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Amparo Jiron, deren gesamte Familie die Falangisten ausgerottet hatten, war fanatisch selbständig und ungestüm leidenschaftlich.

Gegen Abend näherten sie sich Salamanca, der alten Universitätsstadt am Rio Tormes.

»An der Universität Salamanca studieren junge Leute aus ganz Spanien«, erklärte Felix der neben ihm gehenden Megan. »Sie ist wahrscheinlich die beste unseres Landes.«

Jaime hörte nicht zu. Er konzentrierte sich auf seinen nächsten Schachzug. Wo würde ich die falle aufstellen, wenn ich der Jäger wäre?

Er wandte sich an Felix. »Diesmal umgehen wir Sala-manca. Ich weiß einen Parador etwas außerhalb der Stadt. Dort können wir heute Nacht bleiben.«

Der Parador war ein kleiner Gasthof abseits der großen Fremdenverkehrsstraßen. Steinstufen führten in die kleine Eingangshalle, in der eine alte Ritterrüstung Wache hielt.

»Ihr wartet hier«, sagte Jaime zu den beiden Frauen, bevor sie den Eingang erreichten.

Er nickte Felix Carpio zu und verschwand mit ihm in dem Gebäude.

»Wohin gehen die beiden?« erkundigte Megan sich.

Amparo Jiron musterte sie verächtlich. »Vielleicht sind sie auf der Suche nach deinem Gott.«

»Hoffentlich finden sie ihn«, antwortete Megan gleichmütig.

Zehn Minuten später kamen die beiden Männer zurück.

»Alles klar«, sagte Jaime zu Amparo. »Du teilst dir ein Zimmer mit der Schwester. Felix bleibt bei mir.« Er gab ihr einen Schlüssel.

»Querido«, widersprach Amparo gereizt, »ich möchte mit dir Zusammensein, nicht mit dieser.«

»Tu, was ich dir sage. Pass auf, dass sie keine Dummheiten macht.«

»Bueno.« Amparo nickte Megan zu. »Komm mit, Schwester.«

Megan folgte ihr die Treppe hinauf.

Ihr Zimmer war eines von zehn oder zwölf, die im ersten Stock auf beiden Seiten des kahlen grauen Flurs lagen. Amparo Jiron schloss die Tür auf, und die beiden Frauen betraten den Raum. Das kleine Zimmer mit den weißgekalkten Wänden und dem Holzfußboden war mit einem Bett, einer Liege, einem alten Kleiderschrank, einer verkratzten Kommode und zwei Stühlen nur spärlich möbliert.

»Was für ein schönes Zimmer!« rief Megan begeistert aus, als sie über die Schwelle trat.

Amparo drehte sich aufgebracht um, weil sie glaubte, Megans Ausruf sei sarkastisch gemeint gewesen. »Verdammt noch mal, wie kommst du dazu, dich.?«

»Es ist wunderbar groß«, fuhr Megan fort.

Amparo warf ihr einen misstrauischen Blick zu und lachte dann. Im Vergleich zu den winzigen Zellen, in denen Klosterschwestern hausten, war dieses Zimmer natürlich groß.

Amparo Jiron begann sich auszuziehen.

Megan starrte sie unwillkürlich an. Dies war das erste Mal, dass sie Amparo wirklich bei Tageslicht betrachtete. Die Geliebte Jaime Miros war auf erdhafte Weise schön. Sie hatte rote Haare, weiße Haut und eine sehr weibliche Figur mit vollen Brüsten, schmaler Taille und ausladenden Hüften.

Amparo sah, dass Megan sie beobachtete. »Schwester, kannst du mir was verraten? Warum geht man eigentlich als Frau ins Kloster?«

Das war eine leicht zu beantwortende Frage. »Was könnte wunderbarer sein, als sein Leben Gott zu weihen?«

»Na ja, ich wüsste bestimmt tausend Dinge, die wunderbarer sind.« Amparo setzte sich auf die Bettkante. »Du kannst auf der Liege schlafen. Nach allem, was ich über Klöster gehört habe, will euer Gott nicht, dass ihr’s allzu behaglich habt.«

Megan lächelte. »Das macht mir nichts aus. Mir ist innerlich behaglich.«

In ihrem Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors hatte Jaime Miro sich auf dem Bett ausgestreckt. Felix Carpio versuchte, auf der für ihn zu kleinen Liege eine bequeme Haltung zu finden. Beide Männer hatten nur ihre Schuhe ausgezogen. Jaimes Pistole lag unter seinem Kopfkissen; Felix hatte seine auf dem abgestoßenen Nachttisch neben sich liegen.

