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Zurück unter den Gästen hatte Helene gerade beschlossen, aufzubrechen, schließlich sollte man im Schwesternheim bis zehn Uhr nach Hause gekommen sein, die Nachtschicht erhielt erst morgens um sechs wieder Einlass, als ein junger Mann lächelnd vor ihr stand. Es sah aus, als würde er sie kennen, so unerschütterlich grinste er zu ihr herab.

Unser Wilhelm, sagte Erich, der hinter dem jungen Mann auftauchte.

Lass mich raten, sagte Wilhelm, lass mich raten, wie sie heißt.

Er rät heute Abend alle Namen, erklärte Erich und klopfte seinem Freund auf die Schulter. Erich lachte. Sein Name ist Hanussen.

Wilhelm schob Erichs Hand von seiner Schulter. Von wegen Hanussen.

Nur einmal lag er richtig, und das nicht mal bei einer Dame. Erich nagelte seinen Blick in Helene.

Wilhelm ließ sich von Erich nicht verunsichern, er sah Helene prüfend an. Keine Sorge, ist nur ein Spiel. Wilhelm neigte sich zur Seite, als stehe Helenes Name auf einem Schild an ihrer Schläfe. Jetzt nickte Wilhelm. Alice. Sie heißt Alice.

Erich lachte. Fanny, die sich zu ihrer Runde gesellt hatte, wischte sich Tränen aus ihren gereizten Augen und bat Erich, ihr einen Absinth einzuschenken. Erich reagierte nicht auf Fannys Begehren, seine Augen stachen in Helenes Gesicht, bohrten sich in ihre Augen, in ihre Wangen, in ihren Mund.

Und, ist sie nicht ein Frauenzimmer nach deinem Geschmack? Willy verehrt die blonden Mädel. Erich klopfte seinem Freund auf die Schulter, als müsse er ihn weich klopfen wie ein Schnitzel. Ist vielleicht nicht viel dran, an dem Ding, aber blond ist sie. Erich lachte, er glaubte, er habe einen Witz gerissen.

Schon Erichs Blick verriet, wie er Helene anpacken würde, wären sie allein. Wilhelm stand unschuldig mit dem Rücken zu seinem Freund und etwas wie Überraschung und bares Erstaunen lag in seinen Augen.

Zumindest sind Sie von einer berückenden Schönheit, mein Fräulein, stammelte Wilhelm. Alice. Sie verraten mir bestimmt Ihren Namen?

Helene bemühte sich um ein freundliches Lächeln, über Wilhelms Schulter hinweg sah sie die Uhr im Korridor, die weiße Standuhr zeigte halb zehn. Helene wollte aufbrechen.

Jetzt schon? Wilhelm konnte es nicht glauben. Das Fest hat doch gerade erst begonnen. Sie wollen mich doch nicht gleich verlassen?

Helene sagte mit dem freundlichen Lächeln: Ich muss.

Schwesternheim, Erich fuhr mit der Zunge über die Zähne, ließ dann in obszöner Geste die Zunge über die Lippen schnalzen. Sie wohnt im Schwesternheim.

Eine Nonne, Jungfrau Maria. Wilhelm glaubte es sofort.

Quatsch. Erich fiel ihm ins Wort. Keine Jungfrau, du Dussel, Krankenschwester ist sie.

Krankenschwester. Wilhelm sprach es ehrfürchtig aus, als bestehe kein nennenswerter Unterschied zwischen einer Nonne, der Jungfrau Maria und einer Krankenschwester. Ich begleite Sie.

Danke, das sollen Sie nicht. Helene setzte einen Schritt zur Seite und versuchte, an jenem großen jungen Mann namens Wilhelm vorbeizukommen. Er brachte sie zur Tür, half ihr in den Mantel und ließ sie mit Empfehlungen gehen.

Am nächsten Tag stand Wilhelm im Krankenhaus plötzlich vor ihr. Schwester, sagte er, Sie müssen mir helfen.

Helene war nicht nach gemeinsamem Lachen und Blicketauschen, sie wollte ihre Arbeit erledigen, die Betten im Zimmer Nummer zwanzig waren zu machen und der Patient in Zimmer einunddreißig, der nicht alleine die Toilette aufsuchen konnte, hatte schon vor zehn Minuten geklingelt.

Schwester Alice, hier auf dieser Bank werde ich Platz nehmen. Sie können von mir aus die Wache rufen oder den Oberarzt. Ich werde hier warten, bis Sie Feierabend haben. Das wird doch nicht mehr lange dauern?

Helene ließ ihn Platz nehmen. Sie ging ihrer Arbeit nach. Über zwei Stunden musste sie an ihm vorbeilaufen, die Frauen im Schwesternzimmer tuschelten. Der charmante Herr auf dem Flur sei wohl ein Verehrer. Was für ein stattlicher Mann, wie gut er aussehe mit seinem blonden Haar und den blauen Augen. Eine der Schwestern blieb bei Wilhelm stehen und begann ein Gespräch mit ihm. Später sagte sie im Vorübergehen zu Helene: Sag mir Bescheid, wenn du ihn nicht willst, dann nehm ich ihn.

Helene hätte ihr gerne gesagt, dass sie nehmen könne, was sie wolle. Aber eine Antwort auf die Tuschelei erschien Helene mühsam. Die Zunge lag ihr schlicht zu schwer im Mund. Schon während sie einem älteren Mann Geschlecht und Hintern wusch, musste sie ungeachtet des rohen Fleisches und des aufgebrochenen Furunkels, der vielen kleinen eitrigen Wunden, die sie mit Salbe und Puder versorgte, an Carl denken und daran, dass er nicht kommen und sie abholen würde. Niemals. Helenes Hals schmerzte, eng wurde er, fest schnürte er sich zusammen. Mit ihren Fingern voll Salbe und Puder konnte sich Helene nicht das Auge auswischen.

Ihre Hände, Schwester, die sind sanft und heilsam, dass ich immer nur nach Ihnen frage, ob Sie Dienst haben. Sie sind für diesen Beruf geboren, wissen Sie das, Schwester Helene? Der alte Mann, der mit dem Rücken zu Helene auf seinem Bett lag und vor Schmerzen schreien musste, wie Helene glaubte, wenn sie sein wundes Fleisch versorgte, verrenkte sich, um wenigstens in Helenes Richtung zu blicken. Er streckte seine Hand nach ihr aus, er zupfte an ihrem Ärmel. Dort, mit der Hand deutete er auf seinen Nachttisch. Schauen Sie, dort in der Schublade, Schwester Helene, da liegt etwas Geld, nehmen Sie es.

Helene schüttelte den Kopf, sie bedankte sich, sie wollte kein Geld. Wann immer ihr jemand etwas zusteckte, gab sie es zurück. Nur selten fand sie in ihren Kitteltaschen Münzen, die ihr jemand unbemerkt hineingesteckt hatte. Dieser alte Mann hier lag seit zwei Wochen auf der Station, sein Zustand verschlechterte sich. Er war enttäuscht, dass Helene sein Geld nicht wollte. Nehmen Sie es, forderte er sie auf. Wenn Sie es nicht nehmen, klaut es eine andere.