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»Ich danke dir, Tania. Du darfst dich jetzt zurückziehen.«

»Schlaft gut«, sagte sie. Dann verbeugte sie sich und ging zur Tür hinüber.

»Warte.« Rothen straffte sich und musterte seine Dienerin eindringlich. »Würdest du…, könntest du…?«

Sie lächelte. »Ich werde Euch Bescheid geben, falls ich irgendetwas hören sollte.«

Er nickte. »Danke.«

Nachdem sie gegangen war, setzte er sich hin und mischte ein wenig von dem Pulver mit Wasser. Er zwang sich, das Gebräu in einem Zug auszutrinken, dann lehnte er sich zurück und wartete darauf, dass das Mittel seine Wirkung tat. Der Geschmack weckte in ihm die Erinnerung an ein Gesicht, von dem er manchmal glaubte, er habe es vergessen, und ein scharfer Stich des Schmerzes durchzuckte ihn.

Yilara, meine Frau. Selbst nach all dieser Zeit trauere ich immer noch um dich. Aber wahrscheinlich würde ich es mir niemals verzeihen, wenn ich damit aufhörte.

Er hatte sich vorgenommen, seine Frau stets so in Erinnerung zu behalten, wie sie vor der Krankheit gewesen war. Als glücklichere Gedanken in ihm aufstiegen, legte sich ein Lächeln über seine Züge.

Immer noch lächelnd, immer noch in seinem Sessel sitzend, versank er in einen friedlichen Schlaf.

24

Eine Bitte

Als Sonea das Badehaus verließ, dachte sie noch einmal über die vergangenen zwei Wochen nach und stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass sie dem Ende der Ferien mit einem gewissen Bedauern entgegensah. Sie hatte den größten Teil ihrer Zeit damit verbracht, die Universität zu erkunden oder zu lesen, und an wärmeren Tagen war sie durch den Wald zu der Quelle hinaufgewandert.

In mancher Hinsicht hatte sich nur wenig verändert. Wenn sie durch die Gilde ging, versuchte sie nach wie vor, jemandem auszuweichen. Begegnungen mit Akkarin ließen sich jedoch bei weitem leichter vermeiden als Zusammentreffen mit Regin. Akkarin sah sie ohnehin nur abends, wenn sie in die Residenz des Hohen Lords zurückkehrte.

Man hatte ihr inzwischen auch eine neue Dienerin zugewiesen. Im Gegensatz zu Tania wirkte Viola reserviert und unnahbar. Nachdem sie beobachtet hatte, dass Sonea eine Frühaufsteherin war, erschien sie jetzt immer kurz nach Sonnenaufgang. Sonea hatte mehrmals darum bitten müssen, bevor die Frau ihr endlich ein Glas Raka-Pulver brachte, und Violas Gesichtsausdruck, als der Duft Soneas Zimmer erfüllte, ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sie das anregende Getränk verabscheute, das die Hüttenbewohner so schätzten.

Jeden Morgen ging Sonea als Erstes zum Badehaus, wo sie in dem herrlich warmen Wasser schwelgte und sich überlegte, was sie den Tag über unternehmen würde. Vom Badehaus aus ging sie direkt in den Speisesaal. Die wenigen Novizen, die in der Gilde geblieben waren, wurden von einer verkleinerten Anzahl von Köchen und Dienern versorgt. Es gab insgesamt wenig zu tun für die Dienstboten, und teils aus Langeweile, teils um die Fühler nach möglichen künftigen Stellungen in einem der Häuser auszustrecken, ermutigten sie die Novizen, Wünsche zu äußern, was den Speiseplan betraf. Obwohl Sonea über keinerlei nützliche Verbindungen verfügte, verwöhnten die jüngeren Köche auch sie, was seinen Grund zweifellos in dem Incal auf ihrem Ärmel hatte.

Nach dem Essen schlenderte Sonea dann eine Weile durch die Flure der Universität, um sich den Plan einzuprägen, den sie bei einem ihrer früheren Erkundungsausflüge angefertigt hatte. Dabei hatte sie ein ganzes System geheimer Zimmer und Gänge entdeckt, die durch Schranktüren in völlig unscheinbaren Räumen zu erreichen und den Magiern allesamt offenbar wohlvertraut waren. Novizen hatten dort aber anscheinend nichts zu suchen - sie allerdings mit dem Incal des Hohen Lords konnte sich unbehelligt bewegen. Von Zeit zu Zeit setzte sie sich in einen der verlassenen Räume, schlug ein Buch auf und las bisweilen stundenlang, bevor sie sich wieder auf den Weg machte. Sobald der Abend dämmerte, kehrte jedoch langsam ihre Furcht zurück, bis sie sich nicht länger auf ihre Lektüre konzentrieren konnte. Akkarin hatte ihr keine feste Uhrzeit genannt, bis zu der sie sich in seiner Residenz einzufinden hätte. Doch wie spät sie auch zurückkam, der Hohe Lord war immer da und wartete auf sie. Nach einer Woche hatte sie sich schließlich mit dieser täglichen Begegnung abgefunden und kehrte früh genug zurück, um ausreichend Schlaf zu bekommen.

