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»Das mag wohl sein«, sagte Petach. Er musterte den Hund von Kopf bis Fuß. »Woher haben Sie ihn?«

»Aus dem Tierheim«, antwortete Atons Vater. Nun klang seine Stimme eindeutig stolz.

»Aus dem Tierheim?« wiederholte Petach überrascht. »Ein solch prachtvolles Tier?« Seine Stimme klang zweifelnd, und Aton konnte das sehr gut verstehen. Er kannte sich bei Hunderassen nicht besonders gut aus, aber er hätte schon blind sein müssen, um nicht zu erkennen, welches Prachtexemplar seiner Gattung der Dobermann mit dem Namen des ägyptischen Totengottes war.

Das Tier war von nachtschwarzer Farbe - dem tiefsten Schwarz, das Aton jemals gesehen hatte. Seine Augen schimmerten goldfarben, und Aton war ziemlich sicher, daß sie im Dunkeln leuchten mußten wie die einer Katze. Er war groß, ein wahrer Riese, selbst für einen Dobermann, und unter dem glatten Fell zeichneten sich geschmeidige Muskelstränge ab.

Der Dobermann blickte Aton ebenfalls durchdringend und sehr aufmerksam an, und Aton war sicher, daß er ihn auf seine Art ebenso mißtrauisch begutachtete wie umgekehrt Aton ihn. Aton hätte eine Menge darum gegeben, zu erfahren, wie diese Musterung ausfiel.

Anubis' Gebiß sah aus, als würde er ab und zu nur so zum Spaß einmal einen Autoreifen zerfetzen oder einen kleinen Baum durchnagen. Diesen Hund hätte er wirklich ungefähr hundertmal lieber zum Freund gehabt als zum Feind ...

Oben im Haus fiel eine Tür, dann näherten sich rasche, leichte Schritte der Treppe. Einen Augenblick später hörte Aton die Stimme seiner Mutter: »Klaus? Was ist los da unten? Wer kommt denn so spätnachts -«

Sie brach mitten im Wort ab und riß erstaunt die Augen auf, als sie Aton erkannte. »Aton?« rief sie. »Was um alles in der Welt ...?« Sie sprach nicht zu Ende, sondern kam die Treppe heruntergelaufen, um Aton so heftig in die Arme zu schließen, daß ihm die Luft wegblieb. Dann ließ sie ihn ebenso abrupt wieder los, schob ihn auf Armeslänge von sich und sah ihn an, als hätte sie ihn jahrelang nicht gesehen statt weniger Monate.

»Daß du hier bist!« sagte sie kopfschüttelnd. »Das ist vielleicht eine Überraschung. Wie bist du denn hergekommen? Und noch dazu um diese Zeit?« Plötzlich erschrak sie. »Ist etwas passiert?«

»Nein«, sagte Atons Vater, noch bevor Aton selbst Gelegenheit zur Antwort fand. Er wies auf Petach. »Herr Petach war gerade in der Gegend, und da hielt er es für eine gute Idee, Aton kurzerhand mitzubringen.«

Er gab sich keine Mühe, seinen Arger darüber zu verbergen, und Petach preßte die Lippen aufeinander. Aber er sagte nichts, kein Wort der Entschuldigung, keinen Versuch der Erklärung; und auch nichts von alledem, was Aton nach seinen geheimnisvollen Andeutungen auf der Fahrt hierher erwartet hatte. »Und darüber werden wir uns jetzt unterhalten«, fuhr Atons Vater fort. »Kommen Sie, gehen wir in die Bibliothek.« Er ging auf die offenstehende Tür des Kaminzimmers zu, und Petach folgte ihm. Aton wollte sich anschließen, aber seine Mutter hielt ihn mit einer raschen Handbewegung zurück.

»Komm, laß die beiden in Ruhe miteinander reden«, sagte sie. »Ich koche dir inzwischen einen Tee. Du siehst aus, als könntest du ihn gebrauchen.«

Aton stand der Sinn nicht nach Tee - und seiner Mutter um zwei Uhr nachts garantiert nicht danach, ihn zu kochen. Aber er verstand auch, warum sie wollte, daß er mit ihr kam, und akzeptierte diesen Wunsch.

Sie gingen in die Küche. Seine Mutter trat an den Herd und begann den Wasserkessel zu füllen und die Teekanne vorzubereiten, und Aton setzte sich an den kleinen Tisch unter dem Fenster, an dem er immer saß, wenn er zu Hause war.

Ein Geräusch ließ ihn aufblicken. Anubis war ihnen gefolgt, trat aber nicht ganz in den Raum hinein, sondern blieb unter der Tür stehen und musterte Aton aus seinen gelben Augen.

»Gefällt er dir?«

Aton fuhr so heftig zusammen, daß sein Stuhl etwas nach hinten rutschte, und sah verwirrt zu seiner Mutter hoch. Sie hatte ihre Arbeit beendet und kam langsam auf ihn zu.

»Wie?« fragte er.

»Der Hund«, antwortete sie mit einer Geste auf diesen. »Anubis. Er ist wunderschön, nicht?«

»Ja. Ganz ... wundervoll«, sagte Aton. Er war verwirrt. Wieso irritierte ihn dieser Hund nur so? Er liebte Tiere - Hunde, Katzen, Vögel ... eigentlich alles, was deutlich weniger als sechs Beine hatte - aber dieser gewaltige Dobermann machte ihm angst.

Natürlich, der schlanke, schakalartige Kopf mit den spitzen Ohren und dem gewaltigen Gebiß ähnelte zu sehr dem Phantom, das er im Wald zu sehen geglaubt hatte. Er hatte den Schrecken dieser Begegnung und den über die Art, in der Anubis ihn begrüßt hatte, noch nicht überwunden. Daß ihn der Anblick des Tieres nervös machte, war nur natürlich. Und doch ... das war nicht alles. Etwas im Blick dieses Hundes war unheimlich. Er sah ihn nicht an, wie ein Tier einen Menschen ansehen sollte.

Die Stimme seiner Mutter riß ihn wieder aus seinen Gedanken. »Also, jetzt erzähl mal«, sagte sie. »Wieso seid ihr gekommen?« Sie bemerkte erst jetzt die Heftpflaster auf seinen Händen und an seinem Hals. »Was ist passiert?«

»Wir hatten eine Reifenpanne«, antwortete Aton. »Ich habe Herrn Petach geholfen, den Reifen zu wechseln, und mich ziemlich ungeschickt dabei angestellt, das ist alles.« Für einen Moment war