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»Scheiße!«, fluchte Galar und drehte sich um. Das würde ihn den Kopf kosten. Wie konnte er nur so dämlich sein und sich Gedanken darüber machen, ob es zwei verdammten Kobolden gelang, ihren Arsch zu retten?

Er begann zu laufen. Der nächste kluge Vorsatz ging über Bord. Sein keuchender Atem schlug ihm als warme Wolke ins Gesicht. Die beiden Gestalten auf dem Eis waren nun deutlicher zu erkennen. Sie waren nicht beide in Weiß gekleidet. Einer trug ein Kettenhemd und stützte sich schwer auf den anderen.

Galar beschleunigte ein letztes Mal seinen Lauf. Das Kettenhemd lastete auf seinen Schultern. Er warf den Speer zur Seite. Er war nur unnützer Ballast.

Die kleinere der Gestalten winkte ihm zu: »Hierher!«, drang die Stimme schwach aus der Ferne. Selbst auf die weite Distanz war die Erschöpfung in ihr zu hören.

Galar sah den Schwertgurt, der quer über die Brust des Kobolds lief. Nur einer unter diesen verdammten Bastarden hatte seine Waffe auf diese Art getragen: Che! Warum, bei den Alben, musste es ausgerechnet dieser Drecksack sein, der ihm in diesem erfrorenen Land entgegenwankte. Che, der Schlächter. Der Kobold, der mehr Zwergenblut vergossen hatte als je ein anderer aus seinem Volk. Dann sah Galar, wen der Kobold stützte: Es war Bailin, der sichtlich am Ende seiner Kräfte war.

Atemlos erreichte Galar die beiden.

»Gut, dich zu sehen, Zwerg. Dein Freund ist wirklich verdammt schwer.«

Bailin presste einen Arm eng an den Bauch. Blut träufelte vor ihm in den Schnee. Drei große Tropfen. Zwischen den Schatten der halb verwehten Fußspuren wurden sie zu einem Gesicht. Lippen und zwei blutrote Augen.

Galar riss sich vom Anblick los. Was ging in ihm vor? Machte ihn dieses Land der Geister langsam verrückt?

»Ihr müsst mich zurücklassen«, stieß Bailin hervor. »Ich schaffe es nicht. Wir werden alle sterben, wenn ihr versucht, mich zu retten.«

Che lachte. »Ganz schön anstrengend, dein Freund! Diesen Unsinn redet er schon die ganze Zeit. Aber ihr verdammten Zwerge seid nicht so leicht umzubringen. Ich weiß, wovon ich rede.«

Galar hätte ihm den Hals umdrehen können.

»Los, pack ihn!«, kommandierte Che. »Zu zweit bringen wir ihn schon in diese Menschenstadt. Er hat mir das Leben gerettet, und seitdem jammert er mir vor, ich soll ihn einfach liegen lassen. Was denkt er nur von mir? Auch Kobolde haben Ehre im Leib.«

»Eisen-ge-sicht …«, stammelte Bailin.

»Lass mich reden«, unterbrach ihn Che. »Du sparst dir besser deinen Atem, um am Leben zu bleiben. Ich hatte alle Armbrustbolzen verschossen und dachte, ich sollte die Trolle nicht alle Blutarbeit alleine machen lassen. Bin mit nach vorne gestürmt. Dein Freund hat da auch gekämpft. Die verdammten Menschenkinder waren flussabwärts gelandet und wollten von der Flanke her unsere Schlachtreihe aufrollen. War keine gute Idee, sich ihnen in den Weg zu stellen. Hab gerade einem von ihnen die Sehnen im Kniegelenk durchgeschnitten, als Bailin mich gewarnt hat. Hinter mir stand ein Riesenkerl mit einem Helm, der sein Gesicht hinter einer Maske verbarg. Der sah aus wie eine Schildkröte mit Gefieder. Und er hatte ein wirklich übles Schwert in der Hand. Bailin hat mich zur Seite gestoßen. Und dann …« Der Kobold stockte. »Dann hat es ihn erwischt. Er hat sich einfach dazwischengeworfen. Er hat den Schwertstoß, der mich töten sollte …« Ihm versagte die Stimme.

»Hatte gedacht, dass keine Menschwaffe Silberstahl durchdringt …«, keuchte Bailin. »War wohl ein Irrtum.«

»Heute sind uns eine Menge Irrtümer aufgezeigt worden.« Galar sah, wie immer mehr Blut unter dem Arm seines Gefährten hervorquoll. Und er sah die lange Blutspur im Schnee. Der Hauptmann würde es nicht schaffen.

»Ja, viele Irrtümer …« Bailin nickte schwach. »Deshalb musst du entkommen. Du musst …« Er rang um Atem. »Du musst sie alle warnen. Die Menschenkinder sind nicht so schwach, wie die Drachen erzählen. Und du musst …« Er blickte besorgt zu Che.

