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Kamchak und ich waren am Rand der Plattform stehengeblieben, wo uns die Sandalen ausgezogen und die Füße von turianischen Sklaven gewaschen wurden.

Dann bestiegen wir die Plattform und näherten uns der scheinbar in Gedanken versunkenen Gestalt, die darauf saß.

Die Plattform war prunkvoll ausgestattet und die Teppiche in allen Farben leuchteten, doch Kutaituchik selbst saß auf einem einfachen, zerschlissenen, teilweise zerrissenen grauen Boskfell. Zweifellos hatte Kamchak von dieser Haut gesprochen, als er die Robe erwähnte, auf der der Ubar der Tuchuks sitzt — der einfachen Robe, die seinen Thron darstellt.

Kutaituchik hob den Kopf und sah uns an; seine Augen wirkten schläfrig. Sein Schädel war kahl rasiert bis auf einen schwarzen Haarknoten am Hinterkopf; der Ubar war ein breitschultriger Mann mit kurzen Beinen, er hatte Schlitzaugen wie Kamchak, seine Haut war gelblich-braun. Er war bis zur Hüfte nackt und trug um die Schultern eine reichlich verzierte und mit Juwelen gesäumte Robe aus rotem Boskfell. Um den Hals hatte er ein goldenes Medaillon mit dem Zeichen der vier Boskhörner. Er trug Pelzstiefel, weite lederne Hosen und ein rotes Hüfttuch, in dem eine Quiva steckte. Neben ihm lag zusammengerollt eine Boskpeitsche — vielleicht ein Zeichen der Macht. Geistesabwesend griff Kutaituchik in einen goldenen Kasten neben seinem rechten Knie und zog eine Kette getrockneter und gerollter Kandablätter heraus.

Die Wurzeln der Kandapflanze, die hauptsächlich in den Wüstengebieten Gors wächst, sind giftig, während ihre Blätter in gerolltem Zustand von den Goreanern gern als eine Art Narkotikum gekaut werden, besonders in der südlichen Hemisphäre des Planeten.

Ohne den Blick von uns zu nehmen, steckte Kutaituchik ein Ende der grünen Kandakette in den Mund und begann langsam darauf zu kauen. Er sagte nichts; auch Kamchak schwieg. Wir setzten uns nur mit untergeschlagenen Beinen in seine Nähe. Ich war mir der Tatsache bewußt, daß von den Anwesenden auf der Plattform nur Kutaituchik, Kamchak und ich saßen. Ich freute mich, daß man sich dem höchsten Tuchuk nicht unterwürfiger nähern mußte. Eine Aura vergangener Stärke umgab den alten Mann. Langsam wanderte die Kette durch seinen Mund, während er uns mit glasigem Blick musterte. Für ihn gab es keine schnellen Kaiilaritte mehr, keine Waffengeplänkel, auch keine Tänze um das Boskdungfeuer.

Kamchak und ich warteten, bis das Kanda gekaut war. Schließlich schleuderte der alte Mann die schwarze Kette zur Seite und grinste.

»Wie geht es den Bosks?« fragte er Kamchak.

»So gut, wie man es erwarten kann«, sagte Kamchak.

»Die Quivas sind scharf?«

»Man bemüht sich, sie scharf zu halten.«

»Es ist wichtig, die Achsen der Wagen zu schmieren«, bemerkte Kutaituchik.

»Ja, das meine ich auch.«

Kutaituchik steckte plötzlich die Hand aus, die Kamchak lachend ergriff. Dann lehnte sich Kutaituchik zurück und klatschte in die Hände. »Bringt die Sklavin!«

Ich wandte mich um und sah einen stämmigen Wächter auf die Plattform kommen. Er schleppte Elizabeth Cardwell hinter sich her und arrangierte sie in der Stellung einer Vergnügungssklavin vor dem Herrscher der Tuchuks.

Man hatte sie gewaschen und gekämmt. Sie bot einen hübschen Anblick. Wie ich feststellte, trug sie noch immer den breiten Lederkragen.

Das Mädchen blickte wild um sich und dann senkte sie den Blick.

»Sprechen Sie«, sagte ich.

Sie sagte fast unhörbar: »La Kajira« und erschauderte.

Kutaituchik wirkte zufrieden.

»Mehr Goreanisch kann sie nicht«, sagte Kamchak.

