»Ich ... ich dachte, dass ich Danny mitnehme. Sergeant Miller sagte, er würde ihm den Polizeiwagen zeigen.«
Liz ging vor mir und drehte den Kopf um, während sie die Nase rümpfte. »Laaaaaaangweilig! Danny will bestimmt nicht den Nachmittag mit einer ganzen Horde Bullen verbringen.«
»Ihn interessiert so etwas.«
In dem Augenblick betrat Danny die Küche, während er noch immer mit Pickerings Schlüsseln spielte.
»Dein alter Herr muss zur Polizei gehen«, sagte Liz und legte den Arm um seine Schultern. »Sollen wir nicht währenddessen nach Ventnor spazieren und Süßigkeiten kaufen? Danach bauen wir eine riesige Sandburg, setzen uns hinein und essen tonnenweise Süßes, bis wir keinen Hunger mehr aufs Abendessen haben.«
»Ich hatte eigentlich gehofft, dass du mit mir mitkommst«, sagte ich. »Sergeant Miller sagte, er wolle dir einen richtigen Polizeiwagen zeigen.«
»Und dann?«, fragte Danny.
»Und dann ... dann muss ich mit ihm noch ein paar Dinge durchsprechen. Das wird nicht allzu lange dauern.«
Ich wünschte, mir wäre eine bessere Lüge eingefallen, aber ich hatte mir bereits ein Bein gestellt. Ich konnte mir genau vorstellen, was in Dannys Kopf ablief. Er überlegte, ob er mit seinem Vater in einem muffigen Büro einen langweiligen Nachmittag verbringen oder ob er Süßigkeiten haben und am Strand spielen wollte.
Liz legte ihren Kopf schräg. »Du musst dir keine Sorgen machen, David. Ich werde schon auf ihn aufpassen.«
»Bitte, Daddy«, bettelte Danny und ließ mir keine andere Wahl, als schulterzuckend einzuwilligen.
Ich warf Liz rasch einen prüfenden Blick zu, ob ihr Gesicht irgendetwas Bösartiges, Zufriedenes oder Gieriges erkennen ließ, doch sie sah aus wie immer, und für einen Moment fühlte ich mich schuldig, dass ich an ihr zweifelte. Nur die Schlüssel sprachen einen andere Sprache.
Als Detective Sergeant Miller ankam, sah er ungeduldig und gerötet aus. Am Nachmittag war es fast unerträglich heiß geworden. »Sind Sie so weit?«, fragte er und blickte auf seine Armbanduhr, als hätte ich gerade etwas Impertinentes gesagt.
»Ja. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich weiß, dass das sehr an den Haaren herbeigezogen klingt.«
Er ging um seinen Wagen und öffnete die Tür. »An den Haaren herbeigezogen? Das trifft es nicht mal annähernd. Völlig verrückt, das klingt besser. Sie lassen sich von diesem Haus ins Bockshorn jagen. Nächstes Mal rufen Sie mich an und erzählen mir, Sie hätten Satan persönlich gesehen.«
»Das glaube ich nicht«, antwortete ich und versuchte, ganz neutral zu klingen, während er zurücksetzte und um Pickerings Renault herumfuhr.
»Ist der Reverend noch nicht gekommen, um seinen Wagen abzuholen?«
»Er hatte den Schlüssel verloren«, antwortete ich. »Er wollte nach Hause gehen und den Ersatzschlüssel holen. Aber bislang habe ich ihn nicht wieder gesehen.«
»Sonderbar«, sagte Miller. »Er braucht seinen Wagen für seine Runde.«
»Vielleicht hat er den Wagen seiner Frau genommen.«
»Der ist in der Werkstatt. Sie hatte letzte Woche einen Unfall auf dem Parkplatz in Ventnor.«
»Wurde jemand verletzt?«
Miller schüttelte den Kopf. »Mrs. Pickering selbst wäre beinahe verletzt worden. Sie hat einen Einkaufswagen gerammt und die Einkäufe für eine ganze Woche platt gefahren.«
Ich drehte mich um, während wir Fortyfoot House hinter uns ließen. Liz und Danny standen auf der Veranda und winkten uns nach. Aber da winkte noch jemand. Hinter einem Fenster der Schlafräume oben unter dem Dach glaubte ich, Charity zu sehen. Ihr Gesicht hatte den Ausdruck von Angst und Verzweiflung. Und sie winkte nicht zum, Abschied, sondern um. Hilfe! Um Himmels willen!
»Halten Sie an!«, rief ich.
»Was?«, fragte Miller, der gerade auf die Straße gefahren war.
