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Tayend machte einige unsichere Schritte, dann schien er sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen. Ein Wachmann drückte ihm den Geldbeutel in die Hand. Dannyl lächelte über den Gesichtsausdruck des Gelehrten. Dann bedeutete er dem Gehilfen des Kaufmanns, ihnen zu folgen, und sie machten sich auf den Weg zurück zum Gildehaus.

Die Wörter auf der Buchseite vor Sonea verschwanden plötzlich unter dicken, schwarzen Tropfen. Sie sah sich um, aber es stand niemand hinter ihr. Als weitere Tropfen auf die Seite fielen, verfolgte sie deren Weg zurück und entdeckte, dass hoch über ihr ein kunstvoll gefertigtes Tintenfass in der Luft schwebte.

Hinter den Bücherregalen zu ihrer Linken wurde Gekicher laut. Das Tintenfässchen bewegte sich und drohte, auch Soneas Roben mit Tinte zu bespritzen. Sie kniff die Augen zusammen und sandte einen Magiestrahl aus. Sofort trocknete die Tinte mit einem leisen Zischen, und die Tintenflasche leuchtete rot auf. Das kleine Fass schoss zu den Regalen hinüber, und Sonea hörte ein schrilles Aufheulen.

Mit einem grimmigen Lächeln wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu, aber ihr Lächeln erstarb, als sie sah, dass die Tinte auf der Seite trocknete. Sie zog ein Nasentuch aus der Tasche und betupfte die Flecken. Mit einem leisen Fluch beobachtete sie, wie die Tinte sich weiter ausbreitete.

»Eine schlechte Idee. Damit machst du alles nur noch schlimmer«, erklang eine Stimme hinter ihr.

Sie zuckte zusammen und drehte sich um. Dorrien stand hinter ihr. Ohne einen Moment nachzudenken, klappte sie das Buch zu.

Er schüttelte den Kopf. »Das wird erst recht nichts nützen.« Sonea runzelte ärgerlich die Stirn und suchte nach einer schlagfertigen Erwiderung, aber bevor ihr etwas einfiel, hatte Dorrien ihr das Buch bereits aus der Hand genommen.

»Lass mich mal sehen.« Er lachte. »Alchemie für Anfänger. Das Buch ist es nicht einmal wert, dass man es aufbewahrt!«

»Aber es gehört der Bibliothek.«

Dorrien blätterte die fleckigen Seiten durch und schnitt eine Grimasse. »Das kannst du nicht wieder in Ordnung bringen«, sagte er kopfschüttelnd. »Mach dir keine Gedanken deswegen. Rothen kann eine neue Kopie anfertigen lassen.«

»Aber…«

Dorrien zog die Augenbrauen hoch. »Aber?«

»Es wird Geld kosten…«

»Das dürfte kaum ein Problem sein, Sonea«, fiel Dorrien ihr ins Wort.

Sonea öffnete den Mund, um zu protestieren, schloss ihn dann aber wieder.

»Du meinst, es wäre nicht gerecht, wenn er die Kopie bezahlt, stimmt’s?« Dorrien ließ sich auf einen der Stühle neben ihr fallen. »Schließlich warst nicht du diejenige, die das Buch unbrauchbar gemacht hat.«

Sonea kaute auf ihrer Unterlippe. »Du hast sie gesehen?«

»Ich bin an einem Novizen mit verbrannten Fingerspitzen vorbeigekommen und an einem anderen, der etwas in Händen hielt, das starke Ähnlichkeit mit einer geschmolzenen Tintenflasche hatte. Als ich dann gesehen habe, wie du dieses Buch zu retten versucht hast, konnte ich mir den Rest denken.« Seine Lippen zuckten. »Rothen hat mir von deinen Bewunderern erzählt.«

Sie musterte ihn schweigend. Er lachte über ihren Gesichtsausdruck, aber in seinem Lachen schwang ein Anflug von Verbitterung mit.

»Ich war auch nicht allzu beliebt in meinem ersten Jahr an der Universität. Ich kann ein wenig nachvollziehen, was du durchmachst. Es ist die reinste Folter, aber du kannst dem ein Ende bereiten.«

»Wie?«

Er legte das Buch auf den Tisch und lehnte sich zurück. »Bevor ich etwas sage, solltest du mir besser erzählen, was sie dir bisher angetan haben. Bevor ich dir helfen kann, muss ich eine Vorstellung davon bekommen, was für Menschen diese Novizen sind, insbesondere Regin.«

»Du willst mir helfen?« Sie sah ihn zweifelnd an. »Was kannst du tun, das Rothen nicht tun könnte?«

