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»Ich erbitte eure Gunst!« rief Ho-Tu.

»Abgelehnt!« sagte Cernus barsch. »Das Spiel soll beginnen.«

Eine Gruppe Männer fand sich zwischen den Tischen zusammen und begann in einem kleinen Metallbehälter Verrwürfel zu schütteln. Ich begann zu verstehen, was hier vorging, eine der Überraschungen des Kajuralia-Festes, vielleicht aber auch mehr. Suras Stolz und ihre Stellung im Hause war vermutlich vielen Männern und Bediensteten ein Dorn im Auge; vielleicht hatte sogar Cernus das Gefühl, daß sie sich manchmal zuviel herausgenommen hatte.

»Ich bin der erste!« rief ein Mann.

Lautes Gebrüll klang auf, und die Männer setzten das Spiel fort. Es ging darum, in welcher Reihenfolge das Mädchen den Männern zu Gefallen sein mußte.

Ich sah Ho-Tu an. Zu meiner Überraschung entdeckte ich Tränen in seinen dunklen Augen. Seine Hand ruhte auf dem Griff des Hakenmessers..

Ich blickte zu Sura hinüber, die apathisch auf den Steinniesen kniete.

Ihre Schultern zuckten; ich sah, daß sie weinte.

Mit schnellen Schritten näherte ich mich den spielenden Männern und drängte mich wortlos in ihren Kreis. Sie sahen mich ärgerlich an, wagten jedoch keine Einwände zu machen, als ich den Behälter mit den Würfelknochen nahm und sie ausschüttete.

Es war kein sehr hoher Wurf, und schon wurde erleichtertes Lachen laut, doch im nächsten Augenblick war mein Schwert aus der Scheide, und die scharfe Klinge kippte mit kurzen anmutigen Bewegungen die Würfel um, so daß jeweils die höchste Zahl oben lag.

Die Männer starrten mich wütend an.

»Ich bekomme sie«, sagte ich. »Ich allein. Und wer damit nicht einverstanden ist, soll mich herausfordern!«

Murrend senkten die Männer die Blicke.

Ich wandte mich an Cernus, der lachend den Arm hob.

»Bring mich in deine Räume, Sklavin!« befahl ich.

Sie rappelte sich mühsam auf und ging taumelnd voraus.

Cernus lachte hinter mir. »Ich habe gehört, daß der Attentäter sich mit Sklavinnen auskennt!«

Ho-Tu starrte mich mit großen Augen an, als ich an seinem Tisch vorbeiging. »Sie ist eine ungewöhnliche Sklavin«, sagte er leise.

»Dann habe ich ja auch ungewöhnliche Freuden zu erwarten«, sagte ich und trat in den Korridor hinaus.

In Suras Quartier angekommen, löste ich ihr Sofort die Fesseln, die ungewöhnlich fest gesessen hatten. Sie blieb mit gesenktem Kopf in der Mitte des Zimmers stehen und rieb sich die Handgelenke. Ihr schwarzes Haar fiel ihr bis weit über die Schultern; ihre wunderschönen Augen waren schwarz und ausdrucksvoll.

Ich wandte mich ab, suchte nach etwas Ka-la-na oder Paga. Ich begann eine der Truhen zu durchwühlen, dann eine zweite. Sie bewegte sich nicht.

Ich öffnete eine weitere Truhe. »Bitte schau nicht hinein«, bat sie.

»Unsinn«, erwiderte ich, in der Annahme, daß ich hier die gewünschten Getränke finden würde. »Bitte!« rief sie.

Ich stocherte in der Truhe herum, die zahlreiche Ketten, Schmuckstücke und Seidengewänder enthielt. Suras Garderobe schien recht umfangreich zu sein.

Unten in der Kiste entdeckte ich eine große, arg zerfledderte Puppe, die in eine verblaßte Robe der Verhüllung gekleidet war. »Was ist denn das?« fragte ich amüsiert und hob die Puppe. Mit einem Wutschrei eilte Sura an mir vorbei, riß einen Sklavenstab von der Wand und schaltete ihn ein. Ich sah, wie der Hebel auf höchste Leistung gestellt wurde – die den sofortigen Tod herbeiführt. Die Spitze des Stabes wurde weißglühend, so daß man nicht mehr hinsehen konnte.

»Stirb!« kreischte Sura und eilte auf mich zu.

Ich ließ die Puppe fallen, wirbelte herum und ergriff im letzten Augenblick ihr Handgelenk. Ihre Hand ließ den Sklavenstab fallen; ich stieß Sura zur Seite, griff nach dem gefährlichen Instrument und schaltete es ab.

Dann bückte ich mich nach der Puppe und näherte mich damit Sura, die sich verzweifelt gegen eine Wand preßte.

»Hier«, sagte ich und reichte ihr die Puppe. »Es tut mir leid.«

Sie starrte mich wortlos an.

Ich durchquerte das Zimmer und hängte den Sklavenstab wieder an seinen Haken. »Tut mir wirklich leid, Sura«, sagte ich noch einmal. »Ich habe nur nach Ka-la-na gesucht.«

Sie starrte mich verwirrt an.

