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Plötzlich ertönte hinter der Tür ein wilder Schrei, und ich glaubte eine Bewegung auf der anderen Seite wahrzunehmen, dann ein kratzendes Geräusch.

»Geh!« rief nun auch der zweite Wächter.

»Aber die Wunde ist doch nicht schlimm«, sagte ich und drückte sie ein wenig, so daß mir ein Tropfen Blut am Unterarm entlanglief.

Auf der anderen Seite der Tür machte sich etwas an einem Riegel zu schaffen – der Durchgang schien von der anderen Seite verschlossen zu sein, schien von dort geöffnet werden zu können. Hastig machten sich die beiden Wächter daran, die Sperrbalken vorzulegen. Ein wütender, enttäuschter, durchdringender Schrei wurde laut, etwas kratzte über das Holz der Tür, die sich gegen die Balken bäumte.

»Verschwinde!« brüllte einer der Wächter.

»Na gut«, sagte ich, machte kehrt und ging den Korridor entlang.

Ich hörte die Männer fluchen und vernahm das Knirschen der soliden Tür. Als ich mich ein Stück entfernt hatte, schob ich den Verband wieder zurecht, zog den Ärmel herab und blickte zurück. Das Ding hinter der Tür machte keinen Lärm mehr, und ich konnte hören, wie der Riegel auf der Innenseite wieder vorgeschoben wurde. Nach einigen Minuten entfernten die Wächter auch auf Ihrer Seite wieder die Sperre. Das Wesen dahinter hatte sich offenbar wieder beruhigt.

Ich setzte meine Wanderung durch das Haus fort, wobei ich hier und dort auf betrunkene Wächter oder Bedienstete stieß, die mich unweigerlich mit Kajuralia- Rufen begrüßten. Doch meine Gedanken galten anderen Dingen. Aus irgendeinem Grund mußte ich an eine Bemerkung Cernus' denken, die er einmal vor der Zelle für seine besonderen Gefangenen gemacht hatte: »Du würdest keinen guten Spieler abgeben, Attentäter«.

Diese Worte machten mir nun seltsam zu schaffen.

Aber als ich so durch die Säle wanderte, hatte ich auch den Eindruck, daß es um unsere Sache so schlecht gar nicht stünde, obwohl ich den erforderlichen Zeitverlust bedauerte. Morgen abend um diese Zeit würden Elizabeth, Virginia und Phyllis in Freiheit sein. Und Caprus, der verläßliche Caprus, konnte besser arbeiten, nachdem sich Cernus um die zahlreichen Pflichten eines Ubar kümmern mußte. – Du, Attentäter, würdest keinen guten Spieler abgeben.

Ich bog in die Küche ab, in der das Essen für Cernus' Tafel bereitet wird.

Einige verblüffte Sklaven sprangen auf; die meisten schliefen jedoch weiter.

»Wo ist der Paga?« wandte ich mich an eines der Mädchen. Als sie aus dem Schatten trat, stellte ich verblüfft fest, daß sie keine Nase mehr hatte.

»Dort, Herr l« sagte sie und deutete auf einen Korb mit Flaschen unter dem großen Zentraltisch der Küche.

Schwerer Küchenduft stieg mir in die Nase. Zahlreiche Würste hingen am Haken, darunter standen Behälter mit Mehl, Zucker und Salz und kleinere Gefäße mit Gewürzen und anderen Zutaten. Zwei große Weinkrüge standen in einer Ecke, und eine ganz Wand wurde von Türen eingenommen, die zu verschiedenen Vorratsräumen und Regalen führen mußten. Eine andere Wand enthielt die Backöfen, daneben gähnte die lange Feuergrube, über der das Essen zubereitet wurde. Das Licht in der Küche kam von einer kleinen Tharlarionöllampe, die an der Decke hing, um dem Wächter die Überprüfung der schlafenden Sklaven zu ermöglichen.

Ich nahm eine zweite Flasche Paga aus dem Korb und warf sie dem Mädchen ohne Nase zu.

»Danke, Herr«, sagte sie und kehrte an ihren Platz zurück, wo sie das Getränk mit den anderen Sklaven teilte.

Wieder ging mir der Gedanke durch den Kopf: Du würdest keinen guten Spieler abgeben. Du würdest nie einen Spieler abgeben, Attentäter.

Grimmig, die Pagaflasche in der Hand, marschierte ich in den Korridor hinaus und fand die Stufen, die in die unteren Etagen des Zylinders führten.

Immer tiefer drang ich in die Unterwelt des Sklavenreichs vor. Eine seltsame Angst hatte von mir Besitz ergriffen, auch überkam mich Wut.

Eine entsetzliche Erkenntnis schien sich im Hintergrund meines Gehirns geformt zu haben, als sich das unsichtbare Ungeheuer in der Tür verkrallte, hinten im Korridor.

