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Miller lenkte seinen Wagen in die Einfahrt, stieg aus und schlug die Tür zu. »Passen Sie auf, was Sie machen«, rief er mir zu. »Technisch gesehen verfolgen wir einen mutmaßlichen Mörder, und dabei darf ich das Leben von Zivilpersonen nicht in Gefahr bringen.«

Ein lautes, dröhnendes Stöhnen kam von Fortyfoot House zu uns herüber, als sei es kein Gebäude, sondern eine gewaltige Bestie, deren Seele bis in die Grundfesten erschüttert wurde. Grelle blauweiße Lichter zuckten hinter den Fenstern im oberen Geschoss.

»>Technisch< interessiert mich einen Scheißdreck«, gab ich zurück. »Mein Sohn ist da drin.«

Ich versuchte, die Haustür zu öffnen, aber sie schien verschlossen, nein, verschmolzen zu sein, als bilde sie eine Einheit mit dem Türrahmen. Das Schloss war aus massivem Messing, aber das Schlüsselloch fehlte. Auf übernatürliche Weise wurde uns der Zutritt verwehrt.

»Das hat keinen Sinn«, sagte ich.

»Zur Küchentür«, rief Miller und warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. »Die Verstärkung wird jeden Moment hier sein.«

Wir rannten ums Haus. Die seltsame strahlende Finsternis lag auch über dem gesamten Garten. Die Eichen bogen sich in einem Wind, von dem ich nichts fühlte, und hier und da war ein Scharren in den Büschen zu hören. Hinter den Bäumen strahlte die See so matt wie beschlagenes Blei.

Wir liefen über die Veranda, und ich versuchte mein Glück an der Küchentür, die aber genauso verschlossen war wie die Vordertür. Miller zog sein Funkgerät aus der Tasche und sagte: »George? Wo zum Teufel bleibt ihr? Ich brauche zwei Trupps am Fortyfoot House, aber so schnell es nur geht!«

Ich hörte eine weit entfernte Stimme etwas von »Straßenarbeiten in Luccombe Village< sagen. Miller erwiderte nichts, doch sein Gesichtsausdruck machte jeden Fluch überflüssig. »Was ist los?«, fragte ich. »Kommen sie oder nicht?«

»Sie kommen«, sagte er atemlos. Dann: »Gibt es noch eine andere Tür? Es muss doch einen Weg ins Haus geben.«

Wieder erschütterte ein tiefes Grollen Fortyfoot House in seinen Grundfesten. Irgendwo in den Weiten meines Unterbewusstseins konnte ich einen langsamen vertrauten Gesang hören: »N'ggaaa - n 'ggaaa - sothoth - n 'ggaAAA.« Ein gereiztes Krachen war zu vernehmen, und die Steinplatten der Veranda begannen sich unter unseren Füßen zu bewegen, als bohre sich ein riesiger Tausendfüßler unter ihnen durch die Erde. Die Fenster knarrten in ihren Rahmen, und ein kleiner Schauer aus Dachziegeln regnete vom Dach herab und zerschellte auf der Erde.

»Danny!«, schrie ich. »Danny, bist du da drin? Danny!«

Der langsame Gesang hielt an, und das Gebäude zitterte förmlich. Wieder rutschten Dachziegel vom Dach, von denen mich einer an der Schulter traf.

»Sollte Danny hier sein?«, schrie Miller.

»Ich weiß nicht, wo er ist. Liz wollte einen Spaziergang mit ihm machen, aber da ich jetzt weiß, dass Liz nicht Liz ist...«

»Liz ist nicht Liz? Was soll denn das schon wieder heißen?«

»Sie ist ein Ding, eine Art antiker Geist. Ich weiß nicht. Wenn ich es erklären will, ergibt es keinen Sinn mehr. Aber es sind Geister aus einer prähistorischen Zeit, die durch die Jahrhunderte hinweg von einer Frau nach der anderen Besitz ergriffen haben und darauf lauern, dass ihre Zeit kommt, damit sie wiedergeboren werden können.«

Miller sah erst mich an, dann das nachgebende Dach von Fortyfoot House. Wieder lösten sich Dachziegel und stürzten zu Boden, diesmal gefolgt von einem Stück Fensterbank. Hätte er nicht selbst mit angesehen, wie das Gebäude stöhnte und erbebte, dann hätte er mich vermutlich auf der Stelle einweisen lassen. Aber es bestand kein Zweifel daran, dass eine gewaltige und verzweifelte Macht Fortyfoot House erzittern ließ. Und auch nicht, dass die Bösartigkeit dieser Macht über jegliches menschliche Vorstellungsvermögen hinausging. Wenn seine Verwandten mit solcher Boshaftigkeit töten konnten, welchen Schrecken konnte dann die Macht selbst verbreiten?

