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Als die letzten Lichtstrahlen nur noch die höchsten Blätter der Bäume berührten, verließ Lorlen die Universität und machte sich auf den Weg zur Residenz des Hohen Lords.

Wieder einmal musste er versuchen, all die Dinge, die er wusste, in irgendeinem dunklen Teil seines Geistes zu verbergen. Wieder einmal würde er freundliche Konversation machen, Scherze zum Besten geben und den besten Wein trinken, den die Verbündeten Länder zu bieten hatten.

Früher einmal hätte er Akkarin sein Leben anvertraut. Sie hatten sich als Novizen sehr nahe gestanden, einander von ihren Geheimnissen erzählt. Akkarin war stets dazu aufgelegt gewesen, die Regeln der Gilde zu brechen und irgendeinen Schabernack vorzuschlagen. Lorlen runzelte die Stirn. Hatte dieser Umstand sein Interesse auf schwarze Magie gelenkt? Beugte Akkarin nur deshalb die Regeln, um sich auf diese Weise zu amüsieren?

Er seufzte. Es gefiel ihm keineswegs, Akkarin fürchten zu müssen. An Abenden wie diesem fiel es ihm bei weitem leichter, gute Gründe dafür zu ersinnen, warum Akkarin schwarze Magie benutzte. Aber die Zweifel ließen sich niemals ganz verscheuchen.

»Der Kampf hat mich geschwächt. Ich brauche deine Kraft.«

Welcher Kampf? Und gegen wen? Bei dem Gedanken an das Blut, mit dem Akkarin in Soneas Erinnerung befleckt gewesen war, konnte Lorlen nur zu dem Schluss kommen, dass sein Widersacher schwer verletzt worden war. Oder ermordet.

Lorlen schüttelte den Kopf. Die Geschichten, die Derril und sein Sohn ihm erzählt hatten, waren eigenartig und beunruhigend. In beiden Fällen ging es um Opfer, die tot waren, obwohl ihre Wunden dafür keine Erklärung boten. Das genügte jedoch nicht, um zu beweisen, dass ein schwarzer Magier am Werk gewesen war. Er konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass er, hätte er sich nicht solche Sorgen wegen Akkarin gemacht, vielleicht eher geneigt gewesen wäre, diese Todesfälle mit Vinara zu besprechen. Die Heilerin hätte vielleicht eine Möglichkeit gekannt, um herauszufinden, ob ein Mensch mit Hilfe von schwarzer Magie getötet worden war.

Aber wenn die Gilde sich auf die Suche nach einem schwarzen Magier machte, würde dieses Tun dann nicht zu einer verfrühten Konfrontation mit Akkarin führen?

Lorlen blieb an der Tür zu Akkarins Residenz stehen und seufzte. Er musste diese Überlegungen beiseite schieben. Mehrere Magier hatten den Verdacht, dass der Hohe Lord selbst über einige Entfernung hinweg Gedanken lesen konnte. Obwohl Lorlen das nie geglaubt hatte, besaß Akkarin doch ein geradezu unheimliches Geschick darin, Geheimnissen früher auf die Spur zu kommen als alle anderen.

Wie immer öffnete sich die Tür, sobald er anklopfte. Akkarin stand nur wenige Schritte von ihm entfernt und hielt ihm bereits ein Glas Wein hin.

Lorlen nahm das Glas mit einem Lächeln in Empfang. »Vielen Dank.«

Akkarin griff nach seinem eigenen Glas, führte es an die Lippen und sah Lorlen über den Rand hinweg an. »Du wirkst müde.«

Lorlen nickte. »Das überrascht mich nicht.« Kopfschüttelnd wandte er sich ab und ging auf einen Sessel zu.

»Takan sagt, das Essen sei in zehn Minuten fertig«, erklärte Akkarin. »Komm mit nach oben.«

Akkarin wandte sich nach links, öffnete die Tür zur Treppe und bedeutete Lorlen voranzugehen. Auf dem Weg nach oben beschlich Lorlen ein unangenehmes Gefühl der Befangenheit; er war sich mit allen Sinnen des Umstandes bewusst, dass der schwarz gewandete Magier ihm folgte. Entschlossen drängte er das Gefühl beiseite.

Im oberen Stockwerk standen die Türen zum Esszimmer bereits offen, wo Takan sie erwartete. Als der Diener sich verbeugte, widerstand Lorlen dem Drang, den Mann allzu genau zu mustern, obwohl er, seit er von Akkarins Aktivitäten erfahren hatte, nur selten Gelegenheit dazu gefunden hatte.

