dass viele ihn für einen Feigling hielten. Seine Entscheidung, mit den stärksten seiner Männer und seinem silbernen Löwen zum Weltentor vorauszueilen, hatte dieses Bild von ihm gewiss noch weiter verfestigt. Es war höchste Zeit, dass die letzten Eiskrieger Ansur als Helden sehen konnten.

Der graue Riese reagierte auf den Ruf. Er sah zu ihm herüber, hob drohend eine Faust und lief dann los, ihm entgegen, um sich zum Kampf zu stellen. Ansur blickte kurz über die Schulter. Die meisten seiner Reiter waren ein Stück zurückgefallen. Der Schnee verlangsamte die Pferde. Er war seiner Leibwache um mindestens acht Rosslängen voraus. Aber er würde sie auch nicht brauchen! Mit kaltem Blut hob er seine Lanze, sodass deren Spitze auf die linke Brusthälfte des Hünen zeigte. Selbst solche Schreckenskreaturen besaßen doch gewiss ein Herz, und wenn es durchbohrt war, dann war es mit ihnen vorüber.

Der Riese war erstaunlich schnell. Ihn schien der Schnee nicht zu behindern. Zum Glück hatte er nur seine Fäuste als Waffen. Sie jagten einander entgegen. Noch fünfzehn Schritt trennten ihn vom Ruhm. Noch zehn Schritt …

Plötzlich brach der Riese zur Seite aus. Ansur fluchte und versuchte, die Lanze über den Kopf seines Hengstes zu heben, der nun im Weg war. Fast waren sie auf gleicher Höhe. Das Ungeheuer hob die Faust und schmetterte sie wie einen Hammer seitlich gegen die Nüstern des Schlachtrosses. Wäre sein Hengst im vollen Galopp gegen einen Fels gestürmt, es hätte nicht drastischer enden können. Das Tier ging zu Boden. Ansur wurde über den schlanken Hals hinweg in den Schnee geschleudert. Er ließ die Lanze fahren und versuchte sich abzurollen.

Zum Glück waren seine Leibwächter heran. Einer der Männer streifte den Oberarm des grauen Hünen mit einem Lanzenstoß, worauf das Ungeheuer die Waffe an sich riss und sie wild brüllend über seinem Kopf kreisen ließ. Drei Männer holte der Hüne so aus dem Sattel. Ein weiteres Pferd stürzte, und der Riese trat ihm gegen den Kiefer, sodass dessen Kopf mit einem unnatürlichen Ruck nach hinten gerissen wurde und dem Schlachtross das Genick brach.

Ansur rappelte sich auf. Kaum auf den Beinen, zog er sein Schwert, das ihm als Waffe gegen den Riesen lächerlich klein vorkam. Der Kerl ignorierte ihn. Er hatte nur Augen für die, die noch immer anstürmten, um ihn, Ansur, zu retten.

Ein weiterer Fausthieb des Grauen brachte ein Pferd zu Boden. Erste Reiter zogen ihre Rösser um den Zügel und wichen zurück, als Pfeile in ihre Reihen schlugen. Die verfluchten Wagen leisteten immer noch Widerstand. So viele stürzten ringsherum in den Schnee.

»Zurück!«, rief Ansur. »Zurück, Männer! Das ist mein Kampf.«

Jetzt sah der Hüne zu ihm herab. Er nickte. Hatte das Ungeheuer verstanden? Völlig überraschend kniete er nun nieder. Seine großen, ungeschlachten Hände strichen durch die weiße Mähne des Hengstes, auf dem Ansur eben noch geritten war.

»Kämpf!«, schrie der Unsterbliche das Ungeheuer an.

Der Hüne legte den Kopf schief und sah ihn unverwandt an. Seine Hände verkrampften sich in der Mähne des toten Pferdes. Plötzlich stemmte er das Pferd hoch und warf es nach Ansur.

Der Unsterbliche wich zurück. Fast schnell genug. Er wurde zu Boden gerissen. Das Gewicht des toten Tiers lastete schwer auf seinen Beinen. Ein dumpfer Schmerz klopfte im linken Bein. Ansur versuchte sich aufzustemmen, versuchte fortzukommen, doch der Hengst war viel zu schwer.