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Vor tausend Jahren, so hieß es, hatten die Wagenvölker schon einmal Tod und Vernichtung bis vor die Tore Ars und Ko-ro-bas getragen.

Der Reiter hatte mich bereits von weitem gesehen und ritt langsam auf mich zu. Das Reittier der Wagenvölker, in den nördlichen Gegenden unbekannt, ist die erschreckende, aber schöne Kaiila. Es ist ein fleischfressendes, hochmütiges Wesen mit seidigem Fell, langem Hals und sanftem, anmutigem Gang. Es ist lebendgebärend und zweifellos ursprünglich ein Säugetier, obwohl die Jungen nicht gesäugt werden. Die Jungtiere beginnen kurz nach der Geburt zu jagen. Es gehört zu den Instinkten der Mutter, ihre Kinder grundsätzlich in der Nähe von Beutetieren zur Welt zu bringen. Bei der gezähmten Kaiila wurde eine gefesselte Verr oder ein Gefangener dem neugeborenen Tier zum Fraße vorgeworfen.

Die Kaiila ist sehr beweglich und somit dem langsameren bedächtigeren Tharlarion überlegen. Sie braucht auch weniger Nahrung als ein Tarn.

Der Kopf der Kaiila weist zwei große Augen auf, die von dreifachen Lidern gegen die Sandstürme in den Prärien geschützt werden.

Der Reiter hatte seine Kaiila nun gezügelt und wartete auf weitere drei Krieger, die hinter ihm aufgetaucht waren und mich nun einzukreisen begannen. Zu meiner Linken bezog ein Mann mit gelblackiertem Schild Position. Er trug ein Windtuch als Mundschutz vor dem Gesicht. Ein Kataii, sagte ich mir. Der dritte Reiter hatte einen roten Schild. Das Blutvolk also, die Kassars. Ich wandte mich um und war nicht überrascht, den vierten Reiter hinter mir zu entdecken. Er trug einen Umhang aus weißem Fell und eine weiße Kappe, die den konischen Metallhelm locker verhüllte. Das Leder seines Wamses war schwarz. Seine Gürtelschnalle bestand aus Gold. Die Lanze hatte einen Widerhaken, mit dem er einen berittenen Gegner aus dem Sattel zerren konnte. Um den Hals trug er ein breites Juwelenband. Ich sollte später erfahren, daß es sich hierbei um eine Herausforderung an die Gegner handelte; sie soll zu einem Angriff animieren, damit der Reiter sein Waffengeschick unter Beweis stellen kann, ohne lange nach Gegnern zu suchen. Nach der Aufmachung handelte es sich um einen Paravaci, um einen Angehörigen des Reichen Volkes, des reichsten Wagenvolkes.

»Tal!« rief ich und hob meine Hand. »Ich bin Tarl Cabot und komme in Frieden!«

Ich sah, wie die Kaiila erstarrten, ihre Flanken zu zittern begannen.

»Sprecht ihr Goreanisch?« rief ich.

Die Lanzen zuckten herab. Die Speere der Wagenvölker sind flexibel und leicht, dabei scharf wie Schwerter; sie werden mit einer Schlaufe gehalten, damit sie auch im Nahkampf nicht verlorengehen. Sie werden selten geworfen.

Der Mann hinter mir sagte in stark gefärbtem Goreanisch: »Ich bin Tolnus von den Paravaci.« Von links ertönte der Schrei: »Und ich bin Conrad von den Kassars!« Rechts dröhnte ein Lachen: »Ich bin Hakimba von den Kataii!« Die Reiter zogen ihre Windtücher herab. Auch der Reiter vor mir hob seine farbige Kettenmaske in die Höhe. Ich schaute in die Gesichter von vier Männern, Krieger der Wagenvölker. Jedes dieser Gesichter wies parallele farbige Narben auf, die mich an die Gesichtszeichen primitiver Erdvölker erinnerten. Hier jedoch schienen zeremonielle Gründe ausschlaggebend zu sein, Zeichen des Ruhms und des Status, der Arroganz und des Stolzes. Die Narben waren mit Nadeln und Messern eingeritzt und mit Pigmenten und Boskdung in die Haut gegerbt worden, paarweise angeordnet, von der Wange in Richtung Nase verlaufend. Jeder der Männer hatte solche Narben, jedoch anders geordnet. Der Anblick dieser Narben, dieser häßlichen, erschreckenden Zeichen, die vielleicht auch Feinde einschüchtern sollten, ließ mich einen Augenblick daran denken, daß die Wagenvölker vielleicht gar keine Menschen waren, sondern Angehörige einer fremden Rasse, Wesen, die von den Priesterkönigen aus irgendeinem unerfindlichen Grund auf diese Welt gebracht worden waren. Aber ich erinnerte mich rechtzeitig an die alten Gerüchte über den schrecklichen Narbenkodex der Wagenvölker, wonach jede Narbe eine Bedeutung hatte, die von den Angehörigen der Paravaci, der Kassars, der Kataii und der Tuchuks klar abgelesen werden konnte, als hätten sie ein Buch vor sich. Damals wußte ich nur von der Mutnarbe, die sich stets ganz oben befindet und ohne die es keine anderen Narben gibt. Die Wagenvölker schätzen Mut über alles.