»Im Augenblick reicht das auch.«

Das Verhör Elizabeth Cardwells dauerte Stunden, wobei ich natürlich als Übersetzer fungieren mußte. Zu meiner Überraschung stellte nicht Kutaituchik die meisten Fragen, sondern Kamchak, der sich für alles interessierte. Immer wieder kehrte er zu bestimmten Kernfragen zurück, die er auf verschiedene Weise anging; er verband geschickt ihre Antworten zu einem umfassenden Bild. Ich bewunderte seine Geschicklichkeit; hätte das Mädchen sich auch nur einmal widersprochen oder gezögert, wäre ihm das sofort aufgefallen.

Inzwischen waren Fackeln gebracht worden; die Nacht brach herein.

Die Übersetzung war nicht einfach, aber ich versuchte, den Bericht des Mädchens, stockend wie er kam, so genau wie möglich wiederzugeben. Obwohl das Risiken in sich barg, übersetzte ich ohne Umschreibung, auch wenn die Antworten in den Ohren der Tuchuks fantastisch klingen mußten, denn sie berichtete von einer fremden Welt, in der es keine autonomen Städte gab, sondern nur riesige Nationen, in der keine Kasten und Handwerkszünfte herrschten, sondern globale, ineinander verzahnte Industriekomplexe, in der es Flugzeuge und Motorfahrzeuge gab.

Zu meiner Freude hielten sich Kutaituchik und Kamchak zurück — sie schienen das Mädchen nicht für wahnsinnig zu halten. Ich hatte befürchtet, daß sie schnell die Geduld mit ihr verlieren würden. Damals hatte ich noch keine Ahnung, daß Kutaituchik und Kamchak durchaus Grund zu der Annahme hatten, daß das Mädchen die Wahrheit sprach.

Was sie am meisten interessierte, nämlich die Frage, wie das Mädchen nach Gor gekommen war, blieb natürlich unbeantwortet, und wir wußten schließlich, daß auch die Fremde die Wahrheit nicht wußte.

Schließlich war Kamchak fertig, und die beiden Männer lehnten sich zurück und betrachteten das Mädchen.

»Rühren Sie sich nicht«, sagte ich.

Nach den Informationen, die ich bisher hatte, wußte ich nicht zu sagen, warum ausgerechnet Elizabeth Cardwell ausersehen worden war, den Briefkragen zu tragen. Der Kragen war bis jetzt noch nicht entfernt und untersucht worden.

Miß Cardwell unterschied sich wenig von Tausenden anderer arbeitender Mädchen in den großen Städten der Erde; sie war vielleicht intelligenter als viele, vielleicht auch hübscher als manche andere, aber dem Wesen nach war sie wie jedes andere Mädchen, das sich mit einer Freundin eine Wohnung teilt und in Büros, Studios oder Läden arbeitet und in der glitzernden Stadt sein Auskommen sucht. Was dieser jungen Frau widerfahren war, hätte jeder anderen auch passieren können. Sie erinnerte sich noch, daß sie am Morgen aufgestanden war, sich gewaschen, angezogen und ein hastiges Frühstück zu sich genommen hatte. Sie war im Fahrstuhl nach unten gefahren, hatte die U-Bahn benutzt und ihre Arbeit als Sekretärin in einer Werbeagentur in der Madison Avenue aufgenommen. Sie erinnerte sich noch an die Aufregung, als sie zu einem Gespräch aufgefordert wurde, in dem sich entscheiden sollte, ob sie zweite Sekretärin des Leiters der Künstlerischen Abteilung werden würde.

Im Büro des Künstlerischen Leiters war ein Fremder gewesen, ein großer, breitschultriger Mann mit großen Händen und grauem Gesicht, dessen Augen etwas gläsern wirkten. Er hatte sie erschreckt, obwohl er einen dunklen Anzug teuren Zuschnitts trug, wirkte er nicht, als sei er solche Kleidung gewöhnt. Nicht der Abteilungsleiter richtete das Wort an sie, sondern der Fremde. Er erlaubte ihr nicht, Platz zu nehmen, sondern forderte sie auf, sich aufrecht vor ihn hinzustellen. Er musterte sie unverschämt. »Heben Sie den Kopf!« sagte er, und sie gehorchte errötend.

Ärgerlich umklammerte sie ihren Stenoblock, als er einige Schritte zurücktrat.

»Gehen Sie mal hin und her.«

»Nein«, sagte sie.

Der Abteilungsleiter, der seltsam unruhig wirkte, nickte hastig. »Bitte, Miß Cardwell, tun Sie, was er sagt.«

Elizabeth sah dem Fremden in die Augen, und sie hatte das Gefühl, daß dieser Mann schon viele Frauen so abgeschätzt hatte.

Das machte sie wütend, aber sie gehorchte.

»Sind Sie zufrieden?« fragte sie beißend.

»Ja«, hatte der Mann gesagt.