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Dannyl, der trotz seiner Erschöpfung neugierig war, nickte. »Lasst sie mir auf mein Zimmer schicken. Und vielen Dank, Botschafter.«

Der beleibte Mann neigte den Kopf, dann wandte er sich ab. Während Dannyl durch den Hauptflur des Hauses ging, dachte er über die ihn erwartende Arbeit nach. Er vermutete, dass einiges liegen geblieben war, und er musste einen Bericht für Lorlen verfassen. Es würde nicht einfach sein, die Zeit für einen Besuch in der Großen Bibliothek abzuzweigen.

Aber seine Nachforschungen würden dennoch gut gedeihen. Unter den Briefen befand sich vermutlich auch die Einladung zu Bel Arralades Fest. Er musste sich eingestehen, dass er sich darauf freute. Schließlich war es schon eine ganze Weile her, seit er zum letzten Mal sein Geschick im Sammeln von Klatsch und Tratsch zur Anwendung hatte bringen können.

Als er aus dem kleinen Badehaus auf dem Grundstück der Gilde zurückkehrte, fand er auf seinem Schreibtisch einen Stapel mit Briefen vor. Er setzte sich hin, breitete die Post aus und erkannte sofort die elegante Handschrift von Administrator Lorlen.

Nachdem er das Siegel gebrochen hatte, faltete er den dicken Bogen Papier auseinander und begann zu lesen.

An den zweiten Botschafter der Gilde in Elyne, Dannyl, aus der Familie Vorin und dem Haus Tellen.

Man hat mir unlängst zur Kenntnis gebracht, dass gewisse Leute glauben, Ihr würdet weniger Zeit auf Eure diplomatischen Pflichten verwenden als auf Eure »persönlichen« Nachforschungen. Ich danke Euch für die Mühen, die Ihr auf Euch genommen habt, um meiner Bitte nachzukommen. Die Arbeit, die Ihr bisher geleistet habt, ist von unschätzbarem Wert für mich. Um jedoch weiteren diesbezüglichen Anfragen vorzubeugen, muss ich Euch bitten, Eure Nachforschungen einzustellen. Weitere Berichte werden nicht notwendig sein.

Administrator Lorlen.

Dannyl ließ den Brief auf den Tisch fallen und starrte ihn überrascht an. All die Reisen und das langwierige Studium etlicher Bücher sollten umsonst gewesen sein, nur weil einige Narren redeten? Offensichtlich waren seine Nachforschungen nicht so wichtig gewesen, wie er angenommen hatte.

Dann lächelte er. Zu Anfang hatte er Lorlens Auftrag nur aus Pflichtbewusstsein erfüllt. Wann immer ihm besonders langweilige alte Bücher untergekommen waren oder ihm die Unbilden des Reisens zur See geplagt hatten, war seine Begeisterung von dem Gedanken aufrechtgehalten worden, dass es einen wichtigen Grund geben müsse, die Reisen des Hohen Lords nachzuvollziehen. Vielleicht hatte Akkarin kurz davor gestanden, eine wertvolle Methode der Anwendung von Magie zu entdecken, und Lorlen wünschte deshalb, dass ein anderer seine Forschungen fortsetzte. Vielleicht gab es ein verloren gegangenes Stück Geschichte wiederzufinden.

Aber nun hatte Lorlen mit wenigen hingekritzelten Zeilen den Nachforschungen ein Ende gemacht, als seien sie völlig ohne Belang gewesen. Kopfschüttelnd faltete Dannyl den Brief zusammen und legte ihn beiseite. Tayend würde enttäuscht sein, ging es ihm durch den Kopf. Sie hatten jetzt keinen Grund mehr, Bel Arralades Fest zu besuchen. Nicht dass dieser Umstand sie davon abgehalten hätte, der Einladung Folge zu leisten - und er würde seinen Freund nach wie vor in der Bibliothek besuchen. Ohne Lorlens Auftrag als Vorwand würde er einen anderen »öffentlichen« Grund finden müssen, um mit dem Gelehrten zu reden… vielleicht ein anderes Thema, das es zu erforschen galt…

Mit einem Mal stutzte Dannyl. War Tayend vielleicht der Grund, warum Lorlen die Nachforschungen einstellte? Waren Lorlen Gerüchte über Tayend zu Ohren gekommen, und machte er sich nun Sorgen, dass Dannyls Ruf einmal mehr Schaden erleiden könnte?

Stirnrunzelnd betrachtete Dannyl den Brief des Administrators. Woher sollte er wissen, ob dies der wahre Grund war? Er konnte Lorlen kaum danach fragen.

Ein anderer Brief, der ebenfalls das Symbol der Gilde trug, erregte seine Aufmerksamkeit. Er nahm ihn zur Hand und lächelte, als er Rothens kraftvolle Handschrift erkannte. Er brach das Siegel und begann zu lesen.

An Botschafter Dannyl.

