»Es braucht dir nicht die ganze Reise über schlecht zu gehen«, sagte Dannyl entschieden. »Gib mir die Hand.«
Tayends Augen weiteten sich. »Aber… ich…«
»Du hast jetzt keine Ausreden mehr.«
Zu Dannyls Erheiterung errötete Tayend und wandte den Blick ab. »Ich fühle mich immer noch, ähm, unwohl mit… nun ja…«
Dannyl wischte diesen Einwand mit einer knappen Geste beiseite. »Diese Art von Heilung geht sehr schnell. Und ich werde nicht in deinen Gedanken lesen. Außerdem musst du dich der Wahrheit stellen. Du bist kein besonders unterhaltsamer Begleiter, wenn du krank bist. Wenn du dich nicht auf Schritt und Tritt übergeben musst, dann jammerst du, dass es gleich wieder so weit sein werde.«
»Ich jammere!«, rief Tayend entrüstet. »Ich habe überhaupt nicht gejammert!« Er hielt Dannyl die Hand hin. »Dann tu, was du nicht lassen kannst.«
Tayend presste die Augen fest zusammen. Dannyl umfasste das Handgelenk des Gelehrten, sandte seinen Geist aus und traf unverzüglich auf Übelkeit und Benommenheit. Es bedurfte nur einer minimalen Willensanstrengung, um diese Übel zu vertreiben. Nachdem Dannyl Tayends Hand losgelassen hatte, beobachtete er, wie der Gelehrte die Augen aufschlug und über die Wirkung des magischen Eingriffs nachdachte.
»So ist es viel besser.« Tayend warf Dannyl einen schnellen, forschenden Blick zu, dann zuckte er die Achseln und wandte sich wieder seinen Notizen zu. »Wie lange wird es anhalten?«
»Einige Stunden. Länger, wenn du dich an die Schaukelei gewöhnst.«
Tayend lächelte. »Ich wusste doch, dass ich einen guten Grund hatte, dich mitzunehmen. Was werden wir tun, wenn wir wieder in Elyne sind?«
Dannyl schnitt eine Grimasse. »Ich werde wohl eine Menge Zeit darauf verwenden müssen, meinen diplomatischen Pflichten nachzukommen. Es dürfte reichlich Arbeit liegen geblieben sein.«
»Nun, während du damit beschäftigt bist, werde ich unsere Nachforschungen fortsetzen. Die Aufzeichnungen des Hafenmeisters haben uns verraten, wohin Akkarin gereist ist. Eine Frage hier und dort wird uns Aufschluss darüber geben, was er anschließend getan hat. Die Bel Arralade gibt jedes Jahr anlässlich ihres Geburtstages ein Fest, und das ist genau die richtige Gelegenheit, um mit unseren Nachforschungen anzufangen. Im Gildehaus liegt gewiss schon eine Einladung für dich bereit.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein? Ich habe nur wenige Monate in Capia verbracht, und ich habe die Bel Arralade noch nicht einmal kennen gelernt.«
»Und genau aus diesem Grund wird man dich einladen.« Tayend lächelte. »Einen jungen, unverheirateten Magier wie dich! Außerdem nimmt Botschafter Errend immer an dem Fest teil. Wenn du keine eigene Einladung bekommen solltest, wird er darauf bestehen, dass du ihn begleitest.«
»Und du?«
»Ich habe Freunde, die mich mitnehmen werden, wenn ich nett darum bitte.«
»Warum gehst du nicht einfach mit mir auf das Fest?«
»Wenn wir zusammen ankommen, werden die Leute Schlüsse ziehen, die dir vielleicht nicht besonders angenehm wären.«
»Wir waren jetzt monatelang zusammen auf Reisen«, erwiderte Dannyl. »Die Leute werden bereits ihre Schlüsse gezogen haben.«
»Nicht unbedingt.« Tayend machte eine abwehrende Handbewegung. »Nicht wenn sie beobachten können, dass du mich wie einen bloßen Untergebenen behandelst. Dann könnten sie zu der Auffassung gelangen, dass du nicht über mich Bescheid weißt. Schließlich bist du Kyralier. Wenn du von meinen Neigungen wüsstest, hättest du dir einen anderen Assistenten gesucht.«
»Wir Kyralier haben wirklich einen schlechten Ruf, wie?«
Tayend nickte. »Aber ebendiesen Ruf können wir jetzt zu unserem Vorteil nutzen. Wenn irgendjemand eine Bemerkung über mich macht, solltest du dich entrüstet darüber zeigen, dass der Betreffende meinen Namen in den Schmutz zieht. Ich werde meine Freunde anflehen, dich, was diese Dinge betrifft, im Dunkeln zu lassen. Wenn wir überzeugend genug sind, können wir weiter zusammenarbeiten, ohne dass irgendjemand Fragen stellt.«
Dannyl runzelte die Stirn. Es war ihm höchst unangenehm, das zuzugeben, aber Tayend hatte Recht. Obwohl er gern einfach die Achseln gezuckt und die Leute hätte reden lassen, würde es ihrer beider Leben deutlich vereinfachen, wenn sein Ruf keinen Schaden nahm.