»In der letzten Truhe«, flüsterte sie.

Ich ging zu der vierten Truhe an der Wand, öffnete den Deckel und fand darin eine Flasche Ka-la-na-Wein und einige Schalen.

»Es ist Kajuralia«, sagte ich, »also bediene ich dich.«

Sie starrte mich verständnislos an. Ich schenkte zwei Schalen voll und reichte ihr eine davon. Mit zitternden Händen trank sie daraus.

Dann machte ich kehrt und setzte mich im Schneidersitz in die Mitte des Raums . Die Flasche stellte ich neben mich.

»Wie kommt es«, fragte ich, »daß du eine solche Puppe hast?«

Sie schwieg und brachte das Spielzeug wieder in ihr Versteck.

»Du brauchst mir nicht zu antworten«, sagte ich.

»Meine Mutter hat sie mir gegeben. Ich wurde verkauft, als ich fünf war – das ist alles, was ich noch von ihr habe.«

»Es tut mir leid«, sagte ich.

Sie hob ihre Weinschale.

»Ho-Tu«, sagte ich, »liebt dich.«

»Ja«, sagte sie.

»Mußt du am Kajuralia-Fest immer leiden?« fragte ich.

»Wenn sich Cernus daran erinnert«, erwiderte sie. »Einmal, vor vielen Jahren, wurde ich vor aller Augen begattet.«

»Weißt du von wem?« fragte ich.

»Nein«, sagte sie. »Man hatte mich gefesselt und mir die Augen verbunden.« Sie erschauderte. »Er wurde von der Straße geholt. Ich weiß es noch wie heute. Der winzige, verformte Körper, die kleinen, ungeschickten Hände. Sein Jammern und Kichern. Die Männer bei Tisch haben dabei gebrüllt vor Lachen. Es war bestimmt sehr amüsant.«

»Und das Kind?« fragte ich.

»Ich habe es ausgetragen«, sagte sie, »aber bei der Geburt trug ich wieder die Haube. Ich habe es also nie gesehen. Bei dem Vater war es bestimmt ein Monstrum.«

»Vielleicht auch nicht. Besucht Ho-Tu dich oft?« fragte ich.

»Ja. Ich spiele ihm auf der Kalika vor. Er mag das. Er war früher Sklave, aber er hat sich mit dem Hakenmesser seine Freiheit erobert. Er war dem Vater des Cernus sehr ergeben. Als dieser ermordet wurde und sich Cernus das Medaillon des Hauses umlegte, leistete Ho-Tu Widerstand. Dafür mußte er Säure trinken. Er ist trotzdem all die Jahre im Haus geblieben.«

»Und warum das?«

»Vielleicht weil auch Sura in diesem Hause Sklavin ist.« Sie senkte lächelnd den Blick.

Ich sah mich um. »Ich habe keine Lust, sofort in mein Quartier zurückzukehren. Außerdem wird von mir erwartet, daß ich hier einige Zeit verbringe. Liebst du Ho-Tu?«

Sie betrachtete mich nachdenklich. »Ja«, sagte sie dann.

»Wir finden sicherlich eine Beschäftigung, die dir gefällt.«

Sie lachte.

»Dein Zimmer scheint wenig Zerstreuung zu bieten – was möchtest du tun?«

»Ich?« fragte sie amüsiert. »Meint Kuurus das ernst?«

»O ja.«

»Ich wüßte schon, was ich wollte«, sagte sie, »aber es ist etwas sehr Dummes.«

»Naja, immerhin haben wir noch Kajuralia.«

Sie sah mich an und sagte stockend: »Ob du... ob du mir wohl das Spiel beibringen könntest?«

Ich starrte sie sprachlos an. »Hast du denn ein Brett und Figuren?«

»Nein.«

»Aber dann hast du Papier und Schreibstift und Tinte?«

»Ich habe Seide und Rouge und Flaschen mit Kosmetika.«

Nach wenigen Minuten hatten wir ein großes Stück Seide auf dem Boden zwischen uns gelegt, und mit den Fingern hatte ich die Quadrate des Spielfeldes aufgezeichnet. Ich setzte einen Punkt in die Quadrate, die normalerweise rot waren. Gemeinsam suchten wir dann eine ausreichende Anzahl Fläschchen und Broschen und Schmucksteine zusammen, die uns als Figuren dienen sollten. Ich zeigte Sura die Aufstellung der Figuren und ihre Grundzüge und erklärte ihr einige grundlegende Raffinessen des Spiels. In der zweiten Ahn beugte sie sich bereits mit einer Intensität über das Brett, die mich verblüffte. Sie begann bald eine eigene Strategie zu entwickeln; ihre Züge waren selten aggressiv, doch stets intelligent. Ich begann ihre Angriffe zu erklären, diskutierte eingehend mit ihr, und sie unterbrach mich oft mit einem lauten: »Aber klar!«, und die Lektion brauchte nicht wiederholt zu werden.