Brown Jenkin tötete sinnlos und sadistisch, zu seinem eigenen Vergnügen. Er hatte mit einem menschlichen Leben genauso wenig Mitgefühl wie ein kleines Kind, das einem Käfer die Beine ausreißt. Aber er war nichts weiter als der Laufbursche von Kezia Mason, und die war ihrerseits nicht mehr als das Kuckucksnest, in dem Yog-Sothoth auf seine Erneuerung wartete.

Alles schien auf eine absurde Weise apokalyptisch. Das Ende der uns bekannten Welt. Ein Wechsel in der natürlichen Rangordnung, eine andere Spezies, die die Menschheit dominierte. Als ich aber darüber nachdachte, wie sehr sich die Welt allein seit Beginn dieses Jahrhunderts verändert hatte - vergiftete Meere, rußgeschwärzte Himmel -, konnte ich mir vorstellen, dass die Alten wiederauferstehen konnten und dass sich diese gewaltige kaltblütige Zivilisation aus vormenschlichen Zeiten wieder erheben konnte.

Immerhin hatten sie die jahrtausendelange Überlegenheit der Menschen überdauert, verborgen in Hexen und Hexern, in Gebäuden und in der Erde. Sie waren darauf vorbereitet, sich zu verstecken und zu warten. Inzwischen hatten wir

Menschen begonnen, alles das zu zerstören, was für sie als Versteck gedient hatte. Wir rodeten die Wälder, die unsere Atmosphäre mit Sauerstoff versorgten, jenem Element, dass die Alten als Kreaturen aus den Weiten des Kosmos zutiefst verabscheuten. Wir bebauten Wiesen und Marschen hektarweise, wir legten unsere Sümpfe trocken. Wir kippten Quecksilber und radioaktive Abfälle in die Meere, wir bliesen Schwefel und Blei in die Luft. Ob die Alten uns dazu möglicherweise heimlich antrieben oder nicht, in jedem Fall machten wir die Welt nach und nach wieder zu dem, was sie einmal gewesen war. Eine Welt der toten Ozeane und der finsteren Himmel, eine Welt der Schwermetalle und der arktischen Kälte.

Ich sah zu Miller und sagte: »Sie haben das nicht gesehen.«

»Was habe ich nicht gesehen?«, fragte er verwundert.

Ich überquerte die Veranda und nahm eine der Steinschalen von der Wand, in denen einmal Geranien geblüht hatten. Sie wog so viel, dass ich sie kaum heben konnte. Auf halbem Weg zurück zum Haus musste ich sie absetzen, woraufhin Miller zu mir kam und half, nachdem er verstanden hatte, was ich vorhatte.

»Ich habe nichts gesehen«, sagte er.

Gemeinsam schleppten wir die Schale bis zum Küchenfenster, holten aus und warfen sie gegen das Glas. Die Schale riss einen Teil des Fensters aus dem Rahmen und flog gegen die Spüle. Ich schlug ein paar übrig gebliebene spitze Splitter aus dem Rahmen, dann sprang ich durch das Fenster in die Küche, dicht gefolgt von Detective Sergeant Miller.

»Wir sind in fünf Minuten da, Dusty«, quäkte es aus dem Funkgerät.

Wir gingen durch die Küche, während unter unseren Schuhen Glas brach. Im Haus war ein Summen zu hören, als stünden wir in einem Hochspannungswerk. Sobald ich mich einer der Wände näherte, spürte ich, wie sich meine Haare statisch geladen aufrichteten.

Als ich die Küchentür öffnen wollte, sprangen Funken vom

Türgriff auf meine Fingerspitzen über. Mit einem Küchenhandschuh gelang es mir schließlich, die Tür aufzumachen.

Im Flur blieben wir stehen und lauschten. Der Gesang war nicht abgerissen, doch er war so tief, dass ich nicht wusste, ob ich ihn noch hörte oder nur noch fühlte.

»Mmm'ngggaaa, nn'ggaaa, sothoth, yashoggn.a ...«

Miller räusperte sich nervös und sagte: »Glauben Sie, dass Danny hier ist? Ich kann jedenfalls niemanden hören. Sie?«

»Danny?«, rief ich, dann ging ich zur Treppe und schrie: »Danny! Daddy ist hier! Bist du da?«

Ich wartete, während meine Hand auf dem Endpfosten des Geländers ruhte. Ich glaube, es sollte eine mutige Geste sein. Alles in Fortyfoot House fühlte sich so an, als krieche es - die Wände, der Boden, das Geländer. Ich hätte alles gegeben, um zurück in die Küche zu rennen und aus dem Fenster zu springen, um mich so weit von Fortyfoot House zu entfernen, wie mich der nächste Bus bringen konnte.