Dems und Bels aller Altersstufen waren zugegen, darunter einige Magier. Kinder, die Miniaturversionen der Kleidung der Erwachsenen trugen, tollten im Raum herum. Überall standen in Gelb gekleidete Diener und boten Tabletts mit kleinen Leckerbissen oder Weingläser an.
»Was für eine bemerkenswerte Frau diese Bel Arralade sein muss«, murmelte Dannyl. »Wenn man so viele Mitglieder der kyralischen Häuser an einem Ort versammelte - außerhalb des Hofes -, würden binnen einer halben Stunde Schwerter gezückt werden.«
»Ja«, stimmte Errend ihm zu. »Aber auch heute Abend wird man Waffen zücken, Dannyl. Wir Elyner finden, dass Worte schärfer schneiden als Schwerter. Und sie ruinieren die Möbel nicht.«
Eine prächtige Treppe führte zu einem Balkon hinauf, der um den ganzen Raum herum verlief. Als Dannyl aufblickte, sah er, dass Tayend ihn vom Geländer aus beobachtete. Der Gelehrte verneigte sich gemessen. Dannyl widerstand der Versuchung, diese Förmlichkeit mit einem Lächeln zu beantworten, und neigte seinerseits nur kurz den Kopf.
Neben Tayend stand ein muskulöser junger Mann, der das Geschehen aufmerksam verfolgte. Als er Dannyl in der Menge bemerkte, weiteten sich die Augen des Mannes vor Überraschung, und er wandte hastig den Blick ab.
Dannyl drehte sich wieder zu Errend um. Der Botschafter nahm sich soeben einen Leckerbissen von einem der Tabletts, die die Diener herumreichten.
»Ihr solltet unbedingt einmal davon kosten«, drängte ihn Errend. »Sie sind unübertrefflich!«
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Dannyl, nachdem er sich eine der kleinen Pasteten zu Gemüte geführt hatte.
»Wir mischen uns unter die Gäste. Bleibt an meiner Seite, dann werde ich Euch mit allerlei wichtigen Leuten bekannt machen.«
Also folgte Dannyl dem Botschafter während der nächsten Stunden durch den Raum und versuchte, sich Namen und Titel einzuprägen. Errend hatte ihn vorgewarnt, dass es kein formelles Essen geben würde, da es derzeit in Capia Mode sei, den Gästen nur kleine Delikatessen zu reichen. Dannyl bekam ein Weinglas, und es wurde so regelmäßig aufgefüllt, dass er es schließlich, um einen klaren Kopf zu behalten, auf eins der Tabletts stellte.
Als eine Frau in einem kunstvoll gearbeiteten gelben Kleid auf sie zutrat, wusste Dannyl sofort, dass dies die Gastgeberin war. Auf dem Porträt, das er sich zur Vorbereitung auf seine neue Position angesehen hatte, war ihre Haut nicht so faltig gewesen, aber ihr klarer, wachsamer Blick sagte ihm, dass sie noch immer die bemerkenswerte Bel war, von der er so viel gehört hatte.
»Botschafter Errend«, sagte sie mit einer knappen Verbeugung. »Und dies muss Botschafter Dannyl sein. Ich möchte mich dafür bedanken, dass Ihr mir die Ehre erweist, mein Fest zu besuchen.«
»Wir haben für die Einladung zu danken«, erwiderte Errend und neigte den Kopf.
»Ich könnte kein Fest feiern, ohne die Gildebotschafter auf meine Gästeliste zu setzen«, sagte sie lächelnd. »Magier sind stets die wohlerzogensten und unterhaltsamsten Gäste von allen.« Sie wandte sich an Dannyl. »Also, Botschafter Dannyl, habt Ihr Euren bisherigen Aufenthalt in Capia genossen?«
»Ganz gewiss«, antwortete Dannyl. »Capia ist eine wunderschöne Stadt.«
Nachdem sie eine Weile höfliche Konversation betrieben hatten, gesellte sich eine Frau zu ihnen und verwickelte Errend in ein Gespräch. Bel Arralade erklärte, dass ihre Füße bereits schmerzten, und zog Dannyl zu einer Bank in einer Nische hinüber.
»Wie ich höre, interessiert Ihr Euch für alte Magie«, bemerkte sie.
Dannyl sah sie überrascht an. Obwohl er und Tayend das Thema ihrer Nachforschungen mit niemandem außer dem Bibliothekar Irand erörtert hatten, war nicht auszuschließen, dass im Laufe ihrer Reisen irgendjemand davon Notiz genommen hatte. Oder glaubte Tayend, dass Geheimhaltung nicht mehr notwendig sei, da sie nicht länger Informationen für Lorlen zusammentrugen, sondern Rothen bei seinem Buch »halfen«?
Falls dem so war, hätte er nur den Argwohn der Bel Arralade erregt, wenn er es bestritt.
