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»Er wird dich finden, keine Angst.«

Aton drehte sich herum und zog überrascht die Augenbrauen zusammen, als er Sascha erkannte. Sie war vollkommen lautlos hinter ihm aufgetaucht, und ihre Worte bewiesen endgültig, daß sie seine Gedanken erriet. Trotzdem antwortete er laut: »Ich habe keine Angst.«

»Ich weiß.« Sascha lächelte und kam näher, doch als Aton seinerseits auf sie zutreten wollte, machte sie eine abwehrende Geste, und er blieb stehen. Irgend etwas an ihr hatte sich verändert, aber er vermochte nicht zu sagen, was es war.

»Ich weiß auch, daß du gar nicht willst, daß er dich findet«, fuhr sie fort. »Aber glaub mir, das wäre ein sinnloses Opfer. Sie würden dich töten, ohne daß es irgend etwas ändern würde.«

»Sie werden viele töten«, antwortete Aton. »Und es ist meine Schuld.«

»Das ist es nicht.«

»Ich habe versagt«, widersprach Aton. Plötzlich klang seine Stimme bitter. Ihr Klang erschreckte ihn fast selbst. »Ich hätte es verhindern können. Ich weiß, daß ich das gekonnt hätte, aber ich habe versagt.«

»So wie ich«, sagte Sascha traurig. »Wir alle haben versagt, denn wir haben versucht, uns gegen das Schicksal aufzulehnen, und das ist eine Macht, der nicht einmal die Götter gewachsen sind. Aber selbst wenn es so wäre, gibt dir das nicht das Recht, dein Leben wegzuwerfen. Dazu hast du sowenig das Recht, wie Petach es gehabt hätte oder irgendein anderer.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« fragte Aton bitter. »Weglaufen und mich verkriechen, wahrend all diese Leute dort hinten vielleicht sterben?« Er deutete auf den schwarzen Schatten der Staumauer. »Und das wird passieren, das weißt du! Nichts kann es jetzt noch aufhalten!«

»Nichts ist unvermeidlich, solange es nicht geschehen ist«, erwiderte Sascha.

»Worte!« antwortete Aton bitter. »Nichts als Worte! Du ... du hast gesagt, du wärst hier, um mir zu helfen! Warum tust du es dann nicht?«

»Aber das tue ich doch«, sagte Sascha traurig. Sie ahnte wohl, daß sein scharfer Ton nur Ausdruck seiner Hilflosigkeit war und er ihr in Wahrheit gar nicht weh tun wollte.

»Wer bist du wirklich?« fragte Aton plötzlich. »Was bist du, Sascha - oder wie immer du heißt.«

»Aber das weißt du doch längst«, sagte Sascha lächelnd.

»Wenn das stimmt, dann hilf mir«, erwiderte Aton. »Und wenn schon nicht mir, dann all diesen anderen Menschen, die nichts mit alledem hier zu tun haben.«

»Das kann ich nicht«, antwortete Sascha. Sie lächelte noch immer, aber nun war es ein sehr trauriges, mitfühlendes Lächeln. »Und ich darf es nicht. Es gibt Dinge, in die einzumischen mir nicht gestattet ist, und es ist auch gut so. Dies ist dein Schicksal, Aton. Was zu tun ist, kannst nur du tun. Du allein und sonst niemand.«

»Tun?« keuchte Aton. »Aber was kann ich denn noch tun? Osiris und Horus haben die Beschwörung vollzogen. Sobald die Sonne aufgeht -«

»Erinnere dich, was Petach dir erzählt hat!«

Aton blinzelte. »Wie?«

»Echnaton hat nicht gesagt, daß die Götter seine Krieger wiedererwecken werden«, sagte sie.

»Was soll das heißen?« fragte Aton. »Was ... was meinst du damit?«

»Mehr darf ich dir nicht sagen«, erwiderte Sascha. »Aber du kennst die Antwort. Sie ist schon in dir, und ich bin sicher, du wirst sie finden. Noch ist die Sonne nicht aufgegangen.«

Sie trat einen Schritt zurück und fixierte den Schatten am Himmel, und plötzlich kippte der Helikopter zur Seite und änderte in einem gewagten Manöver seinen Kurs, so daß er nun direkt auf Aton zuflog.

»Ich muß jetzt gehen«, sagte sie. »Aber denke an das, was ich dir schon einmal gesagt habe. Manchmal muß man verlieren, um am Ende zu siegen.«

Und damit verschwand sie. Von einer Sekunde auf die andere war sie einfach nicht mehr da. Nur ihre Fußabdrücke im weichen Sand bewiesen noch, daß es sie überhaupt jemals gegeben hatte.

