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Wieder riss Nyr den Sicherungshebel zurück, und ein Speer schnellte davon. »Speer«, ermahnte er Galar erneut. Nyr war die Ruhe selbst. Er schien nur Ziele zu sehen und sich keinerlei weitere Gedanken darüber zu machen, was da aus dem Nebel auf sie zukam.

Was das betraf, hatte Galar umso mehr Zeit dafür. Die Menschenkrieger waren dick vermummt. Jetzt waren sie nah genug, dass er ihre Gesichter über den Schilden erkennen konnte. Sie waren auf groteske Art tätowiert. Ihre Gesichter sahen aus wie die Tierfratzen auf ihren Schiffsrümpfen.

Galar legte einen weiteren Speer auf die Führungsschiene. Noch fünfzehn Schritt, dann waren sie hier. Das Geschoss schnellte davon. Diesmal hatte Nyr Krieger getroffen, die ganz am Rand des Menschenblocks auf dem Gefechtsdeck standen. Sie kippten seitlich über Bord. Drei! Ein einzelner Speer hatte drei von ihnen getötet! Das Wasser neben dem Katamaran schäumte auf. Kurz sah Galar einen riesigen Schnabel aus den grauen Fluten schnellen. Dann war einer der tätowierten Menschensöhne verschwunden.

Ein Stück rechts von dem Katamaran mit den Vogelköpfen bekam ein Boot plötzlich Schlagseite. Einer der Doppelrümpfe wurde unter Wasser gezogen. Die Krieger an Deck strauchelten. Es gab nichts, woran sie sich festhalten konnten. Dutzende stürzten in den Fluss, während Krieger von benachbarten Booten Speere auf einen langen, grauschwarzen Rücken schleuderten, der knapp aus dem Wasser ragte. Bald sah die Kreatur aus wie ein Igel, doch schienen ihr die Angriffe nicht das Mindeste anzuhaben.

»Speer!«, ermahnte ihn Nyr.

Galar riss sich von dem Anblick los, zog den nächsten Speer aus dem Köcher und reichte ihn hoch. Zwei Trolle nahmen rechts und links von ihrem Geschütz Aufstellung, und erste Armbrustbolzen zogen zischend über ihre Köpfe hinweg.

Seltsamer blassgrüner Nebel stieg aus dem Wasser und bewegte sich entgegen der Windrichtung. Wie ein Krake bildete er Tentakel aus und griff nach den Männern, die wild mit den Armen rudernd versuchten, zum Ufer zu kommen. Galar sah, wie einer der tätowierten Menschensöhne festen Boden unter den Füßen fand und mit erhobenem Speer auf das Ufer zustürmte. Grenzenlose Erleichterung, dem tödlichen Wasser entkommen zu sein, stand in sein Gesicht geschrieben, als ein Armbrustbolzen sein linkes Auge in ein blutiges Loch verwandelte.

Ohrenbetäubendes Kriegsgeschrei begleitete den Angriff auf das Ufer. Irgendwo im Nebel wurden Kriegshörner geblasen, deren dumpfer Klang bis tief in die Eingeweide drang.

Ein Fisch, der gleich mehrere Zahnreihen in seinem großen Maul hatte, packte einen anderen Krieger und zerrte ihn zurück ins tiefe Wasser. Holz knirschte auf felsigem Untergrund, als die ersten Katamarane auf fünf Schritt ans Ufer herangekommen waren.

Galar reichte den nächsten Speer hoch. Wieder schleuderte ihr Geschütz Verderben in die Reihen der Menschenkinder, die sich hinter ihre hohen Schilde duckten, ohne Schutz vor dem tödlichen Geschoss zu finden. Wie zarte Seide zerriss das zähe Leder der Schilde. Die Menschensöhne wurden zurückgeschleudert, doch die Krieger rechts und links von ihnen sprangen in das seichte Wasser nahe dem Ufer.

Unnatürlich laut erschien Galar das Klicken der Kurbel, mit der Bailin erneut den Bogen der Schleuder spannte. Nyr richtete die Speerschleuder neu aus. Die beiden Trolle neben ihnen, die ihr Geschütz vor den Gegnern beschirmen sollten, stürmten los. Sie stießen wilde Schlachtrufe aus, doch Galar hatte nur Ohren für das feine, metallische Klicken der Kurbel. Er beugte sich nieder und zog den nächsten Speer aus dem Lederköcher.

Nyr nahm ihm das Geschoss ab und legte es auf die Führungsschiene.

Die Trolle und die Menschenkinder trafen aufeinander. Die Lederschilde wurden von wütenden Keulenhieben zerfetzt. Doch die Krieger mit den unheimlichen Tiergesichtern wichen nicht zurück. Sie fielen unter den Hieben, doch jeder Tote schien durch zwei neue Krieger ersetzt zu werden. Mit langen Speeren stießen sie nach den Hünen aus der Snaiwamark. Schon rann dunkles Blut über deren vernarbte, graue Haut.

