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Ich wandte mich um und blickte zur Loge des Ubar hinüber, Saphronicus, Anführer der Taurentianer, stand neben ihm; seine Hand ruhte auf dem Schwertgriff. Cernus' Gesicht war blaß geworden, er hatte die Fäuste um seine Thronlehnen geballt.

Ich wandte mich wieder dem Rennen zu.

Mein Wächter kümmerte sich nicht mehr um den Ausgang des Wettstreits, sondern stellte sich mit dem Rücken zu mir und beobachtete die Ränge, die Armbrust schußbereit erhoben.

Wieder fegten die Tarns wie ein Sturmwind vorbei. Der große Tarn der Roten war zurückgefallen, hatte die Spitze an einen Reiter der Blauen abgetreten. Ich kannte den Vogel; er war zu früh vorgestoßen.

Auch Mip überholte den Roten. Die zweite Position nahm nun der Reiter in der Seide der Silbernen ein. Schon gab er seinem Tier die Zügel frei.

Noch zwei Tarnköpfe standen auf den Masten. Ich kannte die Stärke des Vogels nicht, er schwang jedoch in der Kurve zu weit aus. Mip nutzte die Situation, indem er eine sehr enge Kurve zog und nun in zweiter Position dem Reiter in Blau dichtauf folgte.

Menicius aus Port Kar in seiner Gelben Tunika versuchte mit funkensprühendem Tarnstab den Anschluß nicht zu verlieren und drängte sich ebenfalls an dem Silbernen vorbei.

Der Blaue verwehrte mit geschickten Ausweichmanövern Mip den ersten Platz. Sein Tier ermüdete bereits, doch die Chancen, daß er das Rennen vor dem Stählernen gewann, standen gut. Menicius aus Port Kar war ziemlich abgeschlagen.

Immer wieder versuchte Mip den Blauen zu überholen. Ein Ring nach dem anderen huschte vorbei, er versuchte alle Tricks und es gelang ihm schließlich nur mit einem überraschenden Ausweichmanöver nach unten, den Blauen mit der gefährlichen Klauenpassage hinter sich zu lassen. Die Anhänger der Stählernen Mannschaft sprangen begeistert auf.

»Schau«, sagte der Wächter hinter mir. Er deutete auf eine Stelle in hundert Metern Entfernung, eine kleine Mauer nahe den Masten mit den Tarnköpfen. Ich schrie wütend auf.

Dort stand ein Taurentianer mit angelegter Armbrust und machte Anstalten, auf Mip zu feuern, sobald er die gegenüberliegenden Ringe passierte.

Der Mann neben mir sagte: »Sei unbesorgt.« Er hob die Waffe an die Schulter und feuerte. Der Taurentianer schien plötzlich zu erstarren und stürzte leblos von der Mauer.

»Ein ausgezeichneter Schuß«, sagte ich.

Nun blieb nur noch ein Tarnkopf auf den Masten.

Die Menge brüllte. Mip hielt die Führung.

Plötzlich sprangen die Gelben auf. Menicius auf seinem schnellen, jungen Tarn holte schnell auf. Mip gab seinem Tier die Zügel frei. Er feuerte den Grünen Ubar nicht mit dem Tarnstab an, sondern brüllte ihm zu: »Fliege, alter Krieger, nun mußt du fliegen«

Ich sah, wie sich der Grüne Ubar reckte, wie seine Flügel noch mächtiger auszuschlagen begannen, wie er mit jeder Abwärtsbewegung an Tempo gewann. Doch zu meinem Entsetzen kam das Tier plötzlich aus dem Rhythmus, der Vogel stieß einen Schmerzensschrei aus und begann sich in der Luft zu drehen. Menicius aus Port Kar raste vor, und als er auf gleicher Höhe mit seinem Gegner war, zuckte seine Hand vor, und ich sah, wie Mip die Zügel seines Tieres fahren ließ und sich an den Rücken griff, als versuchte er, etwas zu erreichen. Er wurde im Sattel von den beiden Sicherheitsgurten zurückgerissen.

Die Tarns der Blauen und der Silbernen und der Roten huschten an dem taumelnden Vogel und seinem Reiter vorbei.

Plötzlich begann sich der Grüne Ubar zu fangen und raste mit wildem Schrei auf die Ringe zu. Mip taumelte im Sattel hin und her. Mit der Erfahrung unzähliger Rennen folgte der Vogel dem engen, vertrauten Rund des Stadions.

»Sieh doch!« rief ich. »Mip lebt!«

Mip klammerte sich jetzt vornübergebeugt auf dem Rücken des Grünen Ubar fest, sein Körper parallel zum Sattel. Er hatte das Gesicht gegen den Hals des Tieres gepreßt, redete ihm zu.

Und es ist schwer zu beschreiben, was ich nun sah.