Er lächelte. »Vielleicht nichts, aber das werden wir nie erfahren, wenn wir es nicht ausprobieren.«

Ein wenig widerstrebend erzählte sie ihm von ihrem ersten Tag an der Universität, von Issle und der Verschwörung der ganzen Klasse gegen sie. Sie berichtete ihm, dass sie gearbeitet habe, bis sie in die nächste Klasse aufrücken konnte, nur um dann feststellen zu müssen, dass Regin ihr folgte. Dann erzählte sie ihm von Narrons Schreibfeder, die kurz darauf verschwunden war und für deren Diebstahl man sie verantwortlich gemacht hatte. Zu guter Letzt erzählte sie auch von dem Hinterhalt im Wald.

»Ich weiß nicht, warum, aber als ich von dieser Zusammenkunft mit den Höheren Magiern kam, hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas im Gange war, das ich nicht verstand«, beendete sie ihren Bericht. »Sie haben mir nicht die Art Fragen gestellt, die ich erwartet hatte.«

»Was hattest du denn erwartet?«

Sonea zuckte die Achseln. »Ich dachte, sie würden wissen wollen, wer mit der ganzen Sache angefangen habe. Stattdessen haben sie mich nur gefragt, ob ich müde sei.«

»Du hattest soeben unter Beweis gestellt, wie stark du bist, Sonea«, erklärte Dorrien. »Natürlich hat diese Tatsache sie mehr interessiert als irgendein dummer Streit zwischen dir und den Novizen.«

»Aber sie haben Regin bis zur Mitte des nächsten Jahres von Balkans Unterricht ausgeschlossen.«

»Oh, sie mussten Regin bestrafen.« Dorrien machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber das ist nicht der Grund, warum sie dir diese Fragen gestellt haben. Sie wollten natürlich, dass du seine Geschichte bestätigst, aber vor allem wollten sie sich eine Vorstellung von deinen Grenzen verschaffen.«

Sonea dachte an jenen Abend zurück und nickte langsam.

»Soweit ich gehört habe, bist du inzwischen stärker als viele der Lehrer, die mit dem Anfängerunterricht betraut sind«, fuhr er fort. »Einige von ihnen glauben, deine Kräfte hätten sich lediglich besonders früh entwickelt und du würdest nicht sehr viel weiter kommen, andere denken, dass du den Gipfel deiner Fähigkeiten noch lange nicht erreicht hast und einmal genauso mächtig sein wirst wie Lorlen. Wer weiß? Es hat nichts zu bedeuten, bevor du nicht entschieden hast, wie du diese Macht einsetzen willst.« Dorrien beugte sich vor. »Aber die Magier müssen jetzt die Tatsache akzeptieren, dass Regin und seine Freunde sich gegen dich verschworen haben. Bedauerlicherweise können sie nichts dagegen unternehmen, solange es keine Beweise gibt. Und ebendiese Beweise müssen wir ihnen liefern. Ich denke, wir sollten ihnen klar machen, dass Regin derjenige war, der Narrons Schreibfeder unter deine Sachen geschmuggelt hat.«

»Wie?«

»Hmmm.« Dorrien lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und trommelte mit den Fingern auf den Buchdeckel. »Im günstigsten Fall sollte man ihn dabei erwischen, wie er abermals versucht, dir einen Diebstahl in die Schuhe zu schieben. Wenn das herauskommt, werden alle Magier und Novizen die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass er das Gleiche schon einmal versucht hat. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass niemand auf die Idee kommt, dass diesmal ihm eine Falle gestellt worden ist…«

Während sie verschiedene Ideen entwickelten und wieder verwarfen, hob sich Soneas Stimmung merklich. Vielleicht konnte Dorrien ihr tatsächlich helfen. In jedem Fall war er ganz anders, als sie es erwartet hatte. Genau genommen war er anders als alle Magier, denen sie bisher begegnet war.

Ich glaube, ich mag ihn, überlegte sie.

18

Freundschaft

Als Sonea auf ein Klopfen hin die Tür ihres Zimmers öffnete, blinzelte sie überrascht.

»Genug gelernt für heute«, erklärte Dorrien. »Du hast die ganze Woche jeden Abend hier gesessen und gebüffelt. Heute ist Freitag, und wir werden ausgehen.«

»Ausgehen?«, wiederholte Sonea.

»Ausgehen«, bekräftigte er.

»Wohin?«

Dorriens Augen funkelten. »Das«, sagte er, »ist ein Geheimnis.«

Sonea öffnete den Mund, um Einwände zu erheben, aber er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Scht«, machte er. »Keine Fragen mehr.«