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»Wie geht es Euch?«, fragte Dannyl.

»Besser. Wie sieht es draußen aus?«

»Recht angenehm, denke ich.« Die Schiffe waren kleiner als die Anyi. Sie schienen über die Wellen zu fliegen und kamen schnell näher. »Ich glaube, wir werden noch vor dem Abendessen Gesellschaft bekommen.«

Tayend stützte sich an der Wand der Kajüte ab und bewegte sich langsam auf Dannyl zu, um ebenfalls durch das Fenster zu spähen.

»Piraten?«

Hastige Schritte näherten sich der Tür der Kajüte, gefolgt von einem kurzen, scharfen Klopfen.

»Ich habe sie gesehen«, rief Dannyl.

Tayend klopfte ihm auf die Schulter. »Zeit für Euren Auftritt als Held, mein magiebegabter Freund.«

Dannyl warf Tayend einen vernichtenden Blick zu, bevor er die Tür öffnete und in den Korridor hinaustrat. Der Schiffsjunge, ein Knabe von vielleicht vierzehn Jahren, begann wild gestikulierend zu sprechen.

»Kommt mit! Macht schnell!«, rief er mit weit aufgerissenen Augen.

Dannyl folgte dem Jungen durch den Gemeinschaftsraum hinaus auf Deck. Nachdem er den Kapitän am Heck des Schiffes entdeckt hatte, ging er über eine kurze Treppe zu dem Mann hinauf.

»Böse Menschen«, sagte der Kapitän und streckte die Hand aus.

Die Schiffe waren keine zweihundert Schritte mehr entfernt. Dannyl blickte zum Mast der Anyi empor, wo die Flagge der Gilde im Wind flatterte. Dann bemerkte er, dass sämtliche Matrosen und sogar der Junge Messer oder kurze Säbel in den Händen hielten. Einige wenige hatten bereits Bogen gespannt und Pfeile angelegt.

Tayend schnaubte angewidert. »Die Mannschaft hat anscheinend kein großes Zutrauen in Euch«, murmelte er.

»Sie gehen kein Risiko ein«, entgegnete Dannyl. »Würdet Ihr das tun?«

»Ihr seid unser Held und Beschützer. Ich weiß, dass Ihr uns retten werdet.«

»Müsst Ihr das immer wieder betonen?«

Tayend kicherte. »Ich möchte Euch nur das Gefühl geben, dass man Euch braucht und Eure Arbeit anerkennt.«

Eines der beiden Piratenschiffe näherte sich der Anyi mit unverminderter Fahrt. Dannyl, der befürchtete, die Piraten könnten das Schiff rammen wollen, trat an die Reling, darauf gefasst, den Bug des Piratenschiffes drehen zu müssen. Im letzten Moment drehte der Pirat jedoch selbst bei und blieb längsseits der Anyi liegen.

Auf Deck standen stämmige, muskulöse Männer. Hier und da sah Dannyl Klingen im Sonnenlicht aufblitzen. Zwei Männer hielten aufgerollte Seile in den Händen, an denen Enterhaken befestigt waren.

Diese Männer waren dunkelhäutiger und größer als ein durchschnittlicher Vindo, was darauf schließen ließ, dass auch lonmarisches Blut in ihren Adern floss. Und alle starrten ihn mit wachsamer Miene an. Er beobachtete, dass sie immer wieder zu einem Mann am Bug des Bootes hinüberschauten. Dies, vermutete Dannyl, musste ihr Anführer sein.

Als das zweite Schiff ebenfalls längsseits kam, hob der Mann die Hand und rief einige Worte auf Vindo. Tayend gab einen leisen, erstickten Laut von sich, aber die Mannschaft der Anyi bewahrte Schweigen. Dannyl sah zum Kapitän hinüber.

»Was hat er gesagt?«

Der Kapitän räusperte sich. »Er fragt, wie viel Ihr für Euren hübschen Freund haben wollt. Er sagt, er kann einen guten Gewinn machen, wenn er ihn im Westen als Sklaven verkauft.«

»Wirklich?« Dannyl blickte zu Tayend hinüber. »Was meint Ihr? Fünfzig Goldmünzen?«

Tayend funkelte Dannyl wütend an.

Der Kapitän kicherte. »Ich kenne den Preis für männliche Sklaven nicht.«

Dannyl schüttelte grinsend den Kopf. »Ich auch nicht. Sagt dem Piraten, mein Freund stehe nicht zum Verkauf. Und sagt ihm auch, dass er sich die Fracht auf diesem Schiff nicht leisten kann.«

Der Kapitän wiederholte die Worte auf Vindo. Der Pirat lächelte, dann hob er die Hand, um dem anderen Schiff ein Signal zu geben. Die Männer eilten zu ihren Positionen an den Seilen und Winden, und schon bald hatten die Schiffe wieder Fahrt aufgenommen und segelten davon.