»Was bringt sie deiner Meinung nach dazu?« überlegte Felix.

»Wozu, Amigo?«

»Sich ihr Leben lang wie Gefangene hinter Klostermauern einsperren zu lassen.«

Jaime zuckte mit den Schultern. »Das musst du die Schwester fragen. Verdammt noch mal, ich wollte, wir wären allein unterwegs! Ich habe ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache.«

»Gott wird uns diese gute Tat lohnen, Jaime.«

»Glaubst du das wirklich? Dass ich nicht lache!«

Felix verfolgte dieses Thema nicht weiter. Über Glaubensfragen war mit Jaime nicht zu reden. Die beiden Männer hingen schweigend ihren eigenen Gedanken nach.

Gott hat uns die Nonnen anvertraut, dachte Felix Carpio. Wir müssen sie sicher nach Mendavia bringen.

Jaime Miro dachte an Amparo, die er jetzt gern bei sich gehabt hätte. Diese verdammte Nonne! Als er sich zudecken wollte, fiel ihm ein, dass er noch etwas zu erledigen hatte.

Unten in der halbdunklen Eingangshalle saß der Geschäftsführer still hinter der Empfangstheke, bis er annehmen konnte, dass die neuen Gäste schliefen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er nach dem Telefonhörer griff und eine Nummer in Salamanca wählte.

»Polizeistation«, meldete sich eine gelangweilte Stimme.

»Florian«, flüsterte der Geschäftsführer seinem Neffen am Telefon zu, »Jaime Miro und drei seiner Leute sind bei mir! Hättest du nicht Lust, sie zu schnappen?«

22

Fünfzig Kilometer östlich von Salamanca schlief Lucia Carmine in einem Wäldchen an der Straße nach Penafiel.

Rubio Arzano, der ihren Schlaf bewachte, zögerte lange, sie zu wecken. Sie schläft wie ein Engel, dachte er.

Aber es war schon fast Tag, und sie mussten weiter.

Rubio beugte sich über sie und flüsterte sanft: »Schwester Lucia.«

Sie schlug die Augen auf.

»Tut mir leid, aber wir müssen weiter.«

Lucia gähnte und reckte sich dann verschlafen. Ihre am Hals geöffnete Bluse hatte sich etwas weiter geöffnet und gewährte tiefen Einblick. Rubio sah hastig weg.

Ich muss meine Gedanken im Zaum halten, überlegte er sich dabei. Sie ist eine Braut Christi.

»Schwester.«

»Ja?«

»Ich. ich würde Sie gern um einen Gefallen bitte.« Er wurde beinahe rot.

»Ja?«

»Ich. es ist lange her, dass ich zuletzt gebetet habe. Aber ich bin katholisch erzogen. Würden Sie ein Gebet mit mir sprechen?«

Lucia hätte alles andere erwartet - nur das nicht!

Wie lange hast du schon nicht mehr gebetet? fragte sie sich.

Die Zeit im Kloster zählte nicht. Während die Schwestern gebetet hatten, war sie damit beschäftigt gewesen, Fluchtpläne zu schmieden.

»Ich. ich weiß nicht, ob.«

»Das würde uns bestimmt beiden gut tun.«

Wie sollte sie ihm erklären, dass sie sich an kein Gebet erinnern konnte? »Ich. äh.« Ja! Lucia fiel ein Psalm ein. Sie sah sich als kleines Mädchen vor ihrem Bett knien und ihren Vater, der sie zudecken wollte, neben sich stehen. Nun erinnerte sie sich auch wieder an die Worte von Psalm 23.

»Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf seiner grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße um seines Namen willen.«

Die Erinnerung überwältigte sie fast.

Sie und ihr Vater hatten die ganze Welt besessen. Und er war so stolz auf seine Tochter gewesen!

Du bist unter einem Glücksstern geboren, faccia del angelo.

Und Lucia hatte sich schön und glücklich gefühlt, wenn er das gesagt hatte. Nichts und niemand konnte ihr jemals etwas anhaben. War sie denn nicht die schöne Tochter des mächtigen Angelo Carmine?