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Jetzt musst du sterben! war ihr letzter Gedanke gewesen, als sie in den reißenden Fluss gestürzt war. Aber sie lebte noch und blickte jetzt zu dem Mann auf, der ihr das Leben gerettet hatte. Lucia streckte impulsiv die Arme aus und zog Rubio zu sich herab. Auf seinem Gesicht stand ein ungläubig erstaunter, fast schockierter Ausdruck.

»Schwester«, protestierte er, »wir dürfen nicht.«.

»Pst!«

Ihre warmen Lippen pressten sich hungrig und fordernd auf seine, und ihre Zunge drang in seinen Mund ein. Das war zuviel für Rubio.

»Schnell!« flüsterte Lucia. »Beeil dich!«

Sie sah zu, wie Rubio nervös seine nassen Sachen abstreifte. Er hat eine Belohnung verdient, dachte sie. Und du auch.

»Schwester, wir dürfen.«, murmelte Rubio, während er zögernd zu ihr kam.

Aber Lucia hatte keine Lust, mit ihm zu diskutieren. Sie zog Rubio zu sich herab, spürte, wie ihre Körper sich in einem zeitlosen, nur vom Gefühl bestimmten Ritual vereinigten, und gab sich den herrlichen Empfindungen hin, die sie durchfluteten. Dass sie dem nassen Tod um Haaresbreite entronnen war, machte alles nur um so süßer.

Rubio war ein überraschend guter Liebhaber - sanft und wild zugleich. Auch seine offenkundige Verwundbarkeit war eine Überraschung für Lucia. Und sein Blick war dabei so zärtlich, dass sie plötzlich vor Rührung einen Klumpen im Hals zu haben glaubte.

Der große Lümmel verliebt sich doch hoffentlich nicht in dich? Er ist so bemüht, dir jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Wann hat sich zum letzten Mal ein Mann so um dich bemüht? fragte Lucia sich. Und sie dachte an ihren Vater. Und sie fragte sich, was er von Rubio Arza-no gehalten hätte. Und dann fragte sie sich, weshalb sie sich fragte, was ihr Vater von Rubio Arzano gehalten hätte. Du bist wohl übergeschnappt? Der Kerl ist ein einfacher Bauer - und du bist Lucia Carmine, Angela Carmines Tochter. Rubios Leben hat nichts mit deinem Leben zu tun. Ihr seid euch nur durch einen dummen Zufall begegnet.

»Lucia, meine Lucia«, murmelte Rubio immer wieder, während er sie umarmt hielt.

Und das Leuchten in seinen Augen sagte ihr, was er für sie empfand. Er ist so lieb, dachte sie. Und dann: Was ist in dich gefahren? Weshalb denkst du überhaupt so an ihn? Du bist auf der Flucht vor der Polizei und... Sie erinnerte sich plötzlich an das Kruzifix und holte erschrocken tief Luft. Großer Gott, wie hast du ’s auch nur für einen Augenblick vergessen können?

Sie setzte sich rasch auf. »Rubio, ich habe ein... ein Päckchen an der Stelle zurückgelassen, wo ich gebadet habe. Holst du’s mir bitte? Und meine Sachen?«

»Natürlich. Ich bin gleich wieder da.«

Lucia saß wie auf Kohlen, während sie auf Rubio wartete. Was tust du, wenn das Kruzifix verschwunden ist? Wenn jemand vorbeigekommen ist und es mitgenommen hat?

Ein Gefühl großer Erleichterung durchflutete Lucia, als sie Rubio mit dem in Leinen gehüllten Kruzifix unter dem Arm zurückkommen sah. Du darfst es nie wieder aus den Augen lassen, dachte sie. »Vielen Dank.«

Rubio wollte Lucia ihre Kleidungsstücke geben. Sie blickte zu ihm auf und sagte mit sanfter Stimme: »Die brauche ich noch nicht gleich.«

Die Sonne auf ihrer nackten Haut machte Lucia träge, und sie fühlte sich in Rubios Armen wunderbar warm und geborgen. Es war, als hätten sie eine Oase des Friedens entdeckt, und die Gefahren, vor denen sie auf der Flucht waren, schienen Lichtjahre weit entfernt zu sein.

»Erzähl mir von deinem Bauernhof«, forderte sie Rubio verträumt auf.

