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»Hast du - schon mit Peter darüber gesprochen?« fragte Liz. Es fiel ihr schwer, die Worte zu artikulieren. Etwas...stimmte nicht. Sie wollte nicht über Andy sprechen. Sie war hierher gekommen, um mit Stefan über Ohlsberg zu reden, über ihn und über ihre Vision, und...

Sie konnte es nicht. Die Situation begann sich selbständig zu machen; nicht mehr sie war es, die die Dinge bestimmte, sondern die Dinge bestimmten ihr Handeln. So ungefähr, dachte sie voller kaltem Schrecken, mußte es sein, wenn sich eine von Stefans Romanszenen selbständig machte: Die Geschichte driftete in eine Richtung, die er nicht wollte, aber er war nicht fähig, sie auf den Kurs zurückzubringen, den er ihr zugedacht hatte. Ja, ganz genau so.

Aber dies war keine Geschichte, sondern die Wirklichkeit, und trotzdem fühlte sie sich mehr denn je wie eine Schauspielerin in einem schlechten Stück, nur daß das Drehbuch Realität hieß und der Regisseur ein unsichtbares Monstrum war, das sich in ihre Gedanken geschlichen hatte. Sie wollte nicht über Andy reden, sondern über Ohlsberg, aber das unsichtbare DING in ihren Gedanken scherte sich einen Dreck darum, was sie wollte. Aus irgendeinem Grunde hatte es sich entschieden, das Mädchen mit ins Spiel zu bringen, und es war nicht sehr wählerisch in seinen Mitteln. »Natürlich nicht«, sagte Stefan in diesem Moment, und Liz begriff, daß auch er plötzlich Teil dieses bösen Spieles geworden war. Er lächelte, aber wie vorhin kam es ihr falsch und hinterlistig vor. Sie versteifte sich unwillkürlich. Die Kluft zwischen ihnen wurde tiefer.

»Das ist alles einfacher entschieden als getan, weißt du?« fuhr er fort. »Ich wollte es erst mit dir besprechen... was hältst du davon? Natürlich geht das nicht von heute auf morgen«, fügte er rasch hinzu. »Wahrscheinlich wird es einen entsetzlichen Papierkrieg geben - ganz davon abgesehen, welchen Ärger Ohlsberg und die anderen machen werden. Aber wir könnten es zumindest versuchen.«

Aber sie wußten ja noch nicht einmal, ob Peter es wirklich wollte! dachte Liz entsetzt. Plötzlich fiel ihr ein, wie deutlicher ihre Worte ignoriert hatte, vorhin, als sie selbst die Möglichkeit erwähnte, daß Andy ihn irgendwann einmal hier auf dem Gut besuchen könnte.

Um so erschrockener war sie, als sie sich selbst antworten hörte: »Er könnte sich die beiden Gästezimmer zurechtmachen. Oder ein paar von den Räumen auf der Westseite. Ich... war vorhin unten. So schlimm ist es gar nicht. Mit ein bißchen Arbeit und gutem Willen...«

Stefan unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. »Gegen die Gästezimmer habe ich nichts«, sagte er, »aber die unteren Räume bleiben, wie sie sind. Du weißt doch, daß ich dort später ein Studio einrichten will. Die beiden Gästezimmer reichen vollkommen. Außerdem«, fügte er nach kurzem Überlegen hinzu, »wissen wir ja noch gar nicht, ob Peter überhaupt damit einverstanden ist.« Er grinste. »Wir sollten ihn fragen, ehe wir über seinen Kopf hinweg entscheiden.«

»Aber gerade sagtest du noch...«

»Ich weiß, was ich gerade gesagt habe«, unterbrach sie Stefan. »Ich habe nur gesagt, daß ich glaube, daß er nichts dagegen hat. Wir sollten ihn fragen, bevor wir uns entscheiden. Und wir sollten uns das Mädchen ansehen. Er hat dir doch gesagt, was mit ihr ist?«

»Sicher«, antwortete Liz. »Aber Ohlsberg hat auch behauptet, daß Peter nicht ganz richtig im Kopf wäre. Dabei ist er meiner Meinung nach normaler als die ganze Bande in Schwarzenmoor.«

Stefan lachte. »Jetzt übertreibst du, Liz.« Er stand auf, trat ans Fenster und zeichnete mit dem Finger ein Muster ausdünnen, parallel laufenden Linien auf das schmutzige Glas. »Soll ich ihn fragen, oder tust du es?«

»Wen?«

»Peter«, antwortete Stefan, ohne sich um zudrehen. Seine Gestalt erschien ihr mit einem Mal verspannt, obwohl er eigentlich ganz locker dastand.

