»Nicht verbrennen wollte er das Zeug, hat er gesagt«, rief Teece wütend. »Nein, er wollte es nicht verbrennen, wie ich gesagt habe, er mußte es mitnehmen und hier liegen lassen, wo sie es alle noch einmal auf der Straße sehen können, all das Zeug zusammen. Die Nigger halten sich für ganz schlau.«
Er begann in wilden Schlangenlinien zu fahren; Meile um Meile legte er so auf der Straße zurück und zerschmetterte, zerbrach, zerstreute die Bündel aus Papier, Schmuckkästen, Spiegeln, Stühlen. »Da, verdammt noch mal, da!«
Der vordere Reifen stieß einen pfeifenden Schrei aus. Der Wagen taumelte haltlos von der Straße in einen Graben und schleuderte Teece gegen die Scheibe.
»Hurensohn!« Er klopfte sich den Staub ab und stieg aus. Fast weinte er vor Wut.
Er sah die stille, leere Straße hinab. »Jetzt kriegen wir sie nie, nie!« So weit er sehen konnte, erstreckten sich die Bündel und Häufchen wie kleine verlassene Reliquienschreine im wannen Wind des späten Nachmittags.
Eine Stunde später trafen Teece und Großvater, müde von dem Fußmarsch, wieder beim Eisenwarenladen ein. Die Männer saßen noch immer dort und lauschten ins Leere und starrten in den Himmel. Als Teece sich gesetzt hatte und seine Stiefel auszog, rief jemand: »Schaut!«
»Verdammt, nein!« sagte Teece.
Aber die anderen blickten auf. Und sie sahen die goldenen Schnüre, die fernab in den Himmel stiegen. Lange Flammen hinter sich herziehend, verschwanden sie.
Auf den Baumwollfeldern wehte der Wind müßig zwischen den schneeweiß behangenen Stauden. Auf anderen Feldern, weiter entfernt, lagen die Wassermelonen in der Sonne, unberührt, gestreift wie Katzen.
Die Männer auf der Veranda setzten sich, sahen sich an, betrachteten die frischen gelben Hanfseile, die säuberlich zusammengerollt in den Regalen des Ladens lagen, warfen einen Blick auf die Gewehrpatronen, die messingglänzend in ihren Schachteln ruhten, betrachteten die silberglitzernden Pistolen und langen schwarzen, metallschimmernden Flinten, die ganz oben reglos im Schatten hingen. Jemand steckte sich einen Strohhalm zwischen die Zähne. Ein anderer zeichnete etwas in den Staub.
Dann hielt Samuel Teece triumphierend seinen leeren Stiefel hoch, drehte ihn um, starrte ihn an und sagte: »Habt ihr gemerkt? Bis ganz zum Schluß, bei Gott, hat er >Mister< gesagt!«
2004-2005: Die Namen
Sie kamen in das fremde blaue Land und gaben ihm ihre Namen. Da gab es den Hinkstonbach und die Lustig-Straße und einen Schwarzen Fluß und einen Driscoll-Wald und einen Peregrineberg und die Wilder-City -Namen von Menschen und menschlichen Errungenschaften. Da war die Stelle, wo Marsianer die ersten Erdenmenschen umbrachten, und sie hieß Rote Stadt, was auf das vergossene Blut hindeuten sollte. Und wo die Zweite Expedition vernichtet worden war, stand eine Stadt, die >Zweiter Versuch< hieß, und an all den anderen Orten, wo die Männer ihre feuerspeienden Raketen niedergesetzt und das Land verbrannt hatten, blieben Namen zurück wie Asche-Village, und natürlich gab es auch ein Spendergebirge und eine Nathaniel-York-City...
Die alten marsianischen Namen waren Namen des Wassers und der Luft und der Hügel gewesen. Namen von Schneefallen, die sich südlich in die steinernen Kanäle ergossen und die leeren Seen füllten, und Namen von begrabenen Zauberern und Türmen und Obelisken. Und die Raketen zertrümmerten die Namen wie herabsausende Hammerschläge, zerbrachen den Marmor, zerpulverten die irdenen Meilensteine mit den alten Städtenamen - Städte, deren Schutt jetzt neue große Schilder eingerammt wurden mit neuen Namen, in denen Wörter wie EISEN und STAHL und ALUMINIUM und ELEKTRIZITÄT und KORN und DETROIT vorkamen - die technischen und metallisch klingenden Wörter von der Erde.
