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Sie schnallte sich an und ließ das Faltdach aus dem Heck des Jaguars hoch klappen. Sie wäre lieber offen gefahren - es war zwar kühl, aber nicht direkt kalt -, aber sie wollte mit Peter reden, und das wäre bei einer Fahrt mit offenem Verdeck kaum möglich gewesen.

Ihre Finger spielten nervös am Lenkrad, während sie ungeduldig darauf wartete, daß Peter sich endlich fertig gewaschen hatte und zurück kam. Er ließ sich mehr Zeit als nötig und zögerte die Abfahrt offensichtlich hinaus. Wieder spürte sie ein flüchtiges Gefühl von Mitleid mit ihm, und wieder machten sich nagende Zweifel in ihr breit. Aber wie zuvor vertrieb sie sie.

Schließlich legte sie den Gang ein und ließ den Wagen langsam so weit vor rollen, bis sie direkt neben ihm war. Sie kuppelte aus, beugte sich über den Beifahrersitz und stieß die Tür auf.

»Sie sind sauber genug, Peter«, sagte sie. »Steigen Sie ein.« Ihre Worte hatten scherzhaft klingen sollen, und ihr fiel zu spät ein, daß sie auf einen Menschen wie Peter wohl eher verletzend wirkten. Sie lächelte entschuldigend, wartete, bis er eingestiegen war, und fuhr langsam los. Der Jaguar rollte nahezu lautlos über den Hof. Sie gab absichtlich kaum Gas, um Stefan nicht zu alarmieren. Erst als sie ein gutes Stück aus der Einfahrt heraus und schon halbwegs im Wald war, fuhr sie schneller.

24.

Aus der großen Aussprache, die Liz sich vorgenommen hatte, wurde nichts. Peter hockte verkrampft und schweigend neben ihr. Sein Blick war starr durch die Windschutzscheibe nach vorne gerichtet. Es war unschwer zu erkennen, daß er sich alles andere als wohl in seiner Haut fühlte, und sie fuhren fast den ganzen Weg nach Schwarzenmoor hinauf, ohne mehr als ein oder zwei belanglose Sätze miteinander zu wechseln - was zum einen sicher an Peters abweisendem Verhalten lag, zum anderen aber auch daran, daß Liz ihre volle Konzentration aufwenden mußte, um trotz ihrer Übermüdung einigermaßen sicher zu fahren.

Ihre Hände waren feucht vor Schweiß, und ihr war gleichzeitig heiß und kalt. Seit ihrem Erwachen hatte sie einen widerwärtig säuerlichen Geschmack im Mund, an dem weder Kaffee noch Zigaretten etwas hatten ändern können, und obwohl sie vor kaum einer Stunde geduscht hatte, fühlte sie sich schon wieder klebrig und verschwitzt.

Dazu kam, daß Peter mit jedem Kilometer unruhiger wurde, den sie sich Schwarzenmoor näherten. Ahnte er etwas? Wahrscheinlich - Liz nahm nicht im Ernst an, daßer ihr die Geschichte von den Ersatzteilen abgenommen hatte, die sie angeblich besorgen wollte: Das größte Ersatzteil, das es in Beldersens Laden gab, war eine Schraube. Oder hatte er schlicht Angst, unangemeldet und in ihrer Begleitung in der Stadt zu erscheinen?

Schließlich lenkte sie den Wagen an den Straßenrand, schaltete den Motor aus und zündete sich betont umständlich eine Zigarette an. Sie waren noch ein gutes Stück von Schwarzenmoor entfernt und noch weiter vom Hof der Starbergs, aber während der letzten zehn Minuten hatte sie sich dreimal dabei ertappt, sich insgeheim zu fragen, wie, zum Teufel, sie an die Stelle gekommen war, an der sie sich befand - offensichtlich war sie doch ein wenig müder, als sie selbst zugeben wollte. Sie glaubte nicht, daß es Ohlsberg sehr beeindruckte, wenn ihre erste ernst gemeinte Attacke im Krankenhaus endete.

»Auch eine?« Liz fuhr sich müde mit den Händen durch das Gesicht und hielt Peter das Päckchen hin, aber er lehnte ab. Sie ließ die Packung wieder in ihrer Handtasche verschwinden, lehnte sich zurück und versuchte ohne allzugroßen Erfolg, einen Rauchring zu produzieren. Peter sagte nichts, aber er wurde zusehends nervöser. Seine Finger spielten mit kleinen, unbewußten Bewegungen am Verschluß seines Sicherheitsgurtes, und sein Blick wanderte mehr als nur einmal beinahe flehend zum Zündschlüssel.

