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»Ihr beiden könnt gern zum Schwimmen gehen. Ich warte im Hotel auf euch.«

Und sie hatte sich so darüber gefreut, wie gut Raoul und Monique miteinander auskamen!

Ein andermal hatten sie mittags in einem kleinen Restaurant bei Cannes gegessen. »Der Hummer ist heute besonders zu empfehlen«, sagte der Ober.

»Ich nehme ihn«, entschied Monique. »Für die arme Teresa ist er nichts. Von Schalentieren bekommt sie immer Ausschlag.«

St. Tropez. »Was mir fehlt, ist ein täglicher Ausritt. Zu Hause bin ich jeden Morgen geritten. Möchtest du mit mir ausreifen, Teresa?«

»Ich. ich. tut mir leid, aber ich kann nicht reiten, Raoul.«

»Ich hätte nichts dagegen, dich zu begleiten«, warf Monique ein. »Ich reite gern.«

Und sie waren den ganzen Vormittag unterwegs gewesen.

Dutzende solcher Hinweise - und sie hatte alle übersehen! Sie war blind gewesen, weil sie hatte blind sein wollen. Die Blicke, die Raoul und Monique gewechselt hatten, die scheinbar zufälligen Berührungen, das Flüstern und das Lachen.

Wie kann ich nur so dumm gewesen sein?

Wenn Teresa nachts endlich unruhig schlief, hatte sie Träume. Stets andere Träume. Und doch stets den gleichen Traum.

Raoul und Monique waren nackt in einem Schlafwagenabteil und liebten sich, während ihr Schnellzug auf einer Fachwerkbrücke über eine tiefe Schlucht fuhr; in diesem Augenblick brach die Brücke zusammen, und alle Reisenden fanden beim Sturz in die Schlucht den Tod.

Raoul und Monique waren in einem Hotelzimmer nackt im Bett, und Raoul zündete sich eine Zigarette an, die eine Gasexplosion auslöste; der Raum stand sofort in hellen Flammen, und die beiden verbrannten, und ihre Schreie weckten Teresa auf.

Raoul und Monique stürzten in den Bergen ab, ertranken in einem Fluss, kamen bei einem Flugzeugabsturz um.

Stets ein anderer Traum.

Stets der gleiche Traum.

Teresas Eltern waren verzweifelt. Ohne ihr helfen zu können, mussten sie zusehen, wie ihre Tochter immer schwächlicher wurde. Und dann begann Teresa plötzlich zu essen. Sie aß ständig. Sie schien nicht genug bekommen zu können. Sie machte ihren Gewichtsverlust wett und aß hemmungslos weiter, bis sie unförmig dick geworden war.

»Mir geht’s jetzt gut«, wehrte sie ab, wenn ihre Eltern versuchten, mit ihr über ihren Schmerz zu reden, »macht euch keine Sorgen um mich.«

Teresa führte ihr früheres Leben weiter, als sei nichts geschehen. Sie ging wie früher nach Eze, um Einkäufe und Besorgungen zu machen. Sie nahm alle Mahlzeiten mit ihren Eltern ein und verbrachte die Abende damit, zu nähen oder zu lesen. Sie hatte eine emotionale Bastion um sich herum errichtet und war entschlossen, sie von niemand erstürmen zu lassen. Kein Mann soll mich jemals wieder ansehen wollen. Niemals wieder...

Nach außen hin wirkte Teresa ausgeglichen und zufrieden. Innerlich litt sie unter tiefer, verzweifelter Einsamkeit. Selbst wenn sie unter Menschen war, saß sie in einem einsamen Sessel, in einem einsamen Raum, in einem einsamen Haus auf einer einsamen Welt.

Etwas über ein Jahr nachdem Raoul Teresa sitzengelassen hatte, packte ihr Vater für eine Spanienreise.

»Ich habe geschäftlich in Avila zu tun«, erklärte er Teresa, »aber danach bin ich frei. Willst du nicht mitkommen.? Avila ist eine faszinierende Stadt. Ein bisschen Abwechslung von zu Hause täte dir bestimmt gut.«

»Nein, danke, Vater.«

Er sah seufzend zu seiner Frau hinüber. »Wie du willst.«

Der Butler klopfte an und betrat den Salon mit einem Silbertablett, auf dem ein Brief lag.

»Soeben für Sie gekommen, Mademoiselle de Fosse«, meldete er.

Noch bevor Teresa den Brief aufriss, ahnte sie, dass ihr etwas Schreckliches bevorstand.

