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Z wischen Logrono und San Sebastian verkehrten drei Klassen von Zügen: der luxuriöse Schnellzug Talgo, der Eilzug Ter und, als schlechteste und billigste Züge, die irreführend als Expreso bezeichneten unbequemen und schmutzigen Personenzüge, die auf jedem kleinen Bahnhof entlang der Strecke hielten.

»Wir nehmen den Expreso«, entschied Jaime. »Acocas Leute sind unterdessen damit beschäftigt, auf der Straße nach Barcelona jeden weißen Seat anzuhalten. Wir kaufen unsere Fahrkarten einzeln und treffen uns im letzten Wagen.« Er wandte sich an Amparo. »Du gehst voraus. Ich bleibe dicht hinter dir.«

Sie wusste, weshalb, und hasste ihn dafür. Sollte Oberst Acoca ihnen hier eine Falle gestellt haben, würde sie als Köder dienen. Aber eine Amparo Jiron hatte ihren Stolz und schreckte vor nichts zurück!

Während Jaime und die anderen sie beobachteten, betrat sie das Bahnhofsgebäude. Es wurde offenbar nicht überwacht.

Polizei und Militär sind auf der Straße nach Barcelona im Einsatz, überlegte Jaime sich. Er musste unwillkürlich grinsen. Das wird ein Chaos! Jeder zweite Wagen ist ein weißer Seat.

Die sechs kauften einzeln ihre Fahrkarten und warteten, bis der Espreso einfuhr. Auf dem Bahnsteig wurde nicht mehr kontrolliert. Im Zug setzte sich Jaime neben Me-gan. Amparo und Felix saßen vor ihnen; Ricardo und Graciela nahmen auf der anderen Seite des Mittelgangs Platz.

»In drei Stunden sind wir in San Sebastian«, erklärte Jaime Megan. »Dort übernachten wir und gehen in aller Frühe über die Grenze nach Frankreich.«

»Und was passiert dort?«

Sie dachte daran, wie es mit ihm weitergehen würde, aber Jaime antwortete: »Mach dir keine Sorgen. Ein paar Stunden von der Grenze entfernt gibt’s ein französisches Kloster eures Ordens.« Er machte eine Pause. »Falls du noch immer dorthin willst.«

Jaime hatte ihre Zweifel also begriffen. Will ich dorthin zurück? Vor ihnen lag mehr als nur eine Grenze zwischen zwei Staaten: sie bezeichnete die Trennungslinie zwischen Megans bisherigem und ihrem zukünftigen Leben - einem Leben als.? Anfangs hatte sie sich nichts anderes als eine Rückkehr ins Kloster vorstellen können, aber jetzt wurde sie zunehmend von Zweifeln geplagt. Sie hatte vergessen, wie aufregend das Leben außerhalb der Klostermauern sein konnte. Megan sah zu Jaime hinüber und gestand sich ein: Und Jaime Miro macht es noch aufregender.

Er fing ihren Blick auf, und als er ihr in die Augen sah, dachte Megan: Er weiß es!

Der Expreso hielt in jedem Dorf und Weiler entlang der Strecke. Der Zug war voller Bauern mit ihren Frauen, Geschäftsleuten und Vertretern, und auf jedem Bahnhof stiegen Fahrgäste geräuschvoll aus und ein.

Der Expreso schlängelte sich langsam durch die Berge und hatte Mühe, die Steilstrecken zur Puerta de Velete hinauf zu überwinden.

Als der Zug endlich in San Sebastian einfuhr, wandte Jaime sich an Megan. »Jetzt sind wir in Sicherheit. Dies ist unsere Stadt. Ich habe einen Wagen angefordert, der uns abholt.«

Vor dem Hauptbahnhof erwartete sie eine große Limousine. Der Fahrer, der eine Chapella - eine Baskenmütze - trug, umarmte Jaime zur Begrüßung und ließ dann die Gruppe einsteigen.

Megan fiel auf, dass Jaime ständig in Amparos Nähe blieb und stets bereit war, sie an der Flucht zu hindern. Was hat er mit ihr vor? fragte sie sich.

»Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, Jaime«, sagte der Fahrer. »Die Zeitungen berichten von einer großen Treibjagd Oberst Acocas auf dich.«

Jaime Miro lachte. »Lass ihn nur jagen, Gil! Ich habe im Augenblick Schonzeit.«

Sie fuhren die Avenida Sancho el Savio in Richtung Strand hinunter. An diesem wolkenlosen Sommertag drängten sich auf den Gehsteigen flanierende Paare, die zu ihrem Vergnügen unterwegs waren, und vor dem Hafen kreuzten unzählige Jachten und kleinere Boote. Alles wirkte so friedlich.

