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»Ja«, antwortete Barran. »Es hat mehrere weitere scheinbare Selbstmorde gegeben, die diesem zu ähnlich waren. In jedem dieser Fälle war die Waffe verschwunden, und wir haben Spuren eines Eindringlings gefunden. Auf den Wunden sämtlicher Opfer waren Hand- oder Fingerabdrücke zu sehen. Das kann kein Zufall sein. Diese Selbstmorde haben etwa einen Monat nach dem Ende der Ritualmorde begonnen, beinahe so, als sei dem Mörder bewusst geworden, dass er Aufmerksamkeit erregte. Deshalb hat er, so glauben wir, seine Methoden geändert, um den Eindruck zu erwecken, es handle sich um Selbstmorde.«

Lorlen nickte. »Oder wir haben es mit einem neuen Mörder zu tun.«

»Möglicherweise.« Barran zögerte. »Da ist noch etwas, obwohl es mit unserem Fall vielleicht nichts zu tun hat. Ich habe meinen Vorgänger gefragt, ob er so etwas Seltsames schon einmal erlebt habe. Er hat mir erzählt, dass es während der letzten vier oder fünf Jahre immer wieder Mordserien in der Stadt gegeben habe.« Er lachte leise. »Seiner Meinung nach ist das lediglich der Preis, den wir für das Leben in Städten zahlen.«

Ein kalter Schauer überlief Lorlen. Akkarin war vor gut fünf Jahren von seiner Reise zurückgekehrt. »Und vor dieser Zeit ist nichts dergleichen vorgefallen?«

»Ich glaube nicht. Anderenfalls hätte er mir sicher davon erzählt.«

»Also waren die Morde damals den heutigen ähnlich?«

»Nur insofern, als sie für eine Weile einem bestimmten Muster folgten und dann ein anderes Muster annahmen. Mein Vorgänger hatte anfangs den Verdacht, dass einer der Diebe sich auf diese Weise seiner Rivalen zu entledigen versuchte. Aber die Opfer schienen weder untereinander eine Verbindung zu haben noch zu den Dieben. Dann zog er die Möglichkeit in Erwägung, es könne sich um einen Assassinen handeln, der sich mit leicht erkennbaren Taten einen Ruf aufzubauen versuchte. Allerdings hatten nur wenige der Opfer Schulden, und es gab auch sonst keine nahe liegenden Gründe für ihre Ermordung. Mein Vorgänger konnte keinen gemeinsamen Nenner für die Taten entdecken, ebenso wenig wie ich es heute vermag.«

»Nicht einmal simplen Diebstahl?«

Barran schüttelte den Kopf. »Einige der Opfer sind ausgeraubt worden, aber keineswegs alle.«

»Zeugen?«

»Von Zeit zu Zeit. Ihre Beschreibungen weichen allerdings voneinander ab. Nur in einem Punkt sind sich alle einig.« Barrans Augen blitzten auf. »Der Mörder trägt einen Ring mit einem großen, roten Edelstein.«

»Wirklich?« Lorlen runzelte die Stirn. Hatte er Akkarin jemals mit einem Ring gesehen? Nein. Akkarin trug keinen Schmuck. Was allerdings nicht bedeutete, dass er sich nicht einen Ring an den Finger stecken konnte, wenn er außer Sicht war. Aber warum sollte er das tun?

Lorlen seufzte und schüttelte den Kopf. »Gab es irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Opfer durch Magie getötet wurden?«

Barran lächelte. »Vater fände diese Idee gewiss ausgesprochen faszinierend, aber nein. Ein Teil der Morde hatte einige eigenartige Aspekte, aber wir haben keine Spuren von magischen Schlägen oder etwas anderem entdeckt, für das sich keine gewöhnliche Erklärung hätte finden lassen.«

Natürlich hätte ein Mord durch schwarze Magie keine Spuren hinterlassen, die Barran hätte erkennen können. Lorlen war sich nicht einmal sicher, ob ein Magier die Anzeichen hätte erkennen können. Trotzdem sollte er versuchen, so viel wie möglich über die Geschehnisse in Erfahrung zu bringen.

»Was könnt Ihr mir sonst noch erzählen?«

»Wollt Ihr eine genaue Beschreibung sämtlicher Mordfälle haben?«

»Ja.«

Barran deutete auf einen großen Schrank mit zahllosen Schubfächern, der eine Wand des Raums ausfüllte. »Ich habe alle Unterlagen über merkwürdige Serienmorde hierher bringen lassen. Das ist eine Menge Material.«

Lorlen musterte die Schubladen mit einiger Beklemmung. So viele…

»Und wenn Ihr mir zunächst einmal die Unterlagen über die neueren Fälle heraussuchen würdet?«

Barran nickte, stand auf und nahm aus einer der Schubladen eine große Mappe. »Es ist gut zu wissen, dass die Gilde bereit ist, sich mit solchen Dingen zu befassen«, sagte er.