Gerade als sie sich an ihren neuen Tagesablauf gewöhnt hatte, gingen die Ferien zu Ende. Den größten Teil des vergangenen Nachmittags hatte sie an einem der Fenster der Universität verbracht und die Ankunft der Kutschen beobachtet. Wenn in der Gilde die gewohnte Betriebsamkeit herrschte, vergaß man leicht, dass auf dem Gelände auch Ehefrauen, Ehemänner und Kinder lebten. Sonea war bei dieser Gelegenheit bewusst geworden, wie wenige dieser Menschen sie mit Namen kannte. Also hatte sie sich vorgenommen, mehr über ihre zukünftigen Kollegen in Erfahrung zu bringen, und darauf geachtet, welche Familien zusammengehörten und welche Haus-Incals ihre Kutschen trugen.

Insgesamt war die Rückkehr der Magier recht zwanglos vonstatten gegangen. Während die Diener emsig Gepäck ins Haus getragen und Pferde versorgt hatten, hatten die Magier und ihre Familien in kleinen Gruppen beisammengestanden und geplaudert. Die Kinder waren in die Gärten gegangen, um im Schnee zu spielen, und die ausgelassenen Stimmen der Novizen waren selbst durch die Fenster der Universität gedrungen.

Heute jedoch hatten die Magier ihr Territorium wieder in Besitz genommen und eilten zielstrebig durch die Flure und Gänge, aber von den Familien, die sie am Vortag beobachtet hatte, war nichts mehr zu sehen. Dafür wimmelte es überall von Novizen.

Als Sonea sich jetzt der Universität näherte, kehrte auch das vertraute Unbehagen zurück. Obwohl sie davon überzeugt war, dass Regin es nicht wagen würde, sie als Schützling des Hohen Lords zu schikanieren, umgab sie sich vorsichtshalber mit einem Schutzschild. An der Treppe angekommen, bemerkte sie, dass der Novize vor ihr zitterte und sich immer wieder die Arme rieb. Ein Neuankömmling, vermutete sie. Lord Vorel hatte einmal erzählt, dass die Winternovizen stets schneller als ihre Mitstreiter aus dem Sommer lernten, sich mit einem Schild zu umgeben. Jetzt verstand sie auch, warum das so war.

»Das ist sie.«

»Wer?«

Einige Schüler hinter ihr hatten zu tuscheln begonnen. Sonea widerstand dem Drang, sich umzudrehen, während sie weiter die Treppe hinaufging.

»Das Hüttenmädchen.«

»Dann ist es also wahr?«

»Ja. Mutter sagt, es sei nicht recht. Sie sagt, es gäbe reichlich Novizen, die genauso stark seien wie sie. Novizen, die nicht von solch schlechter Herkunft sind.«

»Mein Vater findet, es sei eine Beleidigung für die Häuser - und selbst der Administrator war nicht…«

Mehr verstand Sonea nicht, da sie in den Flur im ersten Obergeschoss eingebogen war. Sie blieb einen Moment stehen, um einen Blick auf die Novizen vor ihr zu werfen, dann setzte sie ihren Weg fort. Anders als an dem Tag, an dem Akkarin sie zu seiner Novizin gemacht hatte, starrten sie sie nicht an. Stattdessen sahen sie nur kurz in ihre Richtung, runzelten die Stirn und wandten sich dann wieder ab.

Das ist nicht gut, dachte sie.

Als sie sich ihrem Klassenzimmer näherte, verstärkte sich ihr Unbehagen. Sie blieb einen Moment lang in der Tür stehen, um tief durchzuatmen, dann trat sie ein. Der Lehrer, der am Pult stand, war überraschend jung. Sein eigener Universitätsabschluss konnte noch nicht viele Jahre zurückliegen. Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Stundenplan, um seinen Namen zu ermitteln.

»Lord Larkin«, sagte sie und verbeugte sich.

Zu ihrer Erleichterung lächelte er. »Setz dich, Sonea.«

Bisher war erst die Hälfte der anderen Novizen erschienen. Einige beobachteten sie, als sie zu ihrem gewohnten Platz am Fenster hinüberging. Ihre Mienen waren nicht freundlich, aber auch nicht missbilligend. Das Unbehagen verebbte langsam.

Larkin erhob sich. Als er sich ihrem Pult näherte, seufzte Sonea. Zweifellos würde er wünschen, dass sie sich einen Platz weiter vorn suchte.