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»Ich dachte, Ihre Quellen wären ganz einfach gute Freunde«, warf Picton boshaft ein. »Und selbst wenn Misha einer förmlichen Verhaftung zustimmen würde«, fuhr Kurtz immer noch schmunzelnd fort, »fragt er sich doch, welche Anklagen vor welchem Gericht gegen die Dame vorgebracht werden könnten. Wer will beweisen, dass der Sprengstoff im Wagen war, als sie ihn fuhr? Sie wird behaupten, man habe ihn erst hinterher hineingepackt. Bliebe uns meines Erachtens nur die ziemlich unerhebliche Anklage, einen Wagen mit falschen Papieren durch Jugoslawien gefahren zu haben. Und wo sind diese Papiere? Wer will beweisen, dass es sie je gegeben hat? Das ist alles sehr fadenscheinig.«

»Sehr«, pflichtete Picton ihm bei. »Ist Misha denn auf seine alten Tage unter die Anwälte gegangen?« wollte er mit einem Seitenblick wissen. »Himmel, das war’ dann aber der klassische Fall, wo man wirklich den Bock zum Gärtner gemacht hätte.«

»Außerdem - argumentiert Misha - muss man auch ihren Nutzen bedenken. Ihren Nutzen für uns und für Sie, so, wie sie im Moment dasteht. Was man ihre Quasi-Unschuld nennen könnte. Was weiß sie schließlich? Was könnte sie enthüllen? Nehmen Sie den Fall von Miss Larsen.«

»Larsen?«

»Die junge Holländerin, die in den unseligen Unfall vor München verwickelt war.«

»Was soll mit ihr sein?« Picton blieb stehen, wandte sich Kurtz zu und funkelte mit zunehmendem Argwohn zu ihm hinab.

»Auch Miss Larsen hat für ihren palästinensischen Freund Wagen gefahren und kleine Besorgungen für ihn gemacht. Denselben Freund, übrigens. Miss Larsen hat sogar Bomben für ihn gelegt. Zwei, vielleicht sogar drei. Auf dem Papier war Miss Larsen eine belastete Person.« Kurtz schüttelte den Kopf. »Aber wenn’s um

brauchbare Informationen geht, war sie ein leeres Gefäß, Commander.« Unbeeindruckt von Pictons bedrohlicher Nähe, hob Kurtz die Hände und machte sie auf, um zu zeigen, wie leer das Gefäß sei.

»Nichts weiter als ein kleines Groupie, ein Mädchen, das die Gefahr und die Jungs liebte und gern gefiel. Nichts haben sie ihr gesagt. Keine Adressen, keine Namen, keine Pläne.«

»Woher wissen Sie das?« sagte Picton vorwurfsvoll.

»Wir haben uns ein bisschen mit ihr unterhalten.«

»Wann?«

»Vor einiger Zeit. Ist schon ziemlich lange her. Ein kleines Geschäft auf Gegenseitigkeit, ehe wir sie wieder ins Wasser zurückwarfen. Sie wissen, wie so was läuft.«

»Etwa fünf Minuten, ehe Sie sie hochgehen ließen, nehm’ ich an«, meinte Picton und ließ die durchdringenden gelben Augen nicht von Kurtz.

Kurtz’ Lächeln blieb wunderbar ungerührt. »Wenn es nur so leicht wäre, Commander«, sagte er aufseufzend. »Ich habe gefragt, was Sie wollen, Mr. Raphael.«

»Wir würden sie gern ein bisschen auf Trab bringen, Commander.«

»Das hatte ich mir schon gedacht.«

»Wir hätten gern, wenn sie ein bisschen ausgeräuchert, aber nicht verhaftet würde. Wir hätten gern, wenn sie es mit der Angst bekäme - so sehr mit der Angst bekäme, dass sie gezwungen wäre, weiteren Kontakt mit ihren Leuten zu suchen, oder sie mit ihr. Wir würden sie gern ganz durchlotsen. Was wir einen ahnungslosen Agenten nennen. Selbstverständlich würden wir das Ergebnis mit Ihnen teilen, und wenn die Operation durch ist, könnten Sie beides haben: das Mädchen und den Ruhm.«

»Sie hat bereits Kontakt aufgenommen«, wandte Picton ein. »Sie sind gekommen und haben in Cornwall mit ihr geredet, haben ihr irgendwelche verdammten Blumen gebracht, oder?«

»Commander, so wie wir die Dinge sehen, hat es sich dabei um eine Art Erkundung gehandelt. Lässt man es auf sich beruhen, so fürchten wir, kommt aus dem Treffen nichts weiter heraus.«

»Woher, verdammt noch mal, wissen Sie das schon wieder?« Pictons Stimme verriet einen herrlichen Zorn. »Ich will Ihnen mal sagen, woher Sie das wissen. Weil sie an dem verdammten Schlüsselloch gelauscht haben! Wofür halten Sie mich eigentlich, Mr. Raphael? Glauben Sie, ich bin von gestern? Das Mädchen gehört zu Ihnen, Mr. Raphael, das weiß ich ganz genau! Ich kenne euch Itzigs. Ich kenne diesen Giftzwerg Misha und fange an, auch Sie kennen zu lernen.« Seine Stimme hatte erschreckend an Volumen gewonnen. Er eilte Kurtz mit großen Schritten voraus und wartete dann, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Und wartete noch weiter, bis Kurtz ihn wieder eingeholt hatte. »Ich hab’ im Augenblick ein sehr hübsches Szenario im Kopf, Mr. Raphael, und das würde ich Ihnen gern mitteilen. Was dagegen?«

»Es wird mir ein Vergnügen sein, Commander«, sagte Kurtz freundlich.

