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Oder: »Mein Vater ist ein cleverer Spion aus einem anderen Land gewesen.«

Ihre Phantasien waren endlos.

Im Waisenhaus lebten dreißig Kinder aller Altersstufen, von ausgesetzten Neugeborenen bis zu Vierzehnjährigen. Die meisten stammten aus Spanien, aber drei kamen aus anderen Ländern, so dass Megan bald mehrere Fremdsprachen beherrschte. Sie schlief mit einem guten Dutzend weiterer Mädchen in einem Schlafsaal.

Dort wurden nachts im Flüsterton Gespräche über Puppen und Kleider geführt. Als die Mädchen älter wurden, begannen sie auch, über Sex zu sprechen, der bald ihr Hauptgesprächsthema wurde.

»Angeblich soll’s ganz schön weh tun.«

»Mir doch egal! Ich kann’s kaum noch erwarten.«

»Wenn ich groß bin, heirate ich, aber das darf mein Mann nie. Ich find’s einfach unanständig.«

Eines Nachts, als alle bereits schliefen, schlich Primo Conde, einer der im Waisenhaus lebenden Jungen, sich in den Mädchenschlafsaal. Er setzte sich bei Megan auf die Bettkante.

»Megan.«, flüsterte er kaum hörbar.

Sie war sofort hellwach. »Primo? Was ist los?«

Er schluchzte ängstlich. »Darf ich zu dir ins Bett?«

»Ja. Aber sei leise!«

Primo war mit dreizehn so alt wie Megan, aber er war für sein Alter ziemlich klein und war als Kind misshandelt worden. Er litt unter schrecklichen Alpträumen, aus denen er nachts schreiend hoch schreckte. Die anderen Kinder hänselten ihn, aber Megan war von Anfang an seine Beschützerin gewesen.

Primo kam zu ihr ins Bett, und Megan merkte, dass sein Gesicht tränennass war. Sie hielt ihn in den Armen an sich gedrückt.

»Schon gut«, flüsterte Megan ihm ins Ohr. »Schon gut, Primo.«

Sie wiegte ihn sanft, bis das Schluchzen verstummte. Ihre Leiber waren aneinandergedrückt, und Megan spürte seine wachsende Erregung.

»Primo.«

»Tut mir leid. Ich. ich kann nichts dagegen machen.«

Seine Erektion drängte sich gegen sie.

»Ich liebe dich, Megan. Du bist die einzige auf der ganzen Welt, aus der ich mir was mache.«

»Du kennst die Welt doch noch gar nicht.«

»Lach mich bitte nicht aus.«

»Das tue ich gar nicht.« »Ich habe nur dich, Megan.«

»Ja, ich weiß.«

»Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch, Primo.«

»Megan, würdest du. würdest du dich von mir lieben lassen? Bitte!«

»Nein.«

Danach herrschte Schweigen. »Tut mir leid, dass ich dich gestört habe. Ich gehe lieber in mein Bett zurück.« Seine Stimme klang verletzt. Er wollte aufstehen.

»Warte.« Megan hielt ihn fest. Sie war selbst erregt und hatte den Wunsch, ihn zu trösten. »Primo, ich. ich darf mich nicht von dir lieben lassen, aber ich kann etwas tun, damit du dich besser fühlst. Einverstanden?«

»Ja«, murmelte er kaum verständlich.

Megans Hand glitt unter das Gummiband seiner Schlafanzughose. Er ist ein Mann, dachte sie, umfasste ihn sanft und begann ihn zu streicheln. »Oh, das ist wunderbar!« stöhnte er. Und wenig später: »Ich liebe dich, Megan!«

Ihr Körper schien in Flammen zu stehen, und wenn er sie in diesem Augenblick erneut gebeten hätte, sich von ihm lieben zu lassen, hätte sie ja gesagt.

Aber er lag schweigend neben ihr und kehrte einige Minuten später in sein Bett zurück.

Megan fand in dieser Nacht keinen Schlaf mehr. Und sie ließ Primo nie wieder in ihr Bett.

Die Versuchung wäre zu groß gewesen.

Von Zeit zu Zeit wurden die Kinder ins Büro der Direktorin gerufen, um potentiellen Adoptiveltern vorgestellt zu werden. Für die Kinder war das jeweils ein sehr aufregender Augenblick, der die Chance bedeuten konnte, dem trübseligen Waisenhausalltag zu entfliehen, zu jemandem zu gehören und in einer richtigen Familie zu leben.