Und als die Städte vollendet und benannt waren, kamen die Friedhöfe an die Reihe und erhielten ebenfalls ihre Namen: Grüner Hügel, MoosStadt, Gesegneter Abschied, und die ersten Toten wurden begraben.
Als jedoch alles sauber und an Ort und Stelle war, als die Sicherheit ein Höchstmaß erreicht hatte und die Städte gut eingerichtet und die Einsamkeit zurückgedämmt war, kamen die Anspruchsvollen von der Erde. Sie kamen, um Partys zu feiern oder Ferien zu machen, um Schmuck zu kaufen, Fotos zu schießen oder die >Atmosphäre< zu genießen; sie kamen, um soziologische Gesetze zu studieren oder anzuwenden, sie brachten Sterne und Abzeichen und Regeln und Vorschriften, sie brachten etwas von dem Verwaltungsapparat mit sich, der die Erde wie ein unheimliches, fremdes Gewächs überwuchert hatte, und sie ließen es auch auf dem Mars wachsen, wo immer es Wurzeln schlagen wollte. Sie begannen das Leben und die Lektüre anderer Leute zu planen und zu beaufsichtigen, sie begannen Anweisungen zu erteilen und eben jene Menschen am Gängelband zu führen, die zum Mars gekommen waren, um nicht mehr kommandiert und bevormundet und herumgestoßen zu werden.
Und so war es unvermeidlich, daß sich einige zu wehren begannen.
April 2005: Ascher II
»>Einen geschlagenen Tag lang, starr, trüb, tonlos und tief im Herbste des Jahres, war ich allein, zu Pferde, unter dem bedrückend lastenden Wolkenhimmel, durch einen ungewöhnlich öden Strich Landes dahingeritten; und fand mich endlich, da die Schatten des Abends sich anschickten heraufzuziehen, angesichts des melancholischen Hauses Ascher.<.«
Mr. William Stendahl unterbrach sein Zitat. Vor ihm auf einem niedrigen schwarzen Hügel stand das Haus, und sein Grundstein trug die Inschrift 2005 n. Chr.
Mr. Bigelow, der Architekt, sagte: »Es ist fertig. Hier ist der Schlüssel, Mr. Stendahl.«
Wortlos standen die beiden Männer im stillen Herbstnachmittag. Bauzeichnungen raschelten im Gras zu ihren Füßen.
»Das Haus von Ascher«, sagte Mr. Stendahl angenehm berührt. »Geplant, gebaut, gekauft, bezahlt. Oh, wie entzückt Mr. Poe davon wäre!«
Mr. Bigelow kniff die Augen zusammen. »Ist alles nach Wunsch, Sir?«
»Ja!«
»Stimmen die Farben? Sind sie trostlos und schrecklich!«
»Sehr trostlos und sehr schrecklich.«
»Die Wände sind - kalt!«
»Ja, in erstaunlichem Maße!«
»Der See - ist er >schwarz und unheimlich< genug?«
»Überaus schwarz und unheimlich.«
»Und das Riedgras - wir haben es gefärbt, müssen Sie wissen - ist es richtig grau und schwarz?«
»Scheußlich!«
Mr. Bigelow betrachtete seine Baupläne und las vor: »Erzeugt das ganze Gebäude >ein eisiges Gefühl, ein bedrückendes Herzklopfen, eine Trübsal der Gedanken<? Das Haus, der See, das Land, Mr. Stendahl?«
»Mr. Bigelow, der Bau ist jeden Cent wert, den er kostet. Mein Gott, es ist alles wunderschön!«
»Vielen Dank. Ich mußte immerhin ohne Vorkenntnisse arbeiten. Gott sei Dank hatten Sie Ihre eigenen Raketen zur Verfügung, sonst hätten wir die meisten Sachen nicht durchbekommen. Wie Sie bemerken, herrscht ein ständiges Zwielicht - das Land, in dem stets Oktober ist, öde, steril, tot. Hat uns ganz schön Arbeit gemacht. Wir mußten alles abtöten. Zehntausend Tonnen DDT. Keine Schlange, kein Frosch, keine marsianische Fliege ist mehr am Leben! Immer nur Zwielicht, Mr. Stendahl, darauf bin ich besonders stolz. Es gibt versteckte Maschinen, die löschen die Sonne aus. Es wird immer angemessen >trübe< sein.«