Das Publikum tobte, die Tarns kreischten, und der Grüne Ubar flog mit blitzenden Augen wie ein Geschoß dahin, zuckte durch die Ringe. Der Grüne Ubar flog. Er flog wie nie zuvor, wie zu seinen besten Zeiten. Der Grüne Ubar der Legenden, der Tarn aus sagenhafter Vergangenheit stand wieder auf, der größte aller Renntarns, der Sieger aller Sieger – er flog hier sein letztes triumphales Rennen. Als der Vogel als erster die Zielstange erreichte, herrschte Totenstille in der Menge. Zweiter war der verblüffte Menicius aus Port Kar, dem die Siegespalme noch im letzten Augenblick entrissen worden war.

Dann begannen alle im Stadion zu brüllen, ein Lärm ohnegleichen brach los.

Der Vogel stand auf der Stange, und Mip richtete sich schmerzerfüllt im Sattel auf. Der Grüne Ubar hob den Kopf und stieß den Siegesschrei seiner Rasse aus.

Dann taumelte er und stürzte in den Sand.

Ich, mein Wächter und zahlreiche andere liefen los.

Mit dem Schwert schnitt ich Mip aus dem Sattel und zog ihn einige Meter weit fort. Vorsichtig entfernte ich das kleine Messer aus seinem Rücken. Es war ein Mordmesser – mit der Inschrift: »Ich habe gesucht, ich habe gefunden«.

Mip ruhte in meinen Armen, als er die Augen öffnete. »Der Tarn?« fragte er.

»Der Grüne Ubar ist tot«, sagte ich.

Mip schloß die Augen, und zwischen seinen Lidern erschienen Tränen.

Er streckte den Arm in Richtung des Vogels, und ich hob ihn hoch, trug ihn an die Seite des leblosen Tiers. Er legte dem Tarn die Arme um den Hals, barg seine Wange an dem weißlichgelben Schnabel und weinte.

Wir standen in respektvoller Entfernung und warteten.

Nach einer Weile sagte der Armbrustschütze neben mir. »Du hast gesiegt, Mip.«

Doch der alte Mann weinte nur. »Grüner Ubar«, sagte er. »Grüner Ubar.«

»Holt einen Arzt!« rief ein Zuschauer, doch der Wächter schüttelte den Kopf.

Mip lag über den Hals des Tarns gebeugt, den er siegreich geritten hatte. Er war tot.

»Er ist gut geritten«, sagte ich. »Man hätte ihn für mehr halten können als nur für einen einfachen Tarnzüchter.«

»Vor langer Zeit«, sagte der Wächter, »gab es einen Rennreiter, der einmal einen Ring falsch einschätzte und vom gepolsterten Querbalken aus dem Sattel geschleudert wurde. Er fiel vor nachfolgende Tarns, wurde getroffen, stürzte auf die untere Querstrebe des Rings und von dort ins Netz. Danach ist er noch ein- oder zweimal geritten, dann aber nicht mehr. Seine Zeiteinteilung, sein Auge waren nicht mehr sicher. Er hatte Angst vor den Ringen, vor den Vögeln. Sein Selbstvertrauen war zerschlagen.«

»Mip?« fragte ich.

»Ja«, sagte der Wächter. »Heute hatte er keine Angst mehr – und du weißt sicher am besten, was das für ihn bedeutet hat.«

»War er damals als Reiter bekannt?« fragte ich.

Die Männer sahen mich an.

»Er war der größte aller Rennreiter«, sagte der Mann und betrachtete die kleine, reglose Gestalt Mips.

»Ich kenne ihn nur als Mip«, sagte ich.

»Dann sollst du seinen wirklichen Namen erfahren. Er war Melipolus aus Cos.«

Ich trat verblüfft zurück. Melipolus aus Cos war tatsächlich eine Legende in Ar und in den hundert Städten, in denen es Rennen gab.

»Melipolus aus Cos«, wiederholte der Armbrustschütze.

»Er und der Grüne Ubar sind für ihren letzten Sieg gestorben«, sagte einer der Umstehenden.

In diesem Augenblick erklang die Glocke des Schiedsrichters, die uns zum nächsten Rennen rief, zu m neunten Wettstreit, zum Ubar-Rennen.

Ich nahm das kleine Messer, das Mip den Tod gebracht hatte, und steckte es in den Gürtel.

Die Plattformen mit den Tarns für das nächste Rennen wurden hinter die Startstangen gefahren, Gehilfen eilten vor.

Ich hob Mip vom Boden auf und gab ihn an einen Angehörigen der Stählernen weiter. Der tote Grüne Ubar wurde auf eine Plattform geschoben und fortgekarrt.

Das Publikum auf den Rängen war unruhig. Die Kastenfarben Gors schimmerten. Männer eilten hin und her, um im letzten Augenblick noch ihre Wetten zu plazieren. Die Sonne schien. Es war ein guter Tag für die Rennen.

Auf einer großen Anzeigetafel an der Trennwand, auf der die Ergebnisse und Wettchancen festgehalten wurden, erschien der Name Melipolus aus Cos als Sieger des achten Rennens. Es geschah wohl seit vielen Jahren zum erstenmal, daß dieser Name hier aufgezogen wurde.