Der Text lautete:

Teresa, mein Liebling Teresa,

Gott weiß, dass ich nach allem, was ich Dir angetan habe, nicht mehr das Recht habe, Dich meinen Liebling zu nennen, aber ich verspreche Dir, alles wiedergut zu machen - und wenn es mein Leben lang dauert! Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll. Monique ist durchgebrannt und hat mich mit unserer zwei Monate alten Tochter sitzengelassen. Eine Erleichterung, wenn ich ehrlich sein soll. Ich muss gestehen, dass mein Leben seit dem Tag, an dem ich dich verlassen habe, die Hölle gewesen ist. Ich werde nie begreifen, weshalb ich das getan habe. Obwohl Monique mich in eine Art Bann geschlagen haben muss, habe ich von Anfang an gewusst, dass meine Ehe mit ihr ein schrecklicher Fehler war. Ich habe immer nur Dich geliebt und weiß jetzt, dass ich nur an Deiner Seite glücklich werden kann. Wenn Du diese Zeilen erhältst, bin ich bereits auf dem Weg zurück zu Dir. Ich liebe Dich und habe Dich immer geliebt, Teresa. Um des gemeinsamen Lebens willen, das noch vor uns liegt, bitte ich Dich inständig um Verzeihung. Ich will.

Teresa konnte den Brief nicht zu Ende lesen. Die Vorstellung, Raoul wiederzusehen, sein und Moniques Baby zu sehen, war undenkbar, geradezu obszön.

Sie warf den Brief hysterisch schluchzend zu Boden.

»Ich muss hier raus!« kreischte Teresa. »Noch heute. Sofort! Bitte. bitte!«

Ihre Eltern konnten sie nicht beruhigen.

»Wenn Raoul schon herkommt«, meinte ihr Vater, »solltest du wenigstens mit ihm reden.«

»Nein! Wenn ich ihn sehe, bring’ ich ihn um!« Teresas Gesicht war tränenüberströmt, als sie jetzt nach den Händen ihres Vaters griff. »Nimm mich mit!« bat sie.

Sie war bereit, überallhin zu gehen, wenn sie nur aus Eze fort kam.

Noch am selben Abend reisten Vater und Tochter nach Spanien ab.

Teresas Vater litt unter dem Unglück seiner Tochter. Er war eigentlich kein mitleidiger Mensch, aber im vergangenen Jahr hatte Teresa sich durch ihre tapfere Haltung seine Bewunderung erworben. Sie war den Bürgern von Eze hocherhobenen Hauptes entgegengetreten und hatte niemals geklagt. Er fühlte sich hilflos und unfähig, sie zu trösten.

Dann erinnerte er sich daran, wie viel Trost ihr einst die Kirche gewährt hatte, und sagte nach ihrer Ankunft in Avila: »Pater Berrendo, der hiesige Pfarrer, ist ein alter Freund. Vielleicht kann er dir helfen, Teresa. Willst du mit ihm reden?«

»Nein.« Mit Gott wollte sie nichts mehr zu tun haben.

Während ihr Vater seinen Geschäften nachging, blieb Teresa allein in ihrem Hotelzimmer. Als er zurückkam, saß sie noch immer unbeweglich in einem Sessel und starrte die Wand an.

»Teresa, sprich bitte mit Pater Berrendo.«

»Nein.«

Er wusste nicht mehr weiter. Teresa weigerte sich, das Hotelzimmer zu verlassen und nach Eze zurückzukehren.

Schließlich kam der Geistliche zu ihr ins Hotel.

»Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie früher regelmäßig in die Kirche gegangen sind.«

Teresa sah dem schwächlich wirkenden Geistlichen ins Gesicht und antwortete kalt: »Die Kirche interessiert mich nicht mehr. Sie hat mir nichts mehr zu bieten.«

Pater Berrendo lächelte. »Die Kirche hat jedem etwas zu bieten, mein Kind. Sie gibt uns Träume und Hoffnungen.«

»Ich hab’ genug von Träumen! Niemals wieder.«

Er nahm Teresas Hände in seine schmalen Hände und sah an den Handgelenken die dünnen weißen Narben ihres Selbstmordversuchs mit der Rasierklinge.

»Das nimmt Gott Ihnen nicht ab. Reden Sie mit ihm, dann sagt er es Ihnen selbst.«

Teresa blieb stumm sitzen, starrte weiter die Wand an und nahm nicht einmal wahr, dass der Geistliche schließlich ihr Zimmer verließ.

Am nächsten Morgen betrat Teresa die kühle, hochgewölbte Kirche und empfand fast augenblicklich wieder den vertrauten Seelenfrieden. Zuletzt war sie in einer Kirche gewesen, um Gott zu verfluchen. Tiefes Schamgefühl erfüllte sie deswegen. Ihre eigene Schwäche hatte sie verraten - nicht etwa Gott.

»Vergib mir«, flüsterte sie. »Ich habe gesündigt. Ich habe im Hass gelebt. Hilf mir, o Herr! Bitte hilf mir.«