»Also gut. Ich werde den arroganten kyralischen Magier geben, den die Leute erwarten.« Er sah Tayend an. »Aber ich möchte, dass du eines nicht vergisst: Falls ich eine grobe oder voreingenommene Bemerkung mache, denk bitte daran, dass es mir nicht wirklich ernst damit ist.«
Tayend nickte. »Ich weiß.«
»Aber ich muss dich warnen. Meine schauspielerischen Fähigkeiten sind ziemlich gut.«
»Oh, wirklich?«
Dannyl kicherte. »Ja, wirklich. Ich habe das Wort meines Mentors zum Beweis. Er sagte, wenn ich die Diebe davon überzeugen konnte, ein armer Kaufmann zu sein, dann könnte ich jeden hinters Licht führen.«
»Wir werden sehen«, erwiderte Tayend. »Wir werden sehen.«
Lord Osen wartete geduldig, bis Lorlen seinen Brief fertig geschrieben hatte. Schließlich trocknete Lorlen mit einer knappen Handbewegung die Tinte, faltete den Bogen zusammen und versiegelte ihn.
»Was kommt als Nächstes?«, fragte er, als er Osen den Brief reichte.
»Das ist alles.«
Lorlen blickte überrascht auf. »Wir haben alle Rückstände aufgeholt?«
»Ja.« Osen lächelte.
Lorlen lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte seinen Assistenten anerkennend. »Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt, dass Ihr während der vergangenen Woche für mich eingesprungen seid.«
Osen zuckte die Achseln. »Ihr habt Ruhe gebraucht. Meiner Meinung nach hättet Ihr eine längere Pause einlegen sollen. Vielleicht hättet Ihr wie alle anderen für einige Wochen zu Eurer Familie fahren sollen. Ihr seht immer noch sehr erschöpft aus.«
»Ich weiß Eure Sorge zu schätzen«, erwiderte Lorlen. »Aber ich soll all die Leute hier für einige Wochen sich selbst überlassen?« Er schüttelte den Kopf. »Keine gute Idee.«
Der junge Magier kicherte. »Jetzt klingt Ihr langsam wieder wie Ihr selbst. Wollen wir uns nun den Vorbereitungen für die nächste Versammlung zuwenden?«
»Nein.« Lorlen runzelte die Stirn, als ihm seine Verabredung wieder einfiel. »Ich werde heute Abend den Hohen Lord besuchen.«
»Verzeiht mir diese Bemerkung, aber Ihr klingt nicht übermäßig begeistert.« Osen zögerte, dann fuhr er in gedämpfterem Tonfall fort: »Gab es irgendeine Meinungsverschiedenheit zwischen euch?«
Lorlen sah seinen Assistenten an. Osen entging nur selten etwas, aber auf seine Diskretion war Verlass. Würde er ihm glauben, wenn er es bestritt? Wahrscheinlich nicht.
— Sag ihm, dass es so sei. Denk dir irgendeine Belanglosigkeit aus, über die wir gestritten haben können.
Beim Klang der Stimme in seinen Gedanken versteifte sich Lorlen. Seit jenem Gespräch vor dem Abendsaal vor einer Woche hatte Akkarin nicht mehr durch den Ring zu ihm gesprochen.
»Ich nehme an, so könnte man es wohl ausdrücken«, antwortete Lorlen langsam. »In gewisser Weise.«
Osen nickte. »Das dachte ich mir. Ging es um seine Entscheidung, sich zu Soneas Mentor bestimmen zu lassen? Das jedenfalls vermuten einige Magier.«
»Ach ja?« Lorlen konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er war also zum Gegenstand des Geredes geworden.
— Nun? Er richtete seine Frage an den Ring.
— Die Antwort, die du in Erwägung ziehst, wird genügen.
Mit einem leisen Schnauben hob Lorlen den Kopf und warf Osen einen warnenden Blick zu. »Ich weiß, dass ich auf Eure Verschwiegenheit vertrauen kann, Osen. Spekulationen sind gut und schön, aber ich möchte nicht, dass die anderen etwas von der Meinungsverschiedenheit zwischen dem Hohen Lord und mir erfahren. Um Soneas willen.«
Osen nickte. »Ich verstehe. Ich werde es für mich behalten - und ich hoffe, ihr beide könnt eure Differenzen beilegen.«