Ich passierte zahlreiche Wächter, schritt unzählige schmale Eisenstege entlang, die über endlose Reihen mit Käfigen führten. Ich erreichte schließlich die dritte Etage mit den Verwaltungs- und Versorgungsräumen für die Sklaven und stieg noch tiefer hinab, an weiteren Gehegen und Käfigen vorbei. Wenn ich an einem Wächter vorbeikam, begrüßte ich ihn mit »Kajuralia« und marschierte weiter.

Und immer mehr breitete sich die Angst aus, die ich nicht zu fassen vermochte. Attentäter, du würdest keinen guten Spieler abgeben.

Ich erreichte die letzte Wendeltreppe und schließlich die unterste Etage im Zylinder.

»Wer ist da?« fragte ein verblüffter Wächter.

»Kuurus aus der schwarzen Kaste«, sagte ich. »Im Auftrag des Cernus bringe ich den Gefangenen Paga am Kajuralia-Fest!«

»Aber wir haben hier nur einen Gefangenen«, sagte er verwirrt.

»Um so mehr bleibt für uns beide übrig«, sagte ich.

Er grinste und streckte die Hand aus. Ich riß mit den Zähnen den Korken aus der Flasche und reichte sie ihm.

»Man hat mich das ganze Fest über trocken sitzen lassen«, murmelte er zwischen den Schlucken.

Ich schloß daraus, daß der Wächter hatte nüchtern bleiben sollen – und daß er einen wertvollen Gefangenen bewachte. Vielleicht hatte man ihn aber auch nur einfach vergessen.

Der Mann setzte schließlich die Flasche ab. »Guter Paga«, sagte er.

Ich ließ ihn sitzen und sah mich um. Mehrere Korridore mit zahlreichen kleinen Zellen erstreckten sich vor mir. Es war feucht hier unten. Alle dreißig Schritte flackerte eine kleine Tharlarionöllampe. Ich nahm eine Fackel Und- hielt sie in die nächste Flamme.

Ich hörte, wie der Wächter noch einen tiefen Schluck nahm; dann saß er wieder teilnahmslos am Fuß der Treppe.

Die meisten Zellen schienen mit Kisten und Behältern gefüllt; sie gehörten offenbar zu den Lieferungen, die aus dem Schiff der Anderen geladen worden waren. Jede Zelle war verschlossen.

»Der Gefangene sitzt im neunten Korridor«, rief der Wächter von der Treppe.

»Vielen Dank«, sagte ich und nahm dem Mann die Flasche ab. »Ich bringe sie zurück.«

»Das ist zuviel Paga für einen Gefangenen«, murmelte der Mann ziemlich benommen.

»Gewiß – ich bringe sie dir ja zurück!«

»Zelle 40«, sagte er.

»Wo ist der Schlüssel?« wollte ich wissen.

»Neben der Tür.«

»Aber die anderen Schlüssel waren nicht neben den Türen.«

»Die anderen Schlüssel«, murmelte er, »werden irgendwo oben aufbewahrt, ich weiß nicht, wo.«

»Vielen Dank.«

Im neunten Korridor entdeckte ich ohne Mühe die vierzigste Zelle. Ich öffnete das Beobachtungsloch und konnte im Inneren an der gegenüberliegenden Wand eine dunkle Gestalt erkennen. Sie war angekettet.

Der Schlüsselkasten befand sich etwa einen Meter links neben der Tür.

Ich betätigte den Öffnungsmechanismus, nahm den Schlüssel heraus und öffnete die Zellentür.

Von dem Licht überrascht, eilte eine Urt über den Fußboden und verschwand in einem Wandspalt. Sie hatte an einigen Essensresten genagt. Es roch nach nassem Stroh und Ausscheidungen.

Der Gefangene war ein kleiner nackter Mann mit weißem Haar, zum Skelett abgemagert, von Wunden übersät. Der Mann erwachte und begann zu wimmern. Er erhob sich auf die Knie und versuchte seine Augen vor dem plötzlichen grellen Licht meiner Fackel zu schützen.

»Wer bist du?« fragte er.

»Mein Name ist Kuurus«, sagte ich.

Seine Arme und Beine waren getrennt angekettet, und jede Kette hatte einen eigenen Halt an der Mauer; ich schloß daraus, daß es sich in der Tat um einen ungewöhnlichen Gefangenen handeln mußte. Ich sah auch, daß die Ketten ihm einige Bewegungsfreiheit ließen, so daß er essen, sich kratzen und gegen die Angriffe der Urts verteidigen konnte.

Es wollte mir scheinen, als hauste er schon sehr lange hier unten.

Ich richtete mich auf und steckte die Fackel in einen Halter an der Wand.