»Ja«, erwiderte er. »Alte Magie zählt zu meinen besonderen Interessen.«
»Habt Ihr irgendwelche neuen, faszinierenden Entdeckungen gemacht?«
Er zuckte die Achseln. »Nichts besonders Aufregendes. Nur eine Menge Bücher und Schriftrollen in alten Sprachen.«
»Aber seid Ihr nicht vor kurzem nach Lonmar und Vin gereist? Dort müsst Ihr doch gewiss viele interessante Geschichten zusammengetragen haben.«
Er beschloss, seine Antwort möglichst unbestimmt zu halten. »Die Dinge, die ich in Lonmar und Vin zu sehen bekommen habe, waren nicht viel aufregender als die modrigen alten Bücher, die ich zuvor gelesen hatte. Ich fürchte, ich würde Euch mit den Einzelheiten nur langweilen - und was würden die Leute sagen, wenn der neue Botschafter seine Gastgeberin bei ihrem eigenen Fest zu Tode langweilt?«
»Das muss natürlich um jeden Preis vermieden werden.« Sie lachte, dann trat ein träumerischer Ausdruck in ihre Augen. »Ah, aber das Thema bringt angenehme Erinnerungen zurück. Vor vielen Jahren war Euer Hoher Lord aus dem gleichen Grund hier in Capia. Er war ein so gut aussehender Mann. Damals war er natürlich noch nicht Hoher Lord. Er konnte stundenlang über alte Magie reden, und ich habe ihm zugehört, nur um ihn derweil bewundern zu können.«
War das also der Grund ihres Interesses? Dannyl kicherte. »Zu Eurem Glück weiß ich, dass ich nicht annähernd attraktiv genug bin, um Euch für weitschweifige Vorträge über meine Nachforschungen zu entschädigen.«
Sie lächelte strahlend. »Nicht attraktiv genug? Da bin ich anderer Meinung. Und viele Leute würden sich mir da anschließen.« Sie hielt inne, und ihre Miene wurde plötzlich nachdenklich. »Aber Ihr dürft nicht glauben, der Hohe Lord sei unhöflich gewesen. Natürlich hat er nicht stundenlang über alte Magie geredet, obwohl ich ihm zweifellos gern zugehört hätte. Er ist zu meiner Geburtstagsfeier gekommen, aber er war kaum aus Vin zurückgekehrt, als er auch schon wieder in die Berge aufbrach, und seither habe ich ihn nie wieder gesehen.«
Die Berge? Das war Dannyl neu. »Soll ich ihn von Euch grüßen, Bel?«, erbot er sich.
»Oh, ich bezweifle, dass er sich an mich erinnern wird«, entgegnete sie.
»Unsinn! Kein Mann kann eine schöne Frau vergessen, selbst wenn er sie nur flüchtig kennen gelernt hat.«
Sie lächelte kokett und gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm. »Oh, Ihr gefallt mir, Botschafter Dannyl. Und jetzt verratet mir eins: Was haltet Ihr von Tayend von Tremmelin? Er hat Euch auf diesen Reisen begleitet, nicht wahr?«
Dannyl, der sich ihres forschenden Blickes nur allzu bewusst war, dachte über die verschiedenen Antworten nach, die er sich zusammen mit Tayend zurechtgelegt hatte.
»Mein Assistent? Er war mir von großem Nutzen. Er verfügt über ein erstaunliches Gedächtnis, und seine Sprachkenntnisse sind beeindruckend.«
Sie nickte. »Aber was haltet Ihr von ihm persönlich? War er Euch ein angenehmer Gesellschafter?«
»Ja.« Dannyl schnitt eine Grimasse. »Obwohl ich sagen muss, dass das Reisen ihm nicht gut bekommen ist. Ich habe noch nie jemanden so seekrank gesehen.«
Sie zögerte. »Es heißt, er habe einige ungewöhnliche Neigungen. Einige Leute, vor allem die Damen, finden, dass er ein wenig… desinteressiert ist.«
Dannyl nickte langsam. »Wenn man seine Tage unter der Erde verbringt, umringt von Büchern in toten Sprachen, übt man wohl keinen besonders großen Reiz auf die Damenwelt aus.« Er warf ihr einen berechnenden Blick zu. »Wollt Ihr Euch als Kupplerin versuchen, Bel Arralade?«
Sie lächelte geziert. »Und wenn es so wäre?«
»Dann sollte ich Euch warnen, dass ich Tayend nicht gut genug kenne, um Euch von Nutzen zu sein. Falls er eine bestimmte Dame im Sinn hat, so hat er mich nicht ins Vertrauen gezogen.«
Wieder zögerte sie. »Dann sollten wir ihn wohl gewähren lassen«, sagte sie nickend. »Ah, da ist ja Dem Dorlini. Ich hatte gehofft, dass er kommen würde, da ich einige Fragen an ihn habe.« Sie erhob sich. »Es war mir eine Freude, Euch kennen zu lernen, Botschafter Dannyl. Ich hoffe, dass wir uns bald einmal wieder begegnen werden.«