»Wohin bringst du uns?« fragte Jaime den Fahrer. »Ins Hotel Niza. Largo Cortez erwartet euch.« »Ich freue mich schon darauf, den alten Piraten wiederzusehen.«

Das Niza an der Plaza Juan de Olezabal in der Nähe der Calle San Martin war ein Mittelklassehotel an einer Ecke dieses belebten Platzes. Das weiße Gebäude hatte braune Fensterläden und eine große blaue Reklametafel auf dem Dach. Der Hinterausgang des Hotels führte auf den Strand hinaus.

Als die Limousine vor dem Hotel hielt, stieg die Gruppe aus und folgte Jaime in die Empfangshalle.

Largo Cortez, der Hotelbesitzer, kam herbeigeeilt, um sie zu begrüßen. Er war groß und dick, hatte schon vor Jahren bei einem riskanten Unternehmen einen Arm verloren und bewegte sich deshalb etwas unbeholfen, als gerate er leicht aus dem Gleichgewicht.

»Herzlich willkommen!« trompetete er strahlend. »Wir erwarten euch schon seit einer Woche.«

Jaime zuckte mit den Schultern. »Wir sind unterwegs aufgehalten worden, Amigo.«

Largo Cortez grinste. »Davon hab’ ich gelesen. Die Zeitungen schreiben von nichts anderem mehr.« Er nickte Megan und Graciela zu. »Alle Welt drückt Ihnen die Daumen, Schwestern. Ihre Zimmer stehen bereit.«

»Wir bleiben nur eine Nacht«, erklärte Jaime ihm. »Morgen brechen wir früh auf und setzen uns nach Frankreich ab. Ich brauche einen guten Führer, der sich in den Bergen auskennt - Cabrera Infante oder Jose Cebrian.«

»Ich besorge dir einen«, versprach der Hotelbesitzer ihm. »Ihr seid dann zu sechst?«

Jaime blickte zu Amparo hinüber. »Nein, zu fünft.«

Amparo sah weg.

»Ich schlage vor, dass ihr darauf verzichtet, eure Meldezettel auszufüllen«, sagte Cortez grinsend. »Was die Polizei nicht weiß, macht sie nicht heiß. Was haltet ihr davon, wenn ich euch eure Zimmer zeige, damit ihr euch ein bisschen frisch machen könnt? Danach serviere ich ein gutes Abendessen.«

»Amparo und ich gehen auf einen Drink in die Bar«, sagte Jaime. »Wir stoßen später wieder zu euch.«

Largo Cortez nickte. »Wie du willst, Jaime.«

Megan beobachtete Jaime verwirrt. Sie fragte sich, was er mit Amparo vorhatte. Wollte er sie etwa eiskalt.? Sie wagte nicht, darüber nachzudenken.

Auch Amparo stellte sich diese Frage, aber sie war zu stolz, um sie auszusprechen.

Jaime führte sie in die an die Hotelhalle anschließende Bar und wählte einen Tisch in der hintersten Ecke.

Als der Ober kam, bestellte Jaime ein Glas Rotwein.

»Eines?«

»Eines.«

Amparo sah zu, wie Jaime ein Papierbriefchen aus der Tasche holte und auseinanderfaltete. Es enthielt ein feines weißes Pulver.

»Jaime.« Amparos Stimme klang verzweifelt. »Hör mir bitte zu! Versuch zu verstehen, weshalb ich’s getan habe. Du spaltest unser ganzes Land. Deine Sache ist aussichtslos. Dieser Wahnsinn muss aufhören!«

Der Ober kam zurück und stellte das Glas Rotwein auf den Tisch. Als er gegangen war, kippte Jaime den Inhalt des Papierbriefchens in den Wein, in dem das Pulver sich sofort auflöste. Er schob Amparo das Weinglas hin.

»Trink«, befahl er ihr.

»Nein!«

»Nur wenige von uns genießen das Vorrecht, sich ihre Todesart aussuchen zu dürfen«, stellte Jaime ruhig fest. »Diese ist rasch und schmerzlos. Fällst du meinen Leuten in die Hände, kann ich dir nichts dergleichen versprechen.«

»Jaime, ich. ich habe dich geliebt. Du musst mir glauben. Bitte.«

»Trink aus!« Seine Stimme klang unversöhnlich.

Amparo starrte ihn lange an, bevor sie entschlossen nach dem Weinglas griff. »Ich trinke auf deinen Tod.«

Er sah zu, wie sie das Glas an die Lippen setzte und mit einem einzigen Zug leerte.