»Also, was liegt dir auf der Seele, Lorlen?«

Lorlen sah Akkarin überrascht an. »Was mir auf der Seele liegt?«

Akkarin lächelte. »Du wirkst geistesabwesend. Was beschäftigt dich?«

Lorlen rieb sich den Nasenrücken und seufzte. »Ich musste diese Woche eine unangenehme Entscheidung treffen.«

»Tatsächlich? Versucht Lord Davin weitere Materialien für seine Wetterexperimente zu kaufen?«

»Nein - nun, das auch. Aber vor allem musste ich Sonea in das Novizenquartier verlegen. Es kam mir grausam vor, wo doch so offensichtlich klar ist, dass sie mit ihren Klassenkameraden nicht gut zurechtkommt.«

Akkarin zuckte die Achseln. »Sie kann von Glück sagen, dass sie überhaupt so lange bei Rothen wohnen durfte. Es war unvermeidlich, dass irgendwann jemand dagegen protestieren würde. Es überrascht mich, dass das Thema nicht früher zur Sprache gekommen ist.«

Lorlen nickte. »Nun, es ist geschehen. Ich kann nur versuchen, ein Auge auf die Situation zwischen ihr und ihren Klassenkameraden zu haben und Lord Garrel zu ermutigen, Regins Mätzchen im Zaum zu halten.«

»Versuchen kannst du es, aber selbst wenn du Garrel bitten würdest, seinen Novizen auf Schritt und Tritt zu folgen, würde das den Jungen nicht daran hindern zu tun, was er will. Wenn sie den Respekt der anderen Novizen gewinnen will, wird sie lernen müssen, für sich selbst einzustehen.«

Takan brachte ein Tablett herein und stellte kleine Suppenschalen auf den Tisch. Akkarin kostete von der Suppe, dann lächelte er.

»Du sprichst immer von Sonea, wenn du hierher kommst«, bemerkte er. »Es sieht dir gar nicht ähnlich, dich derart für eine bestimmte Novizin zu interessieren.«

Lorlen nahm einen Löffel von der salzigen Suppe und schluckte sie vorsichtig. »Ich bin neugierig darauf, wie gut sie sich einfügt - neugierig zu sehen, wie weit ihre Herkunft ihre Fortschritte behindert. Es liegt in unser aller Interesse, dass sie sich bei uns einlebt und ihr Potenzial voll auszuschöpfen lernt. Deshalb überzeuge ich mich von Zeit zu Zeit davon, welche Fortschritte sie gemacht hat.«

»Denkst du vielleicht daran, weitere Novizen aus den unteren Klassen aufzunehmen?«

Lorlen schnitt eine Grimasse. »Nein. Du etwa?«

Akkarin wandte den Blick ab und hob leicht die Schultern. »Manchmal. Es muss eine Menge Potenzial geben, das wir uns entgehen lassen, indem wir einen so großen Teil der Bevölkerung einfach ignorieren. Sonea ist der lebende Beweis dafür.«

Lorlen kicherte. »Nicht einmal du könntest die Gilde dazu bringen, es zu versuchen.«

Takan kehrte mit einer großen Platte zurück, die er zwischen Lorlen und Akkarin auf den Tisch stellte. Er räumte die leeren Schalen ab und ersetzte sie durch Teller. Nachdem der Diener wieder verschwunden war, widmete sich Akkarin den vielen Speisen, die auf dem Tablett angerichtet waren.

Lorlen folgte seinem Beispiel und gestattete sich einen leisen Seufzer der Zufriedenheit. Es tat gut, wieder einmal ein ordentliches Abendessen einzunehmen. Die hastigen Mahlzeiten, die er in seinem Büro zu sich nahm, waren nie so gut wie frisch zubereitetes Essen.

»Und was für Neuigkeiten hast du?«, fragte er.

Akkarin begann von den Mätzchen des Königs und seines Hofes zu erzählen. »Außerdem habe ich sehr erfreuliche Berichte über deinen neuen Botschafter in Elyne gehört«, fügte er hinzu. »Anscheinend hat man ihm etliche unverheiratete junge Frauen vorgestellt, an denen er jedoch samt und sonders höfliches Desinteresse bekundet hat.«

Lorlen lächelte. »Ich bin davon überzeugt, dass Dannyl sich bestens unterhält.« Er schwieg kurz und kam dann zu dem Schluss, dass dies eine gute Gelegenheit sei, Akkarin nach seinen Reisen zu befragen. »Ich beneide ihn. Im Gegensatz zu dir hatte ich nie die Gelegenheit, mir fremde Länder anzusehen, und ich weiß nicht, ob ich das jetzt noch nachholen kann. Du hast nicht vielleicht ein Tagebuch geführt? Ich weiß, dass du es früher getan hast, als wir noch Novizen waren.«

Akkarin betrachtete Lorlen nachdenklich. »Ich erinnere mich an einen gewissen Novizen, der bei jeder Gelegenheit versucht hat, mein Tagebuch zu lesen.«

Kichernd blickte Lorlen auf seinen Teller hinunter. »Das gehört der Vergangenheit an. Ich würde nur gern vor dem Einschlafen ein wenig in einem Reisebericht schmökern.«