»Danke! Im allgemeinen benutzt man für diesen Trick Aas. Man findet eine hübsche Leiche, kostümiert sie und lässt sie irgendwo liegen, wo der Feind über sie stolpert. ›Hoppla‹ , sagt der Gegner, ›was ist denn das? Eine Leiche mit einer Aktentasche in der Hand? Gucken wir mal rein.‹ Sie gucken rein und finden eine kleine Nachricht. ›Na so was‹ , sagen sie, ›das muss ein Kurier gewesen sein! Lesen wir mal die Botschaft, und tappen wir in die Falle.‹ Gesagt, getan, und wir alle kriegen einen Orden. ›Fehlinformation‹ , haben wir so was früher genannt, ausgetüftelt, um den Gegner irrezuführen. Eine hübsche kleine Sache.« Pictons Sarkasmus

war genauso furchtbar wie sein Zorn. »Aber das wäre für Sie und Misha viel zu simpel. Da ihr eine Bande von hypergebildeten Fanatikern seid, seid ihr noch einen Schritt weiter gegangen. ›Mit Aas geben wir uns nicht ab, o nein, wir nicht! Wir benutzen lebendes Fleisch. Araberfleisch. Holländerfleisch.‹ So habt ihr’s gemacht. Und es dann in einem hübschen Mercedes in die Luft gejagt. Der ihnen gehörte. Was ich natürlich nicht weiß - und niemals erfahren werde, weil Sie und Misha das Ganze noch auf dem Totenbett abstreiten werden, nicht wahr? -, wo ihr die Fehlinformation eingebaut habt. Aber versteckt habt ihr sie irgendwo, und jetzt haben sie angebissen. Sonst hätten sie ihr doch niemals diese hübschen Blumen gebracht, oder?«

Voller Bewunderung über Pictons amüsante Hirngespinste schüttelte Kurtz bekümmert den Kopf und wollte sich schon verabschieden, doch Picton hielt ihn mit dem leichten, aber unbeirrbaren Griff des Polizeibeamten zurück.

»Bestellen Sie Ihrem verdammten Meister Gavron folgendes von mir. Wenn ich mich nicht geirrt habe und ihr eine von unseren Staatsbürgerinnen ohne unsere Zustimmung angeheuert habt, komm’ ich persönlich in sein böses kleines Land rüber und schneid’ ihm die Eier ab, verstanden?« Doch plötzlich, wie wider seinen Willen, entspannten sich Pictons Züge, und er lächelte wie in zärtlicher Erinnerung. »Was hat der alte Teufel doch immer gesagt?« fragte er. »Irgendwas mit Tigern. Sie müssen es doch wissen.«

Kurtz benutzte den Vergleich ebenfalls. Oft sogar. Mit seinem Piratengrinsen sagte er ihn jetzt. »Wer den Löwen fangen will, muss erst die Ziege anbinden.«

Der Augenblick gegnerischer Übereinstimmung war vorbei, Pictons Züge wurden wieder zu Stein. »Und rein formell, Mr. Raphael - mit den Empfehlungen meines Chiefs kann Ihr Amt sich darauf verlassen, dass die Sache abgemacht ist«, knurrte er. Er machte auf den Hacken kehrt und marschierte schnell zum Haus zurück, während Kurtz und Mrs. O’Flaherty nichts anderes übrig blieb, als hinter ihm herzutrotten. »Und Sie können ihm noch was ausrichten«, fügte Picton hinzu und zeigte, ein letztes Mal seine koloniale Autorität unterstreichend, mit seinem Stöckchen auf Kurtz. »Er soll verdammt noch mal aufhören, unsere Pässe zu benutzen. Wenn andere Leute ohne die zurechtkommen, dann kann die Krähe das auch, verdammt noch mal!«

Für die Rückfahrt nach London setzte Kurtz Litvak nach vorn, um ihm englische Manieren beizubringen. Meadows, der inzwischen eine Stimme bekommen hatte, wollte über die Probleme der West-Bank diskutieren: wie man dort zu einer Lösung kommen könne, Sir, und dabei gleichzeitig den Arabern gerecht werde, versteht sich, was meinen Sie? Kurtz klinkte sich aus ihrer fruchtlosen Diskussion aus, überließ sich den Erinnerungen, die er sich die ganze Zeit über vom Leib gehalten hatte.