Nyr fand eine Lücke zwischen den Kämpfenden und schoss erneut.

Wutgeheul ertönte, als wieder ein Speer zwei Männer durchbohrte und zu Boden riss.

Da plötzlich stieß ein Adler auf den vorderen der zwei Trolle hinab. Seine silbern blitzenden Fänge gruben sich in Schultern und Nacken des Hünen.

Der Troll ließ seine Keule fallen und griff mit beiden Händen in seinen Nacken hinauf, als ihm eine der Krallen die Kehle aufschlitzte. Jetzt erst begriff Galar, dass dies kein riesiger Raubvogel war – es war ein Krieger wie die Katzenmänner, auf die sie getroffen waren, als sie in diese verfluchte Eiswüste gekommen waren. Nur dass dieser hier ein Vogelgewand trug und seine Arme lange Schwingen stützten.

Der Adlerkrieger vermochte sich nicht aus dem Griff des sterbenden Trolls zu befreien, dem nun andere Kämpfer ihre Speere in die Brust rammten.

Wieder reichte Galar seinem Freund einen Speer. Die Kämpfe spielten sich keine drei Schritt vor ihrem Geschütz ab. Links von ihnen ging die erste Speerschleuder in helle Flammen auf. Die Linie am Ufer war durchbrochen, aber Nyr dachte noch nicht daran, sein Geschütz im Stich zu lassen.

Für einen flüchtigen Augenblick sah Galar zum Himmel hinauf. Dort kreisten noch etliche weitere Adlerkrieger. Die Kobolde hatten sie bereits unter Beschuss genommen, doch nun brachen die Krieger mit den tätowierten Gesichtern noch an einer zweiten Stelle durch die Linie. Einer kam geradewegs auf Galar zugelaufen. Den Schild schützend vor seinen Leib gehalten, schien er die Absicht zu haben, ihn geradewegs zu überrennen.

»Du hast noch nie gegen einen Zwerg gekämpft, Tierfresse«, schrie Galar ihm entgegen, riss einen Speer aus dem Köcher und stürmte mit gellendem Schlachtruf dem Menschensohn entgegen. Erst im letzten Moment ließ er sich fallen. Die untere Kante des Schildes traf Galar in den Rücken, doch der war durch das kostbare Kettenhemd aus Silberstahl geschützt. Der Schildträger konnte seinen Lauf nicht mehr stoppen. Er stürzte über seinen Schild hinweg zu Boden, während Galar sich geschickt zur Seite rollte und mit einem Satz wieder auf den Beinen war.

Ohne Gnade rammte er dem Menschensohn den Speer in die Brust, der halb auf seinem Schild lag, den er nicht mehr zu seinem Schutz heben konnte. Der Krieger sah ihn überrascht mit weit offenem Mund an, während Galar die Speerspitze drehte, um sie wieder frei zu bekommen.

Aus den Augenwinkeln sah der Zwerg den Troll stürzen, in dessen Nacken sich ein Adlerkrieger festgekrallt hatte. Ihr Geschütz war überrannt. Bailin ließ von seiner Kurbel ab und zog die schwere Axt aus seinem Gürtel, während er sich duckte, um einem Speerstoß zu entgehen.

»Der Ölkrug!«, schrie Nyr, der alle Mühe hatte, Hieben mit einer Keule auszuweichen, in der ein dolchlanger, gekrümmter Zahn steckte. »Die Speerschleuder darf nicht in ihre Hände fallen!« Mit jedem Hieb wurde der Richtschütze ein Stück weiter von der Waffe fortgetrieben, die so vielen Menschenkindern den Tod gebracht hatte.

Galar ließ von seinem sterbenden Gegner ab, von dessen Lippen Blut und Verwünschungen sprudelten. Ein paar Trolle unter der Führung von Groz unternahmen einen Gegenangriff, um die Menschen wieder auf ihre Boote zurückzutreiben, doch weiter flussabwärts erreichten noch mehr Katamarane das Ufer, und dort stellte sich niemand den Angreifern entgegen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie eingekreist waren.

Groz schien daran keinen Gedanken zu verschwenden. Sein vernarbtes Gesicht hatte einen Ausdruck wilder Verzückung angenommen, während er mit einem trollarmdicken Baumstamm gegen seine Gegner vorging. Mal setzte er ihn wie eine Ramme mit kurzen Stößen gegen die Schilde der Menschenkinder ein, um ihn dann wieder wie eine Keule zu schwingen. Schreiend wie ein Raubvogel im Sturzflug, stieß einer der Adlerritter aus dem Himmel auf Groz hinab, dabei hatte er die messerscharfen Krallen an seinen Füßen drohend vorgestreckt.