Lorlen lächelte. »Mein Interesse ist größtenteils persönlicher Natur, aber wenn es etwas gibt, was die Gilde tun kann, gebt mir Bescheid. Ansonsten bin ich davon überzeugt, dass die Nachforschungen in den Händen des fähigsten Mannes von Imardin ruhen.«

Barran lächelte schief. »Das hoffe ich, Administrator. Das hoffe ich sehr.«

Über dem gewölbten Schild der Arena zogen dunkelgraue Wolken in Richtung Nordviertel. Die Bäume in den Gärten bogen sich im Wind. Die Zweige waren mit dem nahenden Winter fast schwarz geworden, aber die letzten verbliebenen Blätter, die sich gehalten hatten, leuchteten noch rot und gelb.

In der Arena regte sich kein Luftzug. Der Schild schützte sie vor dem Wind, aber nicht vor der Kälte. Sonea widerstand dem Drang, die Arme um sich zu schlingen und sich fester in ihre wollenen Untergewänder zu hüllen. Lord Vorel hatte ihnen befohlen, alle Schilde sinken zu lassen, einschließlich der Wärmeschilde.

»Behaltet folgende Gesetze der Magie im Kopf«, rief er. »Erstens: Bei einem Angriff erfordert der Schild zur Abwehr eines Schlages mehr Energie als der Schlag, mit dem er attackiert wird. Zweitens: Ein nicht geradlinig geführter Schlag kostet mehr Energie als ein geradliniger. Drittens: Licht und Wärme bewegen sich schneller und müheloser als Kraft, daher erfordert ein Kraftschlag mehr Energie als ein Feuerschlag.«

Lord Vorel stand breitbeinig und mit ausgestreckten Armen vor der Klasse. Jetzt sah er Sonea an.

»Schläge sind einfach. Deswegen geschieht es so häufig, dass Magier dabei übertreiben. Auch das ist ein Grund, warum die Errichtung von Schilden die wichtigste Fähigkeit für einen Krieger ist und warum Novizen den größten Teil ihrer Zeit auf diese Kunst verwenden. Denkt an die Regeln der Arena. Sobald euer äußerer Schild gefallen ist, habt ihr den Kampf verloren. Einen weiteren Beweis benötigen wir nicht.«

Sonea schauderte und wusste, dass die Kälte nicht allein daran schuld war. Dies sollte die erste Lektion sein, in der die Novizen gegeneinander kämpfen würden. Alle Warnungen Vorels gingen ihr noch einmal durch den Kopf, während sie die Gesichter der anderen Novizen betrachtete.

Die meisten Gesichter waren gerötet und voller Erregung, nur Poril war schneeweiß. Da sie und Poril bei Übungen in der Klasse stets ein Paar gebildet hatten, würde Lord Vorel sie wahrscheinlich gegeneinander antreten lassen. Sonea beschloss, es ihrem früheren Freund nicht allzu schwer zu machen.

»Zunächst einmal werde ich euch eurer Stärke entsprechend zu Paaren zusammenstellen«, fuhr Vorel fort. »Regin, du wirst gegen Sonea kämpfen. Benon, du kämpfst gegen Yalend. Narron, deine Partnerin ist Trassia. Hal, Seno und Poril werden sich abwechseln.«

Sonea spürte, wie sich das Blut in ihren Adern in Eis verwandelte. Er lässt mich gegen Regin antreten! Aber diese Regelung war durchaus vernünftig. Sie waren die beiden stärksten Novizen in der Klasse. Plötzlich wünschte sie, sie hätte dies kommen sehen und so getan, als sei sie schwächer als Regin.

Nein. Das darf ich nicht einmal denken. Vorel hatte ihnen viele Male erklärt, dass ein Kampf bereits verloren sei, wenn ein Magier ihn in der Überzeugung begann, dass er ohnehin eine Niederlage erleiden werde. Ich werde Regin besiegen, nahm sie sich vor. Ich bin stärker als er. Das wird meine Rache für Porils Verletzungen sein.

Es war nicht leicht, an dieser Entschlossenheit festzuhalten, als Lord Vorel sie jetzt nach vorn rief, damit sie neben Regin Aufstellung nahm. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, und sie spürte, wie seine Magie sie umringte, als er einen inneren Schild hochzog. Ein zweiter Krieger, Lord Makin, wob einen Schild um Regin.

»Die anderen verlassen jetzt die Arena«, befahl er. Als die Novizen sich gehorsam in den Gang zurückzogen, zwang sich Sonea dazu, Regins Blick zu erwidern. Seine Augen leuchteten, und seine Mundwinkel hatten sich zu einem verschlagenen Lächeln verzogen.