Seine Augen leuchteten auf, und aus seiner Stimme sprach Stolz. »Ich habe einen schönen Hof in einem kleinen Dorf bei Bilbao gehabt. Er ist seit Generationen in Familienbesitz gewesen.«

»Was ist daraus geworden?«

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Die Regierung in Madrid hat mich mit zusätzlichen Steuern dafür bestraft, dass ich Baske bin. Als ich mich geweigert habe, sie zu zahlen, ist mein Hof zwangsversteigert worden. Damals habe ich mich Jaime Miro angeschlossen, um gegen den Staat und für mein Recht zu kämpfen. Meine Mutter und meine beiden Schwestern leben noch im Dorf. Sie warten darauf, dass wir eines Tages unseren Hof zurückbekommen und ich ihn wieder bewirtschafte.«

Lucia dachte an ihren Vater und ihre beiden Brüder, die lebenslänglich hinter Gitter saßen. »Stehst du deinen Angehörigen sehr nahe?«

Rubio nickte lächelnd. »Natürlich. Die Familie ist stets unsere erste Liebe, nicht wahr?«

Ja, dachte Lucia. Aber du wirst deine nie wieder sehen.

»Erzähl mir von deiner Familie, Lucia«, verlangte Ru-bio. »Hast du ihr sehr nahe gestanden, bevor du ins Kloster gegangen bist?«

Ihr Gespräch drohte eine gefährliche Wendung zu nehmen. Was kannst du ihm erzählen? Dass dein Vater ein Mafioso ist? Dass er und deine beiden Brüder wegen Mordes im Gefängnis sitzen? »Ja, wir haben ein gutes Verhältnis zueinander.«

»Was ist dein Vater von Beruf?«

»Er. er ist Geschäftsmann.«

»Hast du auch Geschwister?«

»Ich habe zwei Brüder. Beide arbeiten in seiner Firma.«

»Lucia, warum bist du ins Kloster gegangen?«

Weil die Polizei wegen der beiden Männer, die ich ermordet habe, nach mir fahndet... Du musst diesem Gespräch eine andere Richtung geben! dachte Lucia. »Weil ich von allem weg wollte.« Das kommt der Wahrheit nahe genug.

»Hast du das Gefühl gehabt, die Welt nicht. nicht mehr ertragen zu können?«

»Irgendwas in dieser Richtung.«

»Ich habe kein Recht, dir das zu sagen, Lucia, aber ich liebe dich.«

»Rubio.«

»Ich möchte dich heiraten. Das habe ich mein Leben lang noch zu keiner anderen Frau gesagt.«

Er hatte etwas rührend Aufrichtiges an sich. Rubio weiß nicht, wie man mit anderen spielt, dachte Lucia. Du darfst ihn nicht verletzen. Aber die Vorstellung, dass Angela Carmines Tochter einen Bauern heiraten könnte! Sie hätte beinahe laut aufgelacht.

Rubio deutete ihr Lächeln falsch. »Ich werde nicht ewig im Untergrund leben. Die Regierung wird eines Tages mit uns Frieden schließen müssen. Dann bekomme ich meinen Hof zurück. Querida.. ich möchte den Rest meines Lebens damit verbringen, dich glücklich zu machen. Wir bekommen viele Kinder, und die Mädchen werden alle wie du aussehen.«

So darfst du ihn nicht weiterreden lassen, überlegte Lucia sich. Das muss sofort aufhören! Aber sie konnte sich aus irgendeinem Grund nicht dazu durchringen, Rubio zu unterbrechen. Stattdessen hörte sie sich seine romantische Schilderung ihres gemeinsamen Lebens an und wünschte sich beinahe, alles könnte so werden. Sie war es leid, ständig auf der Flucht zu sein. Es musste wunderbar sein, einen sicheren Zufluchtsort zu finden und von einem Mann, der einen liebte, umsorgt zu werden. Sag mal, du spinnst wohl?

»Darüber wollen wir jetzt nicht reden«, wehrte Lucia ab. »Ich glaube, wir müssen weiter!«

Sie zogen nach Nordosten weiter und folgten dem gewundenen Flusslauf des Dueros zwischen sanften Hügeln und üppig grünen Bäumen. Am Fuß der Berge kamen sie durch das malerische Dorf Rascafria, wo sie Brot, Käse und Wein kauften, um sich auf einer Wiese am Fluss zu einem Picknick niederzulassen.

In Rubios Nähe fühlte Lucia sich ausgeglichen und zufrieden. Seine stille Kraft schien auch ihr Kraft zu verleihen. Er ist nichts für dich, dachte Lucia, aber er wird eine andere, die’s verdient hat, sehr glücklich machen.