Im Laufe der Jahre erlebte Megan immer wieder, wie andere Waisen ausgewählt wurden. Sie wurden von Bauern, Handwerkern, Beamten oder Geschäftsleuten in ihr Heim aufgenommen. Aber dieses Glück hatten stets die anderen, niemals Megan. Ihr schlechter Ruf eilte ihr voraus. Gelegentlich bekam sie mit, wie adoptionswillige Ehepaare über sie sprachen.

»Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, aber sie soll schrecklich schwierig sein.«

»Ist das nicht die Kleine, die letzten Monat ein Dutzend Hunde ins Waisenhaus eingeschmuggelt hat?«

»Wie ich höre, stiftet sie die anderen zu dummen Streichen an. Ich fürchte, dass sie sich nicht mit unseren Kindern vertragen würde.«

Die Erwachsenen ahnten nicht, wie sehr die anderen Kinder Megan bewunderten.

Pater Berrendo kam einmal in der Woche zur Visitation ins Waisenhaus, und Megan freute sich auf jeden seiner Besuche. Sie war eine eifrige Leserin, und der Geistliche und Mercedes Angeles sorgten dafür, dass ihr der Lesestoff nie ausging. Mit dem Pater konnte sie über Themen diskutieren, die sie mit sonst niemandem zu besprechen wagte. Pater Berrendo war der Mann, zu dem das Bauernpaar die kleine Megan als Findelkind gebracht hatte.

»Warum haben sie mich nicht behalten wollen?« fragte Megan ihn einmal.

»Das hätten sie gern getan, Megan«, versicherte der Geistliche ihr, »aber sie sind alt und krank gewesen.«

»Weshalb haben meine richtigen Eltern mich wohl dort ausgesetzt?«

»Sie sind bestimmt sehr arm gewesen und haben sich kein Kind leisten können.«

Je älter Megan wurde, desto frömmer wurde sie auch. Vor allem reizten sie die intellektuellen Aspekte der katholischen Kirche. Sie las die Bekenntnisse des hl. Augustinus und die Schriften des hl. Franz von Assisi, Thomas Mertons, Thomas Morus und weiterer großer Männer. Megan ging regelmäßig in die Kirche und genoss die Prunkentfaltung des sonntäglichen Hochamts. Am besten gefiel ihr jedoch die wunderbare friedvolle Heiterkeit, die bei jedem Kirchenbesuch auf sie herabzusinken schien.

»Ich möchte katholisch werden«, erklärte sie Pater Ber-rendo eines Tages.

Der Geistliche nahm ihre Hand in seine. »Vielleicht bist du’s schon, Megan«, sagte er augenzwinkernd, »aber wir wollen nichts überstürzen.« Er lehrte sie den katholischen Katechismus:

»Quid petis ab ecclesia dei?«

»Fidem!«

»Fides quid tibi praestat?«

»Vitam aeternam.«

»Abremmtatis satanae?«

»Sic.«

»Glaubst du an Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erden?«

»Credo!«

»Glaubst du an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn?«

»Credo!«

»Glaubst du an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben?«

»Credo!«

Der Geistliche blies Megan sanft ins Gesicht. »Exi ab eo Spiritus immunde. Fahre aus ihr aus, du unreiner Geist, und weiche dem Heiligen Geist, dem Fürsprecher vor Gott.« Er blies ihr erneut ins Gesicht. »Megan, empfange durch diesen Odem den guten Geist und den Segen des Herrn. Sein Friede sei mit dir.«

Mit fünfzehn Jahren war Megan zu einem bildhübschen Mädchen herangewachsen, das sich durch ihr langes blondes Haar und ihren hellen Teint noch auffälliger von den anderen Waisenkindern unterschied.

Eines Tages wurde Megan ins Büro der Direktorin gerufen. Auch Pater Berrendo war dort.

»Guten Tag, Pater.«

»Guten Tag, liebes Kind.«

»Megan, wir stehen vor einem Problem, fürchte ich«, begann Mercedes Angeles.

»Ja?« Sie zerbrach sich den Kopf, ohne darauf zu kommen, was sie wieder einmal angestellt haben könnte.

»Wir haben hier eine Altersobergrenze von fünfzehn Jahren«, fuhr die Direktorin fort, »und du bist letzte Woche fünfzehn geworden.«