»Halten Sie bitte an! Ein Stück zurück ... das reicht. Ich muss etwas sehen.«
Ungeduldig tat Miller, worum ich ihn bat. Ich starrte zu dem Fenster, an dem ich Charity gesehen hatte, aber jetzt war von ihr nichts mehr zu sehen.
»Schon gut«, sagte ich schließlich. »Vielleicht haben Sie Recht, vielleicht lasse ich mich von dem Haus wirklich ins Bockshorn jagen.«
»Es würde mich nicht überraschen«, meinte Miller und fuhr erneut los.
»Wie hörte sich Mrs. Pickering an, als sie bei Ihnen anrief?«, fragte ich.
»Ich glaube, sie klang ganz normal. Um ehrlich zu sein, habe ich darauf nicht wirklich geachtet.«
»Hat sie Ihnen gesagt, was ihr Mann die ganze Nacht getrieben hat?«
Miller bremste ab, da die Hauptstraße unseren Weg kreuzte. »Wenn ein Ehemann die ganze Nacht über nicht zu Hause ist - und vor allem, wenn es ein Vikar ist -, dann stellen wir nicht so viele unangenehme Fragen. Ist nicht unser Job.«
Nachdem er auf die Hauptstraße eingebogen war, sagte er: »Ihnen ist doch klar, dass wir uns vollkommen zum Narren machen können.«
»Ich glaube das nicht«, erwiderte ich. »Ich versuche, mir einzureden, dass Pickering nicht wie Brown Jenkin aussah, aber es war einfach so. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Die Zähne, die Haare, alles. Kein Zweifel.«
Miller trat mit aller Kraft auf die Bremse und lenkte den Wagen an den Straßenrand. Der Lastwagen hinter ihm hupte wie wild, während Miller sein Fenster herunterkurbelte und schrie: »Du mich auch!«
Dann wandte er sich wieder mir zu. »Sie glauben wirklich, dass es nicht Reverend Pickering war?«
Ich nickte, während mein Mund trocken wurde. Vielleicht hatte ich Miller doch nicht so sehr auf meiner Seite, wie ich gedacht hatte. »Wie gesagt, es war nur für den Bruchteil einer Sekunde. Wenn ich in dem Moment gezwinkert hätte, wäre es schon wieder vorüber gewesen.«
»Und wenn er die Tür öffnet und völlig normal ist?«
»Keine Ahnung. Wir sollten einfach nachsehen, ob Mrs. Pickering in Ordnung ist.«
Miller überlegte einen Moment lang, dann ließ er den Wagen wieder an und fädelte sich ohne zu blinken in den fließenden Verkehr ein, was erneut zu einem Hupkonzert und wüsten Beschimpfungen führte.
Wir erreichten das Vikariat, und Miller fuhr in die Einfahrt. Dort stand nur ein altes in Schwarz lackiertes Fahrrad, das gegen die Veranda gelehnt war. Die Katze der Pickerings hatte es sich auf dem Sattel bequem gemacht und beobachtete uns aus den Augenwinkeln, während wir zur Tür gingen und klingelten. Niemand reagierte, also klingelte ich nochmals. Ich konnte das Echo der Klingel im Flur hören.
»Sie könnte jetzt natürlich einkaufen«, sagte Miller. »Und der Reverend kann überall sein. Er macht Krankenhausbesuche, sieht nach den alten Leuten und so weiter.«
Ich dachte, dass ich als alter Mensch ganz bestimmt nicht von Brown Jenkin besucht werden wollte. Miller beugte sich vor und öffnete die Briefklappe, spähte hindurch in den Flur und rief: »Hallo? Mrs. Pickering? Jemand zu Hause?«
Wieder keine Antwort. Miller sah weiter durch den Schlitz, dann richtete er sich auf, um aus seiner Jackentasche ein kleines schwarzes Ledermäppchen zu holen. Er öffnete es, und zum Vorschein kam ein Dietrich. »Das isl nicht immer so einfach, wie es im Fernsehen aussieht«, sagte er. »Vielleicht müssen wir die Tür doch noch eintreten.«
»Wieso?«, fragte ich. »Es ist doch niemand zu Hause.«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte er düster. »Sehen Sie mal durch den Briefschlitz, und dann sagen Sie mir, was Sie da sehen. Auf der linken Seite, in der Nähe der offenen Tür. Auf dem Boden/«
Ich versuchte, etwas zu erkennen. Der polierte Parkettboden schien mit einem Muster überzogen zu sein, oder vielleicht hatte jemand eine dunkle glänzende Farbe fallen lassen. Ich konnte es nicht erkennen, also richtete ich mich wieder auf und zuckte mit dem Schultern. »Nein?«, fragte Miller. »Sie wissen nicht, was das ist? Vielleicht haben Sie in letzter Zeit noch nicht genug davon gesehen. Es ist Blut.«