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»Du könntest bestimmt jeden Mann haben, den du möchtest, Teresa«, sagte Raoul, »aber ich würde es mir als Ehre anrechnen, wenn du mich nehmen würdest.«

Einen schrecklichen Augenblick lang fürchtete Teresa, er wolle sie verspotten, aber bevor sie sprechen konnte, fuhr er bereits fort: »Mein Liebling, ich gestehe, dass ich schon viele Frauen gekannt habe, aber du bist die begabteste, die empfindsamste, die warmherzigste.«

Seine Worte waren Musik in ihren Ohren. Ihr war nach Lachen und Weinen zugleich zumute. Wie glücklich ich bin, dachte sie, lieben und geliebt zu werden!

»Willst du mich heiraten?«

Und ihr Blick war Antwort genug.

Als Raoul weggefahren war, lief Teresa, so schnell sie konnte, in die Bibliothek, in der ihre Eltern und ihre Schwester Kaffee tranken.

»Raoul hat mir einen Heiratsantrag gemacht!« Ihr Gesicht war rosig angehaucht und so verklärt, dass es beinahe hübsch wirkte.

Ihre Eltern starrten sie sprachlos erstaunt an. Monique ergriff als erste das Wort.

»Teresa, weißt du bestimmt, dass er nicht nur hinter unserem Geld her ist?«

Das war wie ein Schlag ins Gesicht.

»Du darfst mich bitte nicht falsch verstehen«, fuhr Mo-nique fort, »aber alles scheint so schnell zu gehen.«

Teresa war entschlossen, sich ihr Glück nicht zerstören zu lassen. »Ich weiß, dass du mich beschützen willst«, erklärte sie ihrer Schwester, »aber Raoul besitzt Geld. Sein Vater hat ihm ein kleines Vermögen hinterlassen, und er ist sich nicht zu schade, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten.« Sie ergriff die Hand ihrer Schwester und bat: »Bitte, freu dich mit mir, Monique! Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal so fühlen würde. Ich bin so glücklich, dass ich sterben könnte.«

Daraufhin umarmten die drei sie und versicherten ihr, wie froh sie um ihretwillen seien, und begannen aufgeregt, Pläne für die Hochzeit zu schmieden.

Am nächsten Morgen ging Teresa in aller Frühe in die Kirche und kniete nieder, um zu beten.

»Himmlischer Vater, ich danke dir. Ich danke dir, dass du mir solches Glück geschenkt hast. Ich werde alles in meiner Kraft Stehende tun, um mich deiner und Raouls Liebe würdig zu erweisen. Amen.«

Teresa, deren Füße den Boden kaum zu berühren schienen, betrat den Gemischtwarenladen und sagte: »Monsieur, ich möchte bitte Stoff für ein Brautkleid bestellen.«

Raoul umarmte sie lachend. »Du wirst bestimmt eine wunderhübsche Braut!«

Und Teresa wusste, dass das sein Ernst war. Das war das Wunder.

Die Hochzeit sollte einen Monat später in der Kirche in Eze stattfinden - selbstverständlich mit Monique als Brautjungfer.

Am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr sprach Teresa zum letzten Mal mit Raoul Giradot. Als sie am Samstag Mittag um 12.30 Uhr in der Sakristei stand und auf Raoul wartete, der sich eine halbe Stunde verspätet hatte, kam der Pfarrer auf sie zu. Er nahm ihren Arm und führte sie beiseite, und sie wunderte sich darüber, wie aufgeregt er war. Ihr Puls begann zu jagen.

»Was ist los? Ist etwas passiert? Hat Raoul einen Unfall gehabt?«

»O mein Kind«, sagte der Geistliche. »Meine arme, liebe Teresa.«

Sie begann in Panik zu geraten. »Was ist passiert? Reden Sie doch endlich!«

»Ich. ich bin soeben benachrichtigt worden. Raoul.«

»Ist er verunglückt? Ist er verletzt?«

»Giradot ist heute morgen in aller Frühe abgereist.«

»Was ist er? Dann muss ein dringender Notfall vorgelegen haben, sonst.«

»Er ist mit Ihrer Schwester abgereist. Die beiden sind gesehen worden, als sie in den Schnellzug nach Paris gestiegen sind.«

Vor ihren Augen begann sich alles zu drehen. Nein, dachte Teresa, ich darf nicht ohnmächtig werden. Ich darf Gott nicht in Verlegenheit bringen.

An die danach folgenden Ereignisse konnte sie sich später nur dunkel erinnern. Wie aus weiter Ferne hörte sie den Geistlichen zu den Hochzeitsgästen sprechen, die ihrer Empörung lautstark Ausdruck verliehen.

