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Sie vergeudete ihr letztes bißchen Atemluft zu einem grellen Schrei, taumelte fort vom Wagen und dem brennenden Bereich unter der Tür und wunderte sich ein wenig, daß sie noch lebte.

In das Brüllen der Flammen mischte sich jetzt ein Schrei;ein unglaublich qualvolles, kreischendes Wimmern, das das Ding ausstieß, das unter der Tür brannte. Der Stefan-Wechselbalg lebte noch, hatte sich in ein zuckendes tobendes Bündel aus Schwärze verwandelt, das hinter einer Mauer aus Licht und Hitze waberte. Laute aus der tiefsten Hölle drangen an Liz' Ohr. Der Körper des Ungeheuers schien sich zu verzerren, verlor seine Form und war jetzt nicht mehr menschlich. Er glich nichts, was Liz jemals gesehen hatte. Alles, was sie hinter dem Vorhang aus zuckenden Flammen erkennen konnte, war ein Bündel aus wabernder blasiger Schwärze, das von Hitze und Licht gefressen wurde. Aber noch war so etwas wie Leben in ihm. Wahnsinnig vor Schmerz und Wut warf es sich hin und her und rollte brennend aus der Benzin lache heraus. Die Bestie versuchte in die Höhe zu kommen, stürzte wieder und schlug in rasender Agonie mit Armen und Beinen um sich. Eines der peitschenden schwarzen Gliedmaßen traf den zweiten Flügel des großen Tor es und stieß ihn auf, wobei es das trockene Holz gleichzeitig in Brand setzte.

Vor Liz klaffte plötzlich eine drei Meter breite Tür in die Freiheit. Sie rannte los.

44.

Der Wagen explodierte, als sie zwei Schritte vom Haus entfernt war. Ein dumpfer, sehr trockener Knall wehte zu ihr herüber und ließ sie mitten im Schritt verharren. Sie drehte sich herum, hob schützend die linke Hand vor das Gesicht und sah, wie der ganze Schuppen wie unter einem unheimlichen, inneren Licht aufzuglühen begann. Kalk weißes, schattenloses Licht quoll durch alle Ritzen und Öffnungen des altersschwachen Gebäudes, ein Licht, das gar nicht aussah wie Feuerschein, sondern fast wie Kunst licht; eine Zehn-Millionen-Watt-Birne, deren Schatten das Gebäude durchscheinend wie ein Röntgenbild werden ließ, nur für den Bruchteil einer Sekunde, ehe es vollends explodierte.

Es war ein morbid-schöner Anblick, voll aller Ästhetik, die Feuer und explodierende Bewegung und Gefahr auszustrahlen vermochten. Das ganze, tonnenschwere Dach der Scheune hob sich, von einer Riesenfaust aus Flammen getroffen, drei, vier Meter weit in die Höhe, brach auseinander und kippte in verschiedene Richtungen zur Seite. Weiße und gelbe Flammen züngelten gegen die tief hängenden Wolken. Die Wände beulten sich aus, erbrachen Flammen und brennende Trümmerstücke und dehnten sich immer weiter. Das ganze Gebäude schien sich aufzublähen, wie ein bizarrer Luftballon aus Holz und gleißendem Licht, wuchs auf nahezu das Doppelte seiner Größe und fiel endlich zusammen wie ein Kartenhaus. Eine zweite, fast ebenso heftige Detonation zerriß die Trümmer noch einmal und überschüttete den Hof mit einem Hagelschauer aus brennendem Holz und Stroh und Milliarden und Abermilliarden weiß glühender Funken. Die Hitze war selbst hier, wo Liz stand, so intensiv, daß sie ihr abermals den Atem nahm, und ein einzelner, weiß glühender Funke senkte sich auf ihren Arm herab und brannte ein pfenniggroßes Loch in ihre nackte Haut.

Der beißende Schmerz erinnerte sie daran, daß sie noch immer in Gefahr war. Rings um sie herum regneten Trümmerstücke zu Boden.