»Warum...«, fragte er nach einer Weile, »warum fahren wir nicht weiter?«

»Weil ich mit Ihnen reden möchte, Peter«, antwortete Liz. »Und weil ich glaube, es ist besser, wenn wir es in Ruhe tun.« Sie sog an ihrer Zigarette, hustete und kurbelte hastig das Seitenfenster herunter. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, offen zu fahren. Frische, sehr Sauerstoffreiche Luft strömte in den Wagen, die nach Wald und Morgen - aber auch ein ganz kleines bißchen nach abgestandenem Wasser - roch. Drei-, viermal hintereinander atmete sie tief und gezwungen langsam ein und aus, dann vergiftete sie den frischen Sauerstoff mit einem weiteren Zug aus ihrer Zigarette und drehte sich wieder zu Peter um.

»Habe ich... irgend etwas falsch gemacht?« fragte er stockend.

Liz schüttelte den Kopf. »Nein. Es geht nicht um Sie. Das heißt, nicht nur um Sie.« Sie beobachtete die Reaktion auf seinem Gesicht gespannt, aber seine Züge blieben ausdruckslos wie immer. Ausdruckslos und gleichzeitig auch ein wenig erschrocken, auch wenn es im ersten Moment absurd klang. »Es geht um Ihre Tochter, Peter«, fuhr sie fort, als klar wurde, daß Peter nicht von sich aus reden würde. »Um Andy. Wie heißt sie eigentlich wirklich?«

»Andy?« Jetzt klang seine Stimme eher entsetzt als erschrocken. »Was... was ist mit ihr?«

»Sie erinnern sich, was Sie mir am ersten Tag erzählt haben?« fragte Liz. »Daß Ohlsberg gedroht hat, Andy in ein Heim zu geben, wenn Sie nicht tun, was er von Ihnen verlangt?«

Er nickte. Seine Finger spielten nervös am Sicherheitsgurt. In seinem Blick lag jetzt eindeutig Furcht. Furcht und noch etwas, das sie im Moment noch nicht einordnen konnte.

»Und Sie erinnern sich auch, daß ich gesagt habe, Andy könnte vielleicht eines Tages zu uns kommen, wenn Sie wollen?« fuhr sie weiter fort. Peter nickte erneut, und sie sah, daß er ihre nächsten Worte voraus ahnte - was nicht sonderlich schwer war -, aber das Entsetzen in seinem Blick wurde eher noch größer.

»Nun, ich habe mit meinem Mann gesprochen« - das war die Wahrheit -, »und er hat nichts dagegen.« Das stimmte nicht ganz. Genau genommen war Liz ziemlich sicher, daß Stefan in die Luft gehen wurde, könnte er sie jetzt sehen und viel mehr noch hören. Aber sie war schon immer eine gute Lügnerin gewesen, und so fuhr sie mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt fort: »Wenn Sie wollen, Peter, dann holen wir Andy ab. Sie kann bei Ihnen bleiben, wo sie hingehört.«

»Aber das...«, stammelte Peter, brach aber sofort wieder ab und schüttelte drei-, viermal hintereinander den Kopf. »Ich meine... jetzt? Jetzt gleich?«

»Ich meine es ernst, Peter«, fuhr sie eindringlich fort. »Und warum nicht jetzt gleich? Ich weiß, daß das alles ein bißchen überraschend für Sie kommen muß, aber... Stefan und ich sind sehr zufrieden mit Ihnen und Ihrer Arbeit, wissen Sie? Und ich glaube, Ihnen gefällt es auch ein bißchen bei uns, oder?«

Er nickte.

»Aber glücklich sind Sie nicht«, behauptete Liz. »Und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Sie werden so lange unglücklich sein, wie Ohlsberg da ist und Sie Angst vor ihm haben müssen. Und Sie werden so lange Angst vor ihm haben, wie er etwas hat, mit dem er Sie unter Druck setzen kann.«

»Ich ... weiß«, antwortete Peter gequält. »Aber es ... es geht nicht. Wirklich, Ma'am.«

»Und warum nicht, Peter? Wollen Sie Andy nicht bei sich haben?« Das war unfair, und sie wußte es, aber er ließ ihr keine andere Wahl.

»Doch«, antwortete er hastig. »Aber... Herr Ohlsberg wird es nicht zulassen. Er... er ist...«

»Ein böser alter Mann, dem es Freude bereitet, andere seine Macht fühlen zu lassen«, fiel ihm Liz aufgebracht ins Wort. »Glauben Sie nicht, daß ich Sie nicht verstehe, Peter. Aber Sie brauchen keine Angst vor ihm zu haben. Nicht, solange Sie bei uns sind und er nichts hat, womit er Sie erpressen kann.«

Und später? fragte sein Blick. Was, wenn Sie nicht mehr da sind! Sie werden gehen, aber Ohlsberg wird bleiben. Laut sagte er: »Er wird es nicht zulassen. Niemals.« Liz lächelte mit einer Überlegenheit, die sie nicht einmal im Ansatz verspürte. »Ich wüßte wirklich nicht, was er dagegen unternehmen könnte«, sagte sie. »Die Vaterschaft wurde doch anerkannt, oder?«