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»Er hat mir erzählt, dass er großes Potenzial in ihr gesehen habe«, antwortete Lorlen. »Deshalb möchte er persönlich ihre Ausbildung beaufsichtigen.«

Einer der Magier in der Nähe wandte sich um und ging auf einen Neuankömmling zu, zweifellos um diese Informationen an ihn weiterzugeben. Hinter den beiden bemerkte Lorlen ein vertrautes Gesicht. Als Rothens Blick den seinen traf, spannten sich Lorlens Kiefermuskeln.

Rothens Anwesenheit heute Abend überraschte ihn. Hatte Akkarin auch ihm den Befehl gegeben, den äußeren Anschein zu wahren?

»Rektor Jerrik hat mir erzählt, Sonea sei bereit, Abendkurse zu belegen«, sagte Lady Vinara. »Meint Ihr, dass wir vielleicht zu viel von ihr erwarten?«

Lorlen zuckte die Achseln. »Das ist eine Neuigkeit für mich. Ich wusste nicht, dass er bereits mit Jerrik gesprochen hat.«

»Die meisten ihrer Abendkurse sollen den Unterricht ersetzen, den sie tagsüber versäumt, um Einzelunterricht in den Kriegskünsten zu nehmen«, erklärte Lord Yikmo.

»Warum kann sie diese Stunden nicht abends absolvieren?«, fragte ein anderer Magier.

»Weil ich abends nicht unterrichte«, antwortete Yikmo mit einem breiten Lächeln.

»Verzeiht mir, wenn ich das sage, aber ich hätte doch erwartet, dass Lord Balkan den Schützling des Hohen Lords unterrichten würde«, warf Lord Garrel ein. »Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass Euer ungewöhnlicher Unterrichtsstil für ein Mädchen wie Sonea gut geeignet ist.«

»Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Novizen mit einem schnellen Verstand und einem weniger aggressiven Temperament gut auf meine Methoden ansprechen«, erwiderte Yikmo glatt.

Da Lorlen spürte, dass Rothen ihn immer noch beobachtete, drehte er sich zu dem Mann um. Rothen wandte den Blick ab. Lorlen atmete tief durch, dann machte er sich daran, das Gespräch von Soneas Unterricht bei Yikmo abzulenken. Krieger!, dachte er. Haben nichts anderes im Kopf, als bei jeder Gelegenheit miteinander in Wettstreit zu treten.

Zwei Stunden später musste Lorlen ein Gähnen unterdrücken. Er erhob sich. »Entschuldigt mich bitte«, sagte er. »Es wird spät, und ich möchte früh zu Bett gehen. Guten Abend.«

Es war nicht leicht, den Raum zu durchqueren. Er konnte kaum einen Schritt tun, ohne dass irgendjemand an ihn herantrat und ihm eine Frage stellte. Nachdem er sich einige Male höflich wieder freigemacht hatte, stand er plötzlich Rothen gegenüber.

Die beiden Männer sahen einander schweigend an. Lorlen, dessen Herz raste, konnte nur daran denken, dass Akkarin ihnen verboten hatte, miteinander zu reden. Aber zu viele der anderen Magier beobachteten sie, und wenn sie wortlos aneinander vorbeigingen, würde das nur Verdacht erregen.

»Guten Abend, Administrator«, sagte Rothen.

»Guten Abend, Lord Rothen«, erwiderte Lorlen.

Also haben wir bereits das erste Mal gegen Akkarins Befehl verstoßen, überlegte Lorlen. Die Falten in Rothens Gesicht waren tiefer, als er es in Erinnerung gehabt hatte. Als ihm plötzlich der Ring wieder einfiel, verschränkte Lorlen die Hände hastig hinter dem Rücken. »Ich wollte Euch… ich wollte Euch mein Mitgefühl ausdrücken. Es ist gewiss traurig, eine Novizin zu verlieren, die Euch offensichtlich sehr am Herzen gelegen hat.«

Rothen runzelte die Stirn. »Das ist es«, pflichtete er Lorlen bei.

Wie gern er ein Wort des Trostes für Rothen gefunden hätte. Aber vielleicht gab es ja eine Möglichkeit…

»Ich habe gerade gehört, dass sie für ihr zweites Jahr Abendkurse belegt hat. Sie wird den größten Teil ihrer Zeit beim Unterricht verbringen, daher bezweifle ich, dass sie allzu viel von ihrem neuen Mentor zu sehen bekommen wird - was wahrscheinlich Akkarins Methode ist, dafür zu sorgen, dass sie ihm nicht im Weg ist.«

Rothen nickte langsam. »Das wird ihr sicher gefallen.« Er zögerte, dann senkte er die Stimme. »Geht es Euch gut, Administrator?«

»Ja.« Lorlen lächelte hohl. »Ich brauche nur ein wenig Schlaf. Ich…« Er brach ab und lächelte, als einige Magier an ihnen vorbeigingen. »Vielen Dank für Eure Anteilnahme. Gute Nacht, Lord Rothen.«

»Gute Nacht, Administrator.«

Endlich konnte Lorlen den Abendsaal verlassen und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Er gestattete sich einen leisen Seufzer. Glaube ich wirklich, dass Akkarin ihnen nichts antun wird?