Hastig zog sie den Kopf zwischen die Schultern und wich ins Haus zurück. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, wäre es einigermaßen lächerlich, jetzt von einem verkohlten Stück Holz erschlagen zu werden.

Sie schloß die Tür, lehnte sich mit einem erschöpften Seufzer dagegen und preßte die Hand gegen ihre Seite. Die Wunde blutete stark. Sie hatte zwar noch immer keine Schmerzen, aber jetzt wurde ihr übel. Das Schwächegefühl kehrte in ihre Arme und Beine zurück, und sie begann am ganzen Leib zu zittern. Ein dumpfes Hämmern wie von Fäusten, die gegen das Haus schlugen, drang in ihre Gedanken:Trümmerstücke, die auf das Dach prasselten. Vielleicht würde der ganze Hof abbrennen. Gut. Er hätte schon vor dreißig Jahren niederbrennen sollen, bis auf die Grundmauern. Wenn sie das hier überlebte, dann würde sie ihn niederreißen lassen, Denkmalschutz hin oder her.

Wenn sie es überlebte.

Der Messerstich in ihrer Seite war nicht tödlich, wahrscheinlich nicht einmal wirklich gefährlich, aber sie hatte ein Dutzend mehr oder weniger schwere Wunden, und sie würde schlichtweg verbluten, wenn sie nicht rasch Hilfe bekam. Es war ohnehin ein Wunder, daß sie noch am Leben war. Irgendwie hatte sie die Tatsache, das Monster besiegt zu haben, noch gar nicht begriffen. Konnte ein Mensch einen Gott besiegen?

Egal. Jetzt mußte sie telefonieren, irgend jemanden anrufen, die Feuerwehr oder die Polizei oder am besten gleich beide, und dann irgend etwas finden, um die Blutung zum Stillstand zu bringen, bis Hilfe eintraf.

Sie biß die Zähne zusammen, sammelte ihr letztes bißchen Kraft und taumelte los. Das Telefon im Wohnzimmer war zerstört. Sie sah es gleich, als sie die Tür auf stieß: Stefan hatte den Hörer abgerissen und den Rest des Apparates so gründlich zerschlagen, daß seine ursprüngliche Form kaum noch zu erkennen war. Er hatte den Rest der Einrichtung verwüstet. Da war nichts, was noch intakt gewesen wäre. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld. Vielleicht hatte er damit gerechnet, daß sie ihm entkam und irgendwie um Hilfe telefonieren wollte.

Der Apparat oben! Sie hatten einen zweiten Anschluß in Peters Zimmer, einen zweiten Anschluß mit einer anderen Nummer, der vielleicht noch funktionierte!

Mühsam drehte sie sich herum, taumelte aus dem Raum und tastete sich an der Wand entlang auf die Treppe zu. Ganz instinktiv sah sie auf die Uhr. Es war sechs. Großer Gott, hatte es so lange gedauert?

Sechs... Diese Zahl bedeutete etwas. Da war noch etwas, etwas Wichtiges, das sie vergessen hatte, aber jetzt...

... sah sie es.

Liz blieb so abrupt stehen, als wäre sie vor eine gläserne Wand gelaufen. Die Treppe! Sie veränderte sich!

Sie wurde zu der Treppe aus ihrem Traum!

Gelähmt vor Schrecken stand Liz einfach da und starrte die Treppe an, die gleiche Treppe, die sie seit einem halben Jahr jeden Tag - zigmal hinauf- und hinuntergegangen war, ohne sich jemals an ihre ungleichmäßigen Stufen gewöhnt zu haben, und die sich nun veränderte, zu etwas... anderem, etwas Lebendigem wurde. Ein ächzender Laut erklang, eine entsetzliche Mischung aus dem Knarren von uraltem Holz und dem Stöhnen eines lebenden Wesens, und plötzlich hörte sie auch wieder den Schrei, der noch immer aus dem Wald herüber schallte, den Schrei der Banshee, der die ganze Zeit über angehalten hatte, ein hoher Dauerton wie von einer höllischen Sirene, nur daß er jetzt wie ein Lachen klang. Es war noch nicht vorbei. Und vielleicht begann es gerade erst!