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»Der Hohe Lord hat mich gebeten, dir auszurichten, dass er dich nach der nächsten Stunde zu sehen wünscht«, sagte er leise. »Du sollst in seine Residenz kommen.«

Sonea spürte, wie alle Wärme aus ihrem Gesicht wich. Da sie befürchtete, dass sie bleich geworden war, senkte sie den Kopf und hoffte, dass Larkin es nicht bemerkt hatte. »Vielen Dank, Mylord.«

Larkin kehrte zu seinem Pult zurück. Sonea schluckte. Was wollte Akkarin? Erschreckende Bilder stiegen in ihr auf, und als Larkin kurz darauf das Wort an die Klasse richtete, zuckte sie heftig zusammen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich inzwischen auch die restlichen Novizen eingefunden hatten.

»Die Geschichte der magischen Baukunst ist lang«, begann Larkin. »Einige Teile sind unerträglich trocken, aber davon werde ich so viele wie möglich überspringen. Stattdessen werden wir uns zuerst der Geschichte Lord Lorens zuwenden, des Architekten, der die Universität entworfen hat.«

Bei dem Gedanken an die Karte, die sie von den Fluren der Universität gezeichnet hatte, richtete Sonea sich auf ihrem Stuhl auf. Diese Stunde versprach, interessant zu werden. Larkin nahm einige Papiere von seinem Pult und verteilte sie an die Klasse.

»Dies ist ein grober Plan des Grundrisses der Universität - die Kopie einer Zeichnung, die Loren selbst angefertigt hat«, fuhr Larkin fort. »Lord Lorens frühe Arbeiten waren häufig nicht standfest und sahen obendrein lächerlich aus. Man betrachtete ihn als einen Künstler, der besessen war von großen, unpraktischen Bauwerken. Aber seine Entdeckung der Methoden zur Bearbeitung von Stein mithilfe von Magie hat mehr verändert als nur die Architektur. Irgendwann begann er, Häuser zu bauen, die den Menschen gefielen und in denen sie gern lebten.« Larkin deutete mit der Hand auf die Decke. »Die Universität ist eins seiner schönsten Bauwerke. Als Lord Loren den Auftrag bekam, die neuen Gebäude der Gilde zu entwerfen, war er bereits in der ganzen Welt berühmt für sein Werk.« Larkin lachte leise. »Die Gilde fühlte sich dennoch bemüßigt, an ihrer Vorgabe festzuhalten, dass er für seine Entwürfe keine Spiralen verwenden dürfe - etwas, das er bekanntermaßen im Überfluss zu tun pflegte. Dennoch lassen sich in der Glasdecke über der Gildehalle und in den Treppenaufgängen zur Eingangshalle Spiralen finden«, erklärte Larkin. »Aus den Tagebüchern und Chroniken anderer Magier jener Epoche wissen wir, dass Lord Loren, gelinde gesagt, von hinterhältigem Charakter war. Über hundert Jahre später schrieb ein Magier namens Lord Rendo ein Buch, in dem er genau über die Laufbahn des Architekten berichtet. Ich habe euch außer dem Plan selbst einige Auszüge aus dieser Biografie und eine Chronologie seines Lebens und seiner Werke kopieren lassen. Lest euch diese Unterlagen nun bitte durch. Nach dem Unterricht werdet ihr vielleicht den Wunsch haben, euch die Gebäude anzusehen, die Loren entworfen hat. Ihr werdet dabei, genau wie ich seinerzeit, viele Dinge entdecken, die euch zuvor nicht aufgefallen sind. Ich möchte in genau drei Wochen einen Aufsatz über dieses Thema haben.«

Während die anderen Novizen zu lesen begannen, betrachtete Sonea den Plan der Universität. Die vier Türme an den Ecken und der riesige Saal in der Mitte waren deutlich zu erkennen, ebenso wie der Entwurf der Glasdecke, aber die Räume und Flure zu beiden Seiten des Hauptkorridors waren nicht eingezeichnet.

Sie nahm ihren Plan heraus und legte ihn neben den, den Larkin ihr gegeben hatte. Dann machte sie sich daran, den Deckenentwurf in ihre eigene Zeichnung zu übertragen. Wie sie vermutet hatte, trafen die Linien, die die Spiralen in dem Glas bildeten, mit denen der Flure zusammen. Und obwohl die Flure rechteckig angelegt waren, setzten sie doch eindeutig die Spiralen des Daches fort.

»Was machst du da, Sonea?«

Als sie bemerkte, dass der Lehrer vor ihrem Pult stand, schoss ihr die Röte ins Gesicht.