Ich weiß nicht, wann Du diese Zeilen lesen wirst, da Du, wie ich höre, andere Länder besucht hast. Zweifellos machst Du Dich gerade mit den Völkern vertraut, mit denen Du es in Zukunft von Berufs wegen zu tun haben wirst. Wenn ich geahnt hätte, dass zu den Pflichten eines Botschafters auch Reisen um die Welt gehören, hätte ich vielleicht schon vor Jahren meine Laufbahn als Lehrer beendet. Wenn Du uns das nächste Mal besuchst, wirst Du gewiss viele Geschichten zu erzählen haben.

Auch ich habe Neuigkeiten, obwohl sie Dir vielleicht bereits zu Ohren gekommen sind. Ich bin nicht länger Soneas Mentor. Der Hohe Lord hat sie persönlich unter seine Fittiche genommen. Während andere der Meinung sind, dies sei ein außergewöhnliches Glück für Sonea, bin ich selbst nicht glücklich über diese Entwicklung. Du wirst gewiss begreifen, warum. Nun muss ich nicht nur auf ihre Gesellschaft verzichten, ich habe obendrein das Gefühl, eine Arbeit unvollendet gelassen zu haben.

Deshalb habe ich mir auf Yaldins Rat hin ein neues Betätigungsfeld als Ersatz für das alte gesucht. Es wird Dich zweifellos erheitern zu erfahren, dass ich beschlossen habe, ein Buch über alte magische Praktiken zu verfassen. Es ist eine Aufgabe, die Akkarin vor zehn Jahren in Angriff genommen hatte, und ich bin fest entschlossen, sie zu vollenden.

Soweit ich mich erinnere, hat Akkarin seine Forschungen in der Großen Bibliothek begonnen. Da Du ganz in der Nähe dieser Bibliothek lebst, dachte ich, ich könnte Dich vielleicht bitten, sie einmal für mich aufzusuchen. Wenn Du keine Zeit dafür hast, kennst Du vielleicht irgendjemanden, dem man eine solche Aufgabe anvertrauen könnte? Die Angelegenheit würde überdies sehr diskret behandelt werden müssen, da ich dem Hohen Lord nicht den Eindruck vermitteln will, ich zöge Erkundigungen über seine Vergangenheit ein! Es wäre jedoch höchst befriedigend, Erfolg zu haben, wo er gescheitert ist. Ich weiß, dass Dir die Ironie dieser Situation gefallen wird.

In Freundschaft, Lord Rothen.

PS: Dorrien war für einige Wochen zu Besuch hier. Er hat mich gebeten, Dir in seinem Namen zu gratulieren und Dir seine besten Wünsche zu übermitteln.

Dannyl las den Brief ein zweites Mal, dann lachte er leise. Er hatte es noch nie erlebt, dass Rothen mit irgendeiner Aufgabe gescheitert war, die er einmal ins Auge gefasst hatte. Vor allem dort, wo seine »Interessen« sich auf die Novizen bezogen, deren Mentor er gewesen war. Der Verlust Soneas an den Hohen Lord musste ihn böse getroffen haben.

Andererseits konnte man es wohl kaum als Fehlschlag betrachten, dass Akkarin Sonea in seine Obhut genommen hatte. Ohne Rothens Bemühungen um das Mädchen hätte Sonea wahrscheinlich nicht die Aufmerksamkeit des Hohen Lords erregt. Dannyl nahm sich vor, diesen Umstand in seiner Antwort zu erwähnen.

Er überflog den Brief noch einmal und verweilte an der Stelle, an der Rothen ihn um seine Hilfe bat. Er wusste die Ironie des Ganzen tatsächlich zu schätzen, aber noch erheiternder fand er die Tatsache, dass Rothen um dieselben Informationen bat, an denen Lorlen nach eigenem Bekunden soeben jedes Interesse verloren hatte. Ein bemerkenswerter Zufall.

Dannyl griff noch einmal nach Lorlens Brief, und als er die beiden Schreiben miteinander verglich, stellten sich mit einem Mal die feinen Härchen in seinem Nacken auf. War das wirklich Zufall? Er hielt die beiden Briefe nebeneinander und verglich die hastig hingekritzelten Bemerkungen Lorlens mit den wohlgesetzten Worten seines Freundes. Was war da im Gange?

Wenn er alle Spekulationen beiseite ließ, blieben nur drei Dinge übrig, die mit Gewissheit feststanden. Erstens: Lorlen hatte vor einiger Zeit wissen wollen, was Akkarin auf seiner Reise herausgefunden hatte, und nun wollte er es plötzlich nicht mehr wissen. Zweitens: Rothen wollte jetzt dieselben Informationen, nach denen Akkarin gesucht hatte. Drittens: Sowohl Lorlen als auch Rothen hatten ihn um Verschwiegenheit in dieser Angelegenheit gebeten, und Akkarin selbst hatte seine Entdeckungen niemals preisgegeben.