Der Kapitän trat zu Dannyl. »Tötet sie jetzt«, sagte er drängend. »Bevor sie entkommen.«

Dannyl schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Aber Piraten sind böse Menschen. Sie rauben Schiffe aus. Sie töten. Sie nehmen Sklaven.«

»Sie haben uns nicht angegriffen«, erwiderte Dannyl.

»Wenn Ihr sie tötet, macht Ihr das Meer sicherer.«

Dannyl drehte sich zu dem Kapitän um. »Es wird sich nichts ändern, wenn ich die Männer auf ein oder zwei Booten töte. Andere würden sie ersetzen. Wenn die Vindo wünschen, dass die Magier die Piraten von diesen Inseln entfernen, müssen sie sich an die Gilde wenden. Dem Gesetz nach darf ich meine Kräfte nur zur Verteidigung benutzen, es sei denn, mein König persönlich hätte mir einen anderslautenden Befehl gegeben.«

Der Kapitän senkte den Blick und ging davon. Dannyl hörte den Mann einige Worte in seiner eigenen Sprache murmeln, dann schickte er die Mannschaft wieder an die Arbeit. Mehrere der Matrosen wirkten sichtlich unzufrieden, nahmen jedoch ohne Klage ihr Werk wieder auf.

»Sie sind nicht die Einzigen, die Euer Verhalten enttäuschend finden«, bemerkte Tayend.

Dannyl betrachtete seinen Freund nachdenklich. »Ihr meint also auch, ich hätte sie töten sollen?«

Tayend blickte den Piratenschiffen mit schmalen Augen nach. »Ich hätte nichts dagegen gehabt.« Dann zuckte er die Achseln. »Aber vor allem hatte ich auf eine kleine Zurschaustellung von Magie gehofft. Nichts allzu Fantastisches. Nur einige Funken und Feuer.«

»Funken und Feuer?«

»Ja. Und vielleicht eine kleine Wasserfontäne.«

»Tut mir Leid, dass ich Euch enttäuschen musste«, erwiderte Dannyl trocken.

»Und was sollte dieses Gerede, mich an Sklavenhändler zu verkaufen - noch dazu für bloße fünfzig Goldmünzen!«

»Ich entschuldige mich. Wären hundert Goldmünzen angemessener gewesen?«

»Nein! Und Ihr hört Euch nicht so an, als täte es Euch besonders leid.«

»Dann entschuldige ich mich dafür, dass meine Entschuldigung so wenig überzeugend ausgefallen ist.«

Tayend verdrehte die Augen. »Das reicht! Ich gehe wieder hinein.«

Sonea drückte ihren Bücherkoffer fester an sich und seufzte. Es wurde jetzt sehr schnell dunkel. Bei ihrem Aufbruch hatte der Wald in den letzten Sonnenstrahlen noch lange Schatten geworfen, aber inzwischen war nur mehr ein nebliges Dämmerlicht zurückgeblieben, in dem sie kaum noch etwas erkennen konnte. Sie widerstand dem Drang, eine Lichtkugel zu schaffen, weil sie wusste, dass man sie dann nur umso leichter finden würde.

In der Nähe knackte ein Zweig.

Sie blieb stehen und sah sich angestrengt um. Zwischen den Baumstämmen waren in der Ferne die Lichter des Heilerquartiers zu erkennen. Sie konnte keine Bewegung wahrnehmen, kein Geräusch hören.

Langsam stieß sie den Atem aus, den sie angehalten hatte, und begann weiterzugehen.

Einige Wochen zuvor hatte Lord Kiano die Klasse zu den Feldern und Glashäusern hinter den Heilerquartieren geführt, wo medizinische Pflanzen angebaut wurden. Er hatte ihnen mehrere Spezies gezeigt und ihnen erklärt, wie sie die einzelnen Pflanzen erkennen konnten. Danach hatte er ihnen mitgeteilt, dass er künftig jede Woche einen Novizen auswählen würde, der ihn nach dem Unterricht zu den Feldern hinüberbegleiten und seine Kenntnisse unter Beweis stellen sollte.

An diesem Nachmittag war sie an der Reihe gewesen. Nach der Prüfung hatte Kiano sie entlassen, und sie musste allein in das Novizenquartier zurückkehren. Da sie wusste, dass Regin sich eine solche Gelegenheit, ihr ungestört aufzulauern, nicht entgehen lassen würde, hatte sie noch ein wenig getrödelt und Interesse an den Pflanzen geheuchelt. Aber ihre Hoffnung, sie könnte vielleicht mit Kiano zusammen nach Hause gehen, hatte sich zerschlagen, denn der Lehrer hatte ein Gespräch mit einem der Gärtner begonnen, das offensichtlich länger dauern würde.

Also hatte sie beschlossen, ihren alternativen Plan anzuwenden. Sie vermutete, dass Regin sie auf dem gewöhnlichen Pfad erwarten würde, deshalb hatte sie eine Abkürzung durch den Wald genommen.