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»Der Tarn wird mich erkennen«, sagte ich.

Ich sprang zu Boden und lief quer durch das Gehege auf die Stange des großen Tarn zu.

Auf halbem Wege blieb ich stehen. In einer Ecke lag ein toter Tarn, ein kleiner Renntarn, dem man die Kehle durchgeschnitten hatte. Ganz in der Nähe sah ich den Reiter. Er war verwundet und wurde versorgt.

»Was soll das?« fragte ich.

»Die Gelben haben uns besucht«, sagte ein Wächter grimmig. »Der Tarn wurde getötet und Callius schwer verwundet. Wir haben sie aber zurückgeschlagen.«

Ein zweiter Mann fuchtelte drohend mit seiner Waffe. »Wenn du nicht Gladius bist, mußt du sterben!«

»Habt keine Sorge«, sagte ich und eilte auf die Käfige zu, wo ich meinen großen schwarzen Tarn, den Ubar des Himmels, finden würde.

Als wir uns dem Tier näherten, hörten wir einen gellenden Schrei. Ich stockte. Rings um die Tarnstange lagen fünf Männer, tot, blutig, mit zerfetzten Körpern.

»Das sind Gelbe«, sagte einer der Wächter überrascht. »Sie wollten den Vogel töten!«

»Es ist ein Kriegstarn«, sagte ein anderer. »Nimm dich in acht, auch wenn du Gladius aus Cos bist.«

Ich sah, daß der Schnabel und die Stahlkrallen des Tiers blutig waren.

Vorsichtig blieb ich stehen. »Welches Rennen ist das?« fragte ich beim Klang einer Glocke besorgt, daß ich zu spät kommen . könnte.

»Das achte«, sagte einer der Männer, »der Lauf vor dem Ubar-Rennen.«

»Callius sollte beim achten reiten«, sagte ich. Aber Callius war verwundet, und sein Tarn lebte nicht mehr.

»Wir liegen ein Rennen zurück«, informierte mich einer der Männer.

Mir sank der Mut. Da Callius ausfiel, hatten die Stählernen keinen Reiter.

Mein eigener Tarn, wenn ich ihn überhaupt rechtzeitig fertig machen konnte, ließ sich höchstens für das neunte Rennen an den Start bringen.

So konnten die Stählernen, auch wenn sie das Ubar-Rennen gewannen, den Tagessieg nicht davontragen.

»Die Stählernen sind erledigt«, sagte ich.

»Aber es reitet jemand für uns«, sagte einer der Wächter.

Ich musterte ihn.

»Mip«, sagte er lächelnd.

»Der kleine Tarnzüchter?« fragte ich skeptisch. »Aber welches Tier fliegt er denn?«

»Sein eigenes«, sagte der Wächter, »den Grünen Ubar.«

Ich war verblüfft. »Aber der Tarn ist alt. Er hat seit Jahren keine Rennen mehr geflogen. Und Mip ist nur ein Tarnzüchter!«

Einer der Männer sah mich an und grinste. Dann hob er seine Armbrust.

»Er ist vielleicht doch ein Spion der Gelben.«

»Woher sollen wir wissen, daß du Gladius aus Cos bist?« fragte ein anderer.

Ich lächelte. »Der Tarn wird mich erkennen.«

»Der Tarn hat Blut gekostet«, sagte der Anführer. »Er frißt noch. Er wird dich zerfleischen.«

»Aber wir haben wenig Zeit.« Ich trat auf den schwarzen Tarn zu. Die Fußkette ließ dem Tier vielleicht einen Meter Bewegungsfreiheit. Ich näherte mich langsam und streckte ohne ein Wort' zu sagen die Hände aus. Das Tier beäugte mich.

»Er ist ein Narr«, flüsterte der Anführer der Wächter.

»Entweder das oder – Gladius aus Cos.«

Der Tarn, das große, nie völlig gezähmte Satteltier der Goreaner, ist ein Raubtier der Lüfte; sogar erfahrene Tarnreiter nähern sich ihren Vögeln nur bewaffnet mit dem Tarnstab. Völliger Wahnsinn ist es, ein Tier besteigen zu wollen, das gerade frißt; Fleischfresser haben nie Lust, ihre Beute zu teilen oder sich bei einer Mahlzeit stören zu lassen.

Trotzdem schritt ich weiter, bis ich in die Reichweite des gewaltigen Vogels kam.

Leise sagte ich: »Mein Ubar des Himmels. Du kennst mich doch!«

Der Vogel betrachtete mich aufmerksam. Unter seinen blutigen Krallen lag die Leiche eines Angehörigen der Gelben Mannschaft.

»Komm zurück!« rief einer der Armbrustschützen.

»Wir müssen fliegen, Ubar des Himmels«, sagte ich leise und näherte mich weiter. Mit vorsichtiger Bewegung schob ich den toten Mann zur Seite. Der Vogel machte keinen Versuch, mich anzugreifen.