»Warum mit einem Mal so eilig?«

»Warum nicht? Ich habe zwar gesagt, daß wir uns Zeit lassen wollen, aber...« Er seufzte, schüttelte abermals den Kopf und trat wie zufällig hinter sie. Liz überlegte, ob sie ihm von ihrem Erlebnis unten im Haus erzählen sollte, aber dann wagte sie es doch nicht. Er würde den Verständnisvollen spielen, wie immer, und insgeheim würde er sie nur für noch verrückter halten, als er es ohnehin tat. Hatte er recht damit? »Laß uns noch eine Nacht darüber schlafen«, fuhr Stefan fort, als sie nicht antwortete. Er legte die Arme um ihre Schultern und berührte wie zufällig ihre Brust. Liz schob seine Hand beiseite, und Stefan trat zurück; mit einer Bewegung, in der sie Verärgerung bemerkte.

»Was hast du?« fragte er. Seine Stimme klang deutlich kälter. »Irgend etwas stimmt nicht mit dir. Was ist es?«

Liz zögerte noch. Aber verdammt, schließlich war sie hier hergekommen, um mit ihm über Ohlsberg zu sprechen!

Und jetzt konnte sie es. Plötzlich wehrte sich die Geschichte nicht mehr, ihrem Willen zu folgen: Stefan hatte ausgesprochen, was getan werden mußte, und für heute schien der Wille jenes unsichtbaren Regisseurs befriedigt.

»Es ist wegen Ohlsberg«, sagte sie.

Stefan seufzte. Er lächelte noch immer, aber war jetzt noch unechter. »Natürlich«, murmelte er und schüttelte den Kopf. »Weshalb wohl auch sonst? Aber bitte - was ist jetzt schon wieder mit ihm?« Seine Stimme wurde weicher, während er sprach, und seine Finger spielten mit den kurzen Locken in ihrem Nacken, berührten ihr Ohr. Sie spürte, wie sich sein Atem beschleunigte. Verdammt, wie konnte er jetzt an Sex denken?! Wieder wich sie einen Schritt vor ihm zurück, und wieder spürte sie, wie er sich versteifte. Aber auch diesmal unterdrückte er seinen Zorn.

»Wie gut kennst du ihn?« fragte sie. »Ich meine, außer den paar Malen, an denen wir ihn gemeinsam gesehen haben?«

»Nicht viel besser als du. Warum?«

»Glaubst du, daß er etwas gegen uns hat?«

»Warum sollte er?« Stefans Stimme war ein leises, kaum wahrnehmbares Flüstern neben ihrem linken Ohr. »Du hast ihn heute morgen ganz schön auf die Palme gebracht. Aber er wird sich wieder beruhigen. Er ist nicht so schlimm, wie du glaubst.«

»Er ist...«

»Unheimlich?« Stefan lachte. »Ja. Das ist er zweifellos. Aber er ist ganz bestimmt nicht gefährlich, wenn du das meinst. Ein sonderbarer alter Kauz, mehr nicht.«

»Und es macht dir nichts aus, daß er Peter zu uns geschickt hat, um uns nachzuspionieren?«

»Natürlich nicht.« Stefans Stimme klang so ungerührt, als spräche er über das Wetter oder das heutige Fernsehprogramm. Er war kein bißchen überrascht. »Warum sollte es auch? Es ist sein gutes Recht...«

»Sein - Recht?« wiederholte Liz fassungslos. Die Hand auf ihrer Schulter fühlte sich plötzlich kalt an. Ein Stein, der wie eine drückende Last auf ihr lag. Sie streifte sie ab. Stefan folgte ihr.

»In gewissem Sinne schon. Und es stört mich nicht einmal.«

Das war doch nicht der Stefan, den sie kannte! dachte sie ungläubig. Irgend etwas war mit ihm geschehen. Noch vor ein paar Wochen wäre er wie eine Rakete in die Luft gegangen, wenn sie ihm erzählt hätte, daß ihm jemand nachspionierte. Es gab für Stefan nichts Heiligeres als sein Privatleben. Selbst ihr gegenüber bewahrte er Distanz. Nicht einmal sie kannte ihn ganz genau.

»Siehst du«, fügte er hinzu, als er ihr Erstaunen bemerkte, »auch das ist einer der Gründe, aus denen ich dieses Mädchen gerne kennenlernen möchte. Ich glaube, Ohlsberg setzt Peter mit ihr unter Druck. Und das gefällt mir nicht.« Liz mußte all ihre Willenskraft auf bieten, um nicht die Antwort zu geben, die er offensichtlich erwartete. Er hatte recht, tausendmal recht, aber sie wollte nicht schon wieder über Andy reden.