Выбрать главу

Loryk bog in eine andere Gasse ein, und das Gejohle hinter ihnen verebbte langsam. Dannyl blickte zu Tayend hinüber, dessen Gesicht schneeweiß war.

»Es ist eine Sache, von den strengen Gesetzen eines fremden Landes zu hören oder zu lesen, aber etwas ganz anderes, sie vollstreckt zu sehen«, murmelte der Gelehrte. »Ich schwöre, dass ich mich nie wieder über die Exzesse des elynischen Hofes beklagen werde.«

Der Übersetzer führte sie durch eine weitere Straße zu einem niedrigen Gebäude. »Das Gildehaus in Jebem«, verkündete er, als sie die Tür erreichten. »Ich werde euch hier allein lassen.«

Der Mann verneigte sich und ging davon. Dannyl, der das Gebäude betrachtete, entdeckte an der Wand eine Tafel mit dem Symbol der Gilde. Davon abgesehen ähnelte das Gebäude allen anderen in der Stadt. Sie traten durch die geöffnete Tür in einen Raum mit einer niedrigen Decke. In der Nähe stand ein elynischer Magier.

»Seid mir gegrüßt«, sagte er. »Ich bin Vaulen, der erste Botschafter der Gilde in Lonmar.« Der Mann war dünn und hatte graues Haar.

Dannyl neigte den Kopf. »Dannyl, zweiter Botschafter der Gilde in Elyne.« Er deutete auf Tayend, der sich anmutig verbeugte. »Tayend von Tremmelin, Gelehrter der Großen Bibliothek und mein Assistent.«

Vaulen nickte Tayend höflich zu und ließ den Blick zu seinem violetten Hemd hinunterwandern. »Willkommen in Jebem. Ich glaube, ich muss Euch warnen, Tayend von Tremmelin, dass die Menschen in Lonmar Bescheidenheit und Schlichtheit schätzen und bunte Kleidung missbilligen, wie modisch sie auch sein mag. Ich kann Euch einen guten Schneider empfehlen, der Euch für die Dauer Eures Aufenthalts einfachere Gewänder von ausgezeichneter Qualität anfertigen kann.«

Dannyl hatte damit gerechnet, in den Augen des Gelehrten einen Schimmer von Rebellion aufblitzen zu sehen, aber Tayend neigte nur den Kopf. »Vielen Dank für Eure Warnung, Mylord. Ich werde diesen Schneider gleich morgen aufsuchen.«

»Ich habe euch bereits eure Quartiere herrichten lassen«, fuhr Vaulen fort. »Nach der langen Reise werdet ihr euch gewiss ein wenig ausruhen wollen. Wir haben getrennte Bäder hier - die Diener werden euch den Weg zeigen. Danach wärt ihr mir sehr willkommen, wenn ihr das Abendessen mit mir einnehmen wollt.«

Sie folgten einem Diener durch einen kurzen Flur. Der Mann deutete auf zwei offene Türen, verneigte sich und ließ sie allein. Tayend trat in einen der Räume und sah sich mit düsterer Miene um.

Dannyl ging zögernd hinter ihm her. »Ist alles in Ordnung mit Euch?«

Tayend schauderte. »Sie werden ihn hinrichten, nicht wahr? Wahrscheinlich ist es bereits passiert.«

Dannyl war klar, dass er von dem Verurteilten sprach, und er nickte. »Wahrscheinlich.«

»Wir können nichts dagegen tun. Ein fremdes Land, andere Gesetze.«

»Bedauerlicherweise.«

Tayend seufzte und ließ sich in einem Sessel nieder. »Ich möchte Euch Euer Abenteuer nicht verderben, Dannyl, aber ich habe schon jetzt eine ausgeprägte Abneigung gegen Lonmar.«

Dannyl nickte. »Der Richtplatz war nicht gerade ein einladendes Erlebnis«, stimmte er ihm zu. »Aber ich möchte Lonmar nicht allzu schnell verurteilen. Das Land muss auch seine schönen Seiten haben. Wenn Ihr als Erstes die Hüttenviertel von Imardin zu Gesicht bekämet, würdet Ihr von Kyralia vielleicht auch nicht viel halten. Hoffentlich haben wir das Schlimmste bereits gesehen, so dass der Rest nur noch besser werden kann.«

Tayend seufzte erneut, dann ging er zu seinem Koffer hinüber und öffnete ihn. »Ihr habt wahrscheinlich Recht. Ich werde versuchen, schlichtere Kleidung zu bekommen.«

Dannyl lächelte müde. »Manchmal hat diese Uniform durchaus ihre Vorteile«, sagte er und zupfte am Ärmel seiner Robe. »Es mag langweilig sein, jeden Tag in die gleiche purpurne Robe zu schlüpfen, aber zumindest kann ich sie überall in den Verbündeten Ländern tragen.« Er trat an die Tür. »Falls ich Euch in den Bädern nicht sehen sollte, treffen wir uns beim Abendessen.«

Ohne aufzublicken, hob Tayend die Hand zum Gruß und machte sich daran, die leuchtend bunten Gewänder in seinem Koffer zu begutachten.