— Ihnen droht keine Gefahr. Es war klug von dir, Rothen zu beruhigen.

Lorlen erstarrte vor Überraschung und blickte auf den Ring hinab. Als er sich umsah, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass der Innenhof verlassen war und niemand seine Reaktion beobachtet hatte.

— Du hast mir von Garrels geschickter Gesprächsführung erzählt, aber ich habe ihn noch nie in Aktion erlebt. Macht er das mit jedem?

Lorlen betrachtete den Ring. Der Stein fing das Licht der Lampen auf, die rund um den Hof standen, aber er unterschied sich nicht im Mindesten von jedem anderen gewöhnlichen Rubin.

— Ich habe es dir gesagt, Lorlen. Alles, was du siehst und hörst.

— Und was ich denke?

— Wenn ich zuhöre, ja - aber du wirst nicht wissen, wann ich zuhöre.

Entsetzt packte Lorlen den Ring und begann, ihn vom Finger abzustreifen.

— Halt, Lorlen. Du quälst dich schon jetzt mit Schuldgefühlen. Zwing mich nicht, alles noch schlimmer zu machen.

Lorlen ließ den Ring los und ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste.

— So ist es schon besser. Jetzt ruh dich ein wenig aus. Es ist einiges an Arbeit liegen geblieben, um das du dich kümmern musst.

Schwer atmend vor Wut machte sich Lorlen auf den Weg zu seinen Räumen.

23

Akkarins Versprechen

Als Dannyl von Deck zurückkam, saß Tayend im Schneidersitz auf dem schmalen Bett in ihrer Kajüte. Auf jeder freien Fläche im Raum lagen die Zeichnungen und Notizen des Gelehrten.

»Ich habe alles übersetzt, was ich verstanden habe. Auf dem Sarg befindet sich ein Passus, der offensichtlich mehrsprachig notiert ist, in verschiedenen alten Sprachen zeilenweise untereinander. Sobald ich wieder in der Bibliothek bin, werde ich der Sache nachgehen können. Die dritte Zeile ist Frühelynisch, eine Sprache, die vor tausend Jahren mit dem Kyralischen verschmolzen ist.«

»Was steht denn dort?«

»Dass diese Frau gerecht und ehrenwert war. Dass sie die Inseln mit hoher Magie geschützt hat. Die Worte für ›hohe Magie‹ waren besonders tief eingeschnitzt. Auf die gleiche Weise war ein Schriftzeichen hervorgehoben, das ich dem Alt-Vindo zurechne - das ist auch die Sprache der Inschriften auf den Wänden. Das gleiche Schriftzeichen kommt auf den Wänden noch mehrmals vor.«

Tayend reichte Dannyl eine Zeichnung. Wann immer darauf die Worte für ›hohe Magie‹ auftauchten, zeigte das Bild darüber eine Gestalt, die vor einer Frau kniete. Die Frau hatte die Hand ausgestreckt, um die nach oben gehaltenen Handflächen des Bittstellers zu berühren, wie zur Beschwichtigung oder zur Belohnung.

»Das könnte bedeuten, dass sie diese hohe Magie praktiziert. Was glaubst du, was sie tut?«

Dannyl zuckte die Achseln. »Vielleicht heilt sie. Das ergäbe durchaus einen Sinn, da die Heilkunst vor tausend Jahren sehr selten gewesen sein muss. Einzig durch Zusammenarbeit und viele Versuche ist es der Gilde gelungen, diese Fertigkeit zu entwickeln - und die Heilkunst ist noch immer die am schwersten erlernbare Disziplin.«

»Dann kommt dir der Ausdruck ›hohe Magie‹ nicht vertraut vor?«

Dannyl schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Das Loch, durch das wir geblickt haben, kam mir nicht natürlich vor. Irgendjemand muss es in den Felsen gehauen haben. Glaubst du, es könnte durch Magie entstanden sein?«

»Möglicherweise.« Dannyl lächelte. »Ich denke, der letzte Besucher hat uns einen großen Gefallen getan.«

»Und ob.« Das Schiff sackte abrupt in ein offenbar tiefes Wellental. Tayend zuckte zusammen, und sein Gesicht nahm eine kränkliche Farbe an.