»Meine arme Teresa«, sagte ihre Mutter und umarmte sie tröstend. »Dass deine eigene Schwester so grausam sein konnte! Das tut mir schrecklich leid.«

Aber Teresa war plötzlich ganz ruhig und gefasst. Sie wusste jetzt, wie sich alles in Ordnung bringen ließ.

»Mach dir keine Sorgen um mich, Mama. Ich bin Raoul nicht böse, dass er sich in Monique verliebt hat. Das hätte jeder andere Mann auch getan. Ich hätte wissen sollen, dass mich nie ein Mann lieben wird.«

»Du täuschst dich!« rief ihr Vater aus. »Du bist zehn Moniques wert!«

Aber sein Mitgefühl kam viele Jahre zu spät.

»Ich möchte jetzt bitte nach Hause.«

Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Die Hochzeitsgäste traten beiseite, um sie hindurch zu lassen, und starrten schweigend hinter ihnen her.

»Macht euch bitte keine Sorgen um mich«, sagte Teresa nach ihrer Rückkehr ins Schloss gefasst. »Ich verspreche euch, dass alles in Ordnung kommt.«

Dann ging sie ins Bad ihres Vaters hinauf, nahm die Klinge aus seinem Rasierapparat und schnitt sich die Pulsadern auf.

12

Als Teresa die Augen aufschlug, standen Hausarzt und Dorfpfarrer an ihrem Bett.

»Nein!« kreischte sie gellend. »Ich will nicht zurückkommen. Lasst mich sterben! Lasst mich sterben!«

»Selbstmord ist eine Todsünde, Teresa«, sagte der Geistliche. »Gott hat Ihnen Ihr Leben geschenkt - nur er entscheidet, wann es zu Ende sein soll. Sie sind noch jung. Ihr ganzes Leben liegt noch vor Ihnen.«

»Was soll ich damit?« schluchzte Teresa. »Weiter leiden? Ich kann diese Schmerzen nicht ertragen. Ich halte sie nicht aus!«

»Jesus Christus hat den Schmerz ertragen und ist für uns alle gestorben«, stellte er unbeirrt fest. »Sie dürfen sich nicht von ihm abwenden.«

Der Arzt war mit seiner Untersuchung fertig. »Sie brauchen Ruhe, Teresa. Ich habe Ihrer Mutter empfohlen, Sie für einige Zeit auf Schonkost zu setzen.« Er drohte ihr scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Aber Rasierklingen gehören nicht dazu!«

Am nächsten Morgen raffte Teresa sich aus dem Bett auf. Als sie ins Wohnzimmer kam, fragte ihre Mutter besorgt: »Warum bist du aufgestanden? Der Arzt hat gesagt, dass du.«

»Ich muss in die Kirche«, sagte Teresa heiser. »Ich muss mit Gott sprechen.«

Ihre Mutter zögerte. »Ich begleite dich.«

»Nein. Ich muss allein hingehen.«

Ihr Vater nickte. »Lass sie gehen.«

Sie beobachteten, wie Teresa sich bedrückt durch den Park davon schleppte.

»Was soll nur aus ihr werden?« fragte ihre Mutter sorgenvoll.

»Das weiß Gott allein.«

Sie betrat die vertraute Kirche, ging nach vorn zum Altar und kniete auf den Stufen nieder.

»Ich bin in dein Haus gekommen, um dir etwas zu sagen. Gott. Ich hasse dich! Ich verabscheue dich, weil du mich hässlich erschaffen hast. Ich verabscheue dich, weil du meine Schwester schön erschaffen hast. Ich hasse dich, weil du zugelassen hast, dass sie mir den einzigen Mann, den ich je geliebt habe, weggenommen hat. Ich pfeife auf dich!«

Ihre letzten Worte waren so laut, dass die übrigen Kirchenbesucher Teresa anstarrten, als sie aufstand und aus der Kirche wankte.

Teresa hatte nie geahnt, dass es solch tiefen Schmerz geben könnte. Es war ihr unmöglich, an irgend etwas anderes zu denken. Sie konnte weder essen noch schlafen; die Welt erschien ihr verschwommen und weit entfernt. In ihrem Gedächtnis blitzten Erinnerungen wie Filmszenen auf.

Sie erinnerte sich an einen Tag, an dem sie mit Raoul und Monique in Nizza über den Strand geschlendert war.

»Bei diesem herrlichen Wetter müsste man zum Schwimmen gehen«, meinte Raoul.

»Ich tat’s gern, aber das geht nicht. Teresa kann nicht schwimmen.«