In seinem eigenen Zimmer dachte Dannyl über die vor ihm liegenden Wochen nach. Nachdem er sich seiner diplomatischen Pflichten in der Stadt entledigt hatte, würden sie im Zuge ihrer Nachforschungen dem Prächtigen Tempel einen Besuch abstatten. Der Tempel war angeblich ein Ort von ungewöhnlicher Schönheit, aber er war auch das Zentrum der strengen Magha-Religion, die die Menschen so grausam bestrafte, wie er es kurz zuvor gesehen hatte. Plötzlich war ihm die Freude an dem geplanten Ausflug gründlich vergangen.

Dennoch würden sie dort vielleicht Informationen über alte Magie finden. Nachdem er einen Monat lang in der Enge eines Schiffes gelebt hatte, war er dankbar dafür, seine Beine und seinen Geist wieder ausstrecken zu können. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass der Rest von Lonmar weniger unerfreulich sein würde als der Richtplatz.

Es war bereits spät, als Lorlen in sein Büro zurückkehrte. Er nahm Dannyls jüngsten Bericht aus der Schachtel mit seiner persönlichen Post, setzte sich an sein Schreibpult und las ihn noch einmal durch. Als er fertig war, lehnte er sich mit einem Seufzer auf seinem Stuhl zurück.

Er dachte jetzt seit Wochen über Akkarins Tagebuch nach. Wenn es tatsächlich existierte, musste es sich irgendwo in der Residenz des Hohen Lords befinden. Eingedenk dessen, was das Tagebuch vielleicht enthalten mochte, bezweifelte Lorlen, dass Akkarin es zusammen mit gewöhnlichen Büchern in seiner Bibliothek aufbewahrte. Wahrscheinlich hatte er es in dem Keller unter dem Gebäude versteckt, und Lorlen war davon überzeugt, dass diese Gewölbe gut verschlossen waren.

Ein kühler Lufthauch strich über seine Haut. Er schauderte, dann fluchte er leise. Sein Büro war schon immer zugig gewesen, ein Umstand, über den sich der frühere Administrator ständig beklagt hatte. Er stand auf, um sich auf die Suche nach der Quelle des Luftzugs zu machen, wie er es schon so oft - und ohne jeden Erfolg - getan hatte.

Kopfschüttelnd begann er, im Raum auf und ab zu gehen. Dannyl und sein Begleiter würden bald in Lonmar ankommen und dort den Prächtigen Tempel aufsuchen. Lorlen hoffte, dass sie nichts finden würden - der Gedanke, dass es an einem solchen Ort womöglich Informationen über schwarze Magie geben könnte, war schlicht unvorstellbar.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn innehalten. Wahrscheinlich war es Lord Osen, der ihm einen freundlichen Vortrag darüber halten wollte, dass er zu wenig schlief. Als er die Tür jedoch öffnete, stand eine dunkle Gestalt vor ihm.

»Guten Abend, Lorlen«, sagte Akkarin lächelnd.

Lorlen sah den Hohen Lord überrascht an.

»Willst du mich nicht hereinbitten?«

»Aber natürlich!« Lorlen machte Akkarin Platz, und dieser ging an ihm vorbei und ließ sich in einem der großen, gepolsterten Sessel nieder. Dann wanderte sein Blick zu Lorlens Schreibtisch.

Lorlen stockte der Atem, als er sah, dass Dannyls Brief noch immer dort lag. Er brauchte seine ganze Willenskraft, um nicht hinüberzueilen und die Papiere wieder in die Schachtel zu stecken. Stattdessen schlenderte er gemächlich durch den Raum, blieb kurz stehen, um einen Sessel gerade zu rücken, und nahm dann mit einem Seufzen auf seinem Stuhl Platz.

»Wie immer ist es schrecklich unordentlich bei mir«, murmelte er. Er griff nach Dannyls Brief und legte ihn zurück in die Schachtel mit seiner Privatkorrespondenz. Nachdem er noch einige weitere Gegenstände auf dem Schreibtisch geordnet hatte, schob er die Schachtel in eine Schublade. »Was führt dich zu dieser späten Stunde hierher?«

Akkarin zuckte die Achseln. »Nichts Besonderes. Du stattest mir so oft einen Besuch ab, dass ich dachte, es sei an der Zeit, dass ich einmal bei dir vorbeischaue. Ich war nicht so dumm, es zuerst in deinem Quartier zu versuchen, obwohl es selbst für deine Verhältnisse schon recht spät ist.«