»Kannst du bitte ein paar Schritt weitergehen, Kobold?«

»Ich schlepp den Kerl hierher, statt mich zu retten, und nun bin ich überflüssig?«, entgegnete Che fassungslos. »Das ist die Dankbarkeit der Zwerge!«

»Es ist der Wunsch eines Sterbenden. Zählt das in deinem Volk nichts? Er hat sich für dich geopfert.«

»Ich hatte ihn nicht darum gebeten.« Der Kobold zog eine Grimasse. »Gehe ich eben allein weiter. Ist mir egal, ob ihr zwei mich einholt.« Er stapfte ein paar Schritt davon und blieb dann gerade außer Hörweite stehen.

Bailin packte Galar beim Arm. »Du darfst nicht …«, setzte er an und begann zu husten. Dunkles Blut quoll über seine Lippen in den mit Raureif überzogenen Bart. Die Augen des Hauptmanns weiteten sich, als versuchte er alles, was er noch sagen wollte, in einen letzten Blick zu legen.

»Versprich es …«, hauchte er.

Galar ahnte, was Bailin wollte. Er wusste ja, warum der Hauptmann mit ihnen gegangen war. Und er verlangte das Einzige, was Galar um keinen Preis je versprechen würde.

Stur schwieg er so lange, bis Bailin seufzte. In das Blut auf seinen Lippen mischten sich Blasen. Seine Augen wirkten unendlich traurig. Er hatte verstanden, dass seine Mission vergebens gewesen war. Seine Hand glitt zu Boden. Sein Blick wurde trüb.

»Seid ihr bald fertig?«, fragte Che nervös. »Da hinten kommt was. Etwas Großes. Und Trolle sind das nicht.«

Sofort dachte Galar an die grünhäutigen Kreaturen, die dem Wasser entstiegen waren. Er sah auf. Eine lange Kette dunkler Gestalten war am südlichen Horizont, dort wo der Fluss lag, zu sehen. Waren das Reiter?

Der Schmied beugte sich tief über Bailin und fühlte den Puls am Hals des Zwergen. Er war flüchtig, kaum noch zu spüren, aber noch war der Hauptmann nicht tot.

»Du willst, dass ich alles verrate, wofür ich gekämpft habe? Es ist mein Lebensziel, die Tyrannen vom Himmel stürzen zu sehen. Die Toten der Tiefen Stadt erwarten von mir, dass ich sie räche. Und wenn ich die Eherne Stadt opfern müsste, um dies zu erreichen, dann würde ich das, ohne zu zögern, tun. Und jetzt zeig mir, dass du ein Kämpfer bist. Verrecke nicht! Kämpfe um dein Leben! Wenn du nicht draufgehst, dann werde ich heute Nacht mit dir eine Münze werfen. Und der Sieger entscheidet über die Zukunft.«

Ein schwacher Glanz erschien in Bailins Augen. Seine Lippen zitterten, als wollte er etwas sagen.

»Verschwende deine Kraft nicht für Worte. Dazu ist später noch Zeit. Jetzt hauen wir hier ab, und du machst dich so leicht wie möglich, damit ich dich schleppen kann. Und lass dir was Besseres einfallen, als dein Blut über das Eis zu verspritzen, um leichter zu werden.«

Ein flüchtiges Lächeln spielte um die Lippen des Hauptmanns.

Che kam zu ihm herüber und sah auf Bailin hinab. »Ist es mit ihm vorbei?«

»Wir haben verabredet, dass er noch nicht stirbt.«

Che glotzte ihn an, als wäre er verrückt. Dann deutete er mit ausgestrecktem Arm zur Linie schwarzer Gestalten, die sich mit erschreckender Geschwindigkeit in ihre Richtung bewegte. Schon war ein Geräusch wie fernes Donnergrollen zu hören. »Ich glaube, aus diesem Versprechen wird nichts, Zwerg. Die holen uns ein, lange bevor wir Wanu erreichen.«

Galar zog Bailin hoch und schlang sich dessen Arm um die Schulter. »Wir werden nicht stehen bleiben und auf sie warten. Ich weiß nicht, wie es bei euch Kobolden aussieht, aber Zwerge hören nicht auf zu kämpfen, nur weil die Aussichten schlecht sind.«

Che lachte. »All unsere Feinde sind größer und stärker als wir Eisbärte. Das hält uns aber nicht davon ab, unsere Unterdrücker umzubringen. Ich werde einfach weitermachen mit dem, was ich schon seit Jahren tue. Und jetzt legt mal einen Zahn zu, ihr fußlahmen Tunnelkriecher. Ich decke derweil unseren Rückzug.«

Mit Kobolden unter einer Decke