Nun hob der Mann vor mir seinen kleinen lackierten Schild. »Hör meinen Namen!« rief er. »Ich bin Kamchak von den Tuchuks!«

Kaum hatte er geendet, kaum hatten die Männer ihre Namen genannt, als sich auch schon alle vier Kaiila wie auf ein geheimes Zeichen in Bewegung setzten und sich wutschnaubend auf mich stürzten. Die Reiter waren nach vorn gebeugt, die Lanzen weit vorgestreckt, bemüht, mich als erster zu erreichen.

3

Den Tuchuk hätte ich mit meinem schweren goreanischen Kriegsspeer vielleicht töten können — die anderen aber hätten dann ein leichtes Spiel mit mir gehabt. So setzte ich im letzten Augenblick alles auf den Respekt der Wagenvölker vor dem Mut eines Mannes und machte keine Anstalten, mich zu verteidigen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, doch ohne mir etwas anmerken zu lassen, ja, mit verächtlichem Gesichtsausdruck wartete ich den Angriff ab.

Im letzten Augenblick, wenige Handbreiten vor mir, zuckten die Lanzen zurück und die Kaiila wurden gezügelt.

»Aieee!« schrie der Krieger der Kataii.

Ich hatte mich nicht bewegt. »Mein Name ist Tarl Cabot«, sagte ich. »Ich komme in Frieden.«

Die vier Reiter zogen sich zurück und berieten sich. Ich stützte mich auf meinen Speer und gähnte ostentativ.

Mein Puls raste. Hätte ich mich bewegt, wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Ich hätte natürlich kämpfen können, aber es entsprach nicht meiner Absicht, mich den Wagenvölkern als Feind vorzustellen.

Endlich löste sich der Tuchuk von den drei anderen Kriegern und verhielt seine Kaiila ein Dutzend Schritte vor mir.

»Du bist ein Fremder«, sagte er. »Du trägst keine Insignien. Wie war der Name der Stadt, aus der du kommst?«

»Ich komme aus Ko-ro-ba.«

Die Männer gerieten in Bewegung. »Ich habe von Ko-ro-ba singen hören«, sagte der Tuchuk grinsend.

Vor langer Zeit hatten sich Ar und Ko-ro-ba erfolgreich gegen eine Invasion der Wagenvölker aus dem Süden gewehrt, und die Erinnerung an diesen Kampf mochte bei den Wagenvölkern noch wach sein.

»Was suchst du bei den Wagenvölkern?«

»Wie du siehst, trage ich keine Insignien.«

Der Tuchuk lachte. »Du bist ein Narr, wenn du bei den Wagenvölkern Schutz suchst.«

Ich hatte ihn überzeugt, daß ich tatsächlich ein Geächteter war, ein Flüchtling.

»Kämpfen wir«, sagte ich.

»Korobaner«, schaltete sich der Kassar ein. »Hast du keine Angst vor unseren Lanzen gehabt?«

»Doch«, sagte ich wahrheitsgemäß.

»Aber du hast deine Angst nicht gezeigt. Das scheint mir wahrer Mut zu sein. Hoffentlich fällt die Lanze mir zu.«

Ich blickte ihn verständnislos an.

»Wo sind deine Männer?« fragte nun der Kataii. »Willst du spionieren?«

»Ich bin kein Spion«, sagte ich. »Und ich bin allein.«

»Die Turianer haben dich geschickt.«

»Nein — ich komme in Frieden.«

»Weißt du, daß die Wagenvölker jeden Fremden umbringen?« wollte der Paravaci wissen.

»Ja, ich habe davon gehört.«

»Das Gerücht stimmt«, sagte er, und die vier Reiter ritten einige Schritte davon.

Der Tuchuk nahm seine lange, schmale Lanze und steckte sie mit der Spitze nach oben in den Boden. Langsam begannen die vier Krieger nun im Kreis zu reiten, um die Lanze herum. Sie waren bereit, die Waffe in dem Augenblick zu greifen, da sie umzusinken begann.

Der Wind schien zuzunehmen.

Ich wußte, daß es eine Ehre für mich war — daß die Krieger meine Haltung anerkannten und nun das Los entscheiden ließen, wer mich gewann, wessen Waffen mein Blut fließen lassen würden, unter wessen Kaiila ich zertrampelt werden sollte.

Ich sah, wie die Lanze zitterte, bemerkte die Spannung der Krieger, die die Spitze nicht aus den Augen ließen. Bald mußte sie fallen.