Ich hörte, wie die Männer hinter mir den Atem anhielten.

»Du hast vorzüglich gekämpft«, sagte ich zu dem Tarn und tätschelte seinen blutigen Raubvogelschnabel. »Und ich bin froh, daß du noch am Leben bist.«

Zärtlich berührte mich der Tarn mit dem Schnabel.

»Macht die Plattform für das nächste Rennen fertig«, befahl ich laut.

»Ja, Gladius aus Cos«, sagte der Anführer der Männer. Er und seine drei Begleiter legten die Armbrüste fort und beeilten sich, die Wagenplattform fertig zu machen.

Ich wandte mich um, und einer der Wächter warf mir eine Ledermaske zu, die Maske des Gladius' aus Cos, dessen wahres Gesicht niemand kannte.

»Mip hat mir gesagt, dies wäre für dich.«

»Danke«, sagte ich und zog die Maske über den Kopf.

Ich hörte die Glocke des Schiedsrichters, gefolgt von heftigem Flügelschlagen und dem lauten Aufschrei der Menge.

»Das achte Rennen hat begonnen«, sagte der Anführer der Wächter.

Ich schlug dem Vogel leicht auf den Schnabel. »Ich bin gleich zurück, Ubar des Himmels.«

Dann durchschritt ich das Gehege der Stählernen und stieg eine kleine Treppe hinab, die auf den breiten Weg hinter den Startstangen führte.

Mit schnellen Schritten ging es durch den Sand, bis ich die breite Trennmauer zwischen den beiden Hälften des Rennkurses erreichte. Der Anführer der Armbrustschützen folgte mir.

Im Vorbeigehen hörte ich Ausrufe der Verblüffung. »Da ist ja Gladius aus Cos!« »Ich dachte, er startet nicht!« »Ich habe gehört, er habe Angst!«

»Flieh, Gladius!«

Die Vögel, neun Tarns, rasten nur wenige Meter entfernt an uns vorüber; die Reiter hingen tief in den Sätteln, die Flügel der Tiere knallten wie Peitschen.

Ich konnte einen kurzen Blick auf den Grünen Ubar werfen, der von Mip geritten wurde. Sechs hölzerne Tarnköpfe auf den Masten kündeten von den noch zu fliegenden Runden.

Siebzig oder achtzig Meter entfernt sah ich die Loge des Ubar. Cernus aus dem Hause Cernus saß auf seinem Thron, in das hochherrschaftliche Purpur seines Amtes gehüllt.

Im Augenblick achtete er jedoch nicht auf das Rennen; ein Bote, ein Mann, den ich eben noch auf der Trennmauer gesehen hatte stand neben ihm und flüsterte ihm etwas zu.

Plötzlich blickte Cernus zu mir herüber. Ich richtete mich auf und erwiderte seinen Blick durch meine Maske.

Ärgerlich wandte er sich an den Mann und gab ihm einen Befehl.

Wieder fegten dicht über uns die Tarns vorüber; das Klatschen der Flügel, der Sturm, den sie entfachten, das Knistern der Tarnstäbe veranlagte uns, die Köpfe einzuziehen.

Jetzt wurde ein mannschaftsloser Tarn gegen einen gepolsterten Mittelring getrieben; Menicius aus Port Kar, der für die Gelben ritt, hatte das Manöver geschickt eingeleitet; ich hatte ihn schon mehrmals bei dieser Taktik beobachtet. Mip hatte sich dicht hinter Menicius gehalten und sich dessen Ablenkbewegung zunutze gemacht. Wie ein Pfeil hielt er auf die Mitte des Ringes zu und huschte an Menicius vorbei, während der geschlagene Vogel in die Netze taumelte. Das Publikum brüllte begeistert auf.

Ein Tarn der Roten, ein großer Vogel, der von einem kleinen bärtigen Reiter mit einer Knochenkette um den Hals unmenschlich scharf angetrieben wurde, hielt die Führung. Ihm dicht auf den Fersen waren zwei braune Renntarns, deren Reiter die Seide der Blauen und der Silbernen trugen. Die vierte Position nahm der Grüne Ubar ein, der eine unglaubliche Schnelligkeit entwickelte. Ich wunderte mich, denn ich kannte sein Alter und wußte, daß er jahrelang keine Rennen mehr geflogen hatte. Seinen Federn fehlte der Glanz der jüngeren Tiere, und auch sein Schnabel war bereits stumpf geworden. Ich befürchtete, daß das Tier bei der Anstrengung Schaden nehmen könnte.

»Achtung!« rief mein Begleiter mit der Armbrust. Ich wirbelte herum und fing im letzten Augenblick den Arm eines Mannes ab, der mir einen Dolch in den Rücken stoßen wollte. Ich brach ihm das Genick und warf ihn in den Sand vor der Trennmauer. Es war der Mann, der eben noch mit Cernus geflüstert hatte.