»Ich… ich habe über Eure Bemerkungen über die Spiralen nachgedacht, Mylord«, erklärte sie, »und versucht, sie zu finden.«

Larkin legte den Kopf schräg und betrachtete ihre Zeichnung, dann deutete er auf die geheimen Gänge, die sie markiert hatte. »Ich habe die Pläne der Universität viele Male studiert, aber ich habe noch nie so viele Flure gesehen. Woher hast du diesen Plan?«

»Ich habe ihn selbst gezeichnet. Ich hatte während der Ferien nicht viel anderes zu tun. Ich hoffe, ich bin nicht irgendwo hingegangen, wo ich nicht hätte sein dürfen.«

Er schüttelte den Kopf. »Die einzigen Räume der Universität, zu denen Novizen keinen Zutritt haben, sind die Gildehalle und das Büro des Administrators.«

»Aber… was ist mit den Räumen zwischen den normalen Fluren und den versteckten? Ich hatte den Eindruck, dass sie eine Art Sperre bilden.«

Larkin nickte. »In der Vergangenheit waren diese Flure versperrt, aber als die Gilde nach und nach mehr Platz benötigte, hat man beschlossen, die inneren Bereiche allgemein zugänglich zu machen. Hättest du etwas dagegen, wenn ich mir eine Kopie deines Planes machen würde?«, fragte Larkin.

»Wenn Ihr es wünscht, könnte ich das für Euch erledigen«, bot sie an.

Er lächelte. »Vielen Dank, Sonea.«

Als er sich abwandte, sah Sonea ihm nachdenklich nach. Sie hatte weder Missbilligung noch Verachtung in seinem Benehmen ihr gegenüber entdecken können, anders als sie es von den übrigen Lehrern gewohnt war. Würden ihr in Zukunft nur noch die Novizen mit Feindseligkeit begegnen? Sie sah sich im Raum um, und mehrere ihrer Mitschüler drehten den Kopf weg. Nur einer von ihnen hielt ihrem Blick stand.

Regin. Sonea wandte sich schaudernd ab. Womit hatte sie sich nur solch unverhohlenen Hass verdient?

Jedes Mal, wenn sie im Unterricht eine gute Leistung vollbracht hatte, war es Regin gelungen, mit ihr gleichzuziehen oder sie sogar zu übertreffen. In den Kriegskünsten war er ihr überlegen, und wenn sein Ziel tatsächlich darin bestand, besser abzuschneiden als sie, würde er diesen Wettbewerb für sich entscheiden können.

Jetzt jedoch hatte sie eine Auszeichnung errungen, die er niemals übertreffen konnte. Der Hohe Lord hatte sie zu seinem Schützling gemacht. Und um die Dinge noch zu verschlimmern, wagte er es nicht, sie dafür leiden zu lassen.

Sie seufzte. Er wäre nicht gar so eifersüchtig, wenn er wüsste, was wirklich im Gange ist. Ich würde jederzeit mit ihm tauschen. Er würde Todesängste ausstehen

Oder irrte sie sich da? Regin war ein Mensch, dem es offenkundig Vergnügen bereitete, Macht und Einfluss zu haben, und er schreckte nicht davor zurück, anderen Schaden zuzufügen, um seine Ziele zu erreichen. Würde er den Verlockungen der schwarzen Magie widerstehen können? Nein, wahrscheinlich hätte er sich vielmehr Akkarin angeschlossen. Sie schauderte. Regin als schwarzer Magier. Dieser Gedanke war wahrhaft erschreckend.

Als Dannyl das Gildehaus betrat, kam Botschafter Errend gerade aus dem Audienzzimmer geschlendert.

»Willkommen in Capia, Botschafter Dannyl.«

»Vielen Dank, Botschafter Errend«, erwiderte Dannyl und neigte höflich den Kopf. »Es ist schön, wieder da zu sein. Falls ich es mir jemals wieder in den Kopf setzen sollte, um die Welt zu segeln, erinnert mich bitte an die beiden vergangenen Wochen.«

Der Botschafter lächelte. »Ah, Seereisen verlieren ihren romantischen Reiz im Allgemeinen recht schnell.«

Dannyl schnitt eine Grimasse. »Vor allem wenn man in einen Sturm gerät.«

Dannyl meinte, einen Anflug von Selbstgefälligkeit in den Zügen des anderen Mannes zu entdecken. »Nun, jetzt habt Ihr ja wieder festen Boden unter den Füßen«, bemerkte der Botschafter. »Zweifellos werdet Ihr Euch für den Rest des Tages ausruhen wollen. Ihr könnt mir heute Abend von Euren Abenteuern erzählen.«

»Habe ich viel verpasst?«

»Natürlich.« Errend lächelte. »Schließlich sind wir hier in Capia.« Er machte einen Schritt zurück in Richtung Audienzzimmer, dann blieb er noch einmal stehen. »Vor zwei Tagen sind Briefe für Euch angekommen. Wollt Ihr sie sofort lesen oder bis morgen warten?«