Aton blickte die Spuren im Sand so lange an, bis das Rotorengeräusch des Hubschraubers ganz nahe war und der Sturmwind der landenden Maschine die Abdrücke verwischte. Was hatte sie damit gemeint, er sollte sich daran erinnern, was Petach ihm erzählt hatte? Er hatte es doch keine Sekunde vergessen; und letztendlich war alles so gekommen, wie Petach vorausgesagt hatte.

Dann begriff er seinen Irrtum. Etwas in seinem Kopf schien deutlich hörbar klack zu machen, und von einer Sekunde auf die andere wußte er nicht nur, wie Saschas geheimnisvolle Worte gemeint gewesen waren, sondern auch, was er zu tun hatte.

Der Hubschrauber landete im Zentrum eines heulenden Tornados, den er selbst entfesselt hatte. Aton duckte sich unter einem plötzlichen Hagel winziger Steine und Sandkörner, drehte das Gesicht aus dem Wind und rannte los, noch bevor die Rotorblätter ganz aufgehört hatten, sich zu drehen.

Die Kanzel der kleinen Maschine öffnete sich, und Aton blickte direkt in die Gesichter seines Vaters und Petachs. Beide waren bleich vor Schrecken.

»Aton!« rief sein Vater erleichtert aus. »Du lebst! Gott sei Dank, du bist am Leben! Was ist -«

Aton schnitt ihm mit einer hastigen Bewegung das Wort ab und kletterte unverzüglich in die Kanzel. Er war so fahrig, daß er Petach dabei sehr unsanft auf die Füße trat, aber der Ägypter schien dies nicht zu bemerken. Sein Gesicht war nicht nur schreckensbleich wie das von Atons Vater, sondern hatte einen leichten Stich ins Grüne, und trotz des Ernstes ihrer Situation und allem, was geschehen war, konnte Aton ein schadenfrohes Grinsen nicht vollkommen unterdrücken. Wenn Petach schon bei einer normalen Autofahrt nervös wird, sobald die Tachonadel deutlich mehr als fünf Stundenkilometer anzeigt, dachte er, wie muß er sich dann erst an Bord eines Helikopters fühlen, der mit mehr als dem Fünfzigfachen dieser Geschwindigkeit über das Land fegt und in dem er nicht so geborgen und von allen äußeren Eindrücken abgeschirmt sitzt wie in einer großen Verkehrsmaschine?

»Was ist passiert?« fragte sein Vater erneut, als Aton sich endlich zwischen ihm und Petach hindurchgezwängt und auf der schmalen hinteren Sitzbank Platz genommen hatte. »Du warst plötzlich verschwunden, und ich -«

»Später!« unterbrach ihn Aton. »Flieg los, schnell! Wir müssen hinauf zum Damm. So schnell wie möglich! Jede Sekunde zählt!«

Sein Vater sah ihn zweifelnd an, aber er schien wohl zu spüren, wie bitterernst Atons Worte gemeint waren, denn er zögerte nur kurz, ehe er wieder den Motor anließ.

»Dich schickt der Himmel«, sagte Aton. »Ich dachte schon, es wäre alles vorbei, aber mit dem Hubschrauber schaffen wir es vielleicht doch noch.«

»Schaffen wir was?« fragte sein Vater erstaunt. Atons ersten Satz überging er - schließlich konnte er nicht ahnen, daß Aton die Worte ganz genau so gemeint hatte, wie sie klangen. Aton zögerte einen Moment, die Frage seines Vaters zu beantworten - und ehe er es tat, stellte er seinerseits eine Frage, die an Petach gerichtet und deren Antwort sehr wichtig für ihn war:

»Wo ist Yassir?«

»Verschwunden«, sagte sein Vater an Petachs Stelle, und der Ägypter nickte, um die Worte zu bestätigen, und fügte hinzu:

»Im selben Augenblick wie du. Wir dachten, er wäre bei euch. War er das denn nicht?«

»Ich ... weiß es nicht«, gestand Aton. »Ich kann mich kaum erinnern, was passiert ist. Ich habe nur Schatten gesehen und ... und unheimliche Geräusche gehört.«

»Vielleicht ... hat es ja nicht richtig funktioniert«, sagte sein Vater. Über ihren Köpfen heulte der Rotorkopf des Helikopters schrill auf, und die Rotorblätter wurden zu einem verschwommenen Kreis aus reiner Bewegung über dem durchsichtigen Kanzeldach. »Ich meine ... man müßte doch etwas sehen. Wenn all diese Krieger wirklich von den Toten auferstanden wären, müßten wir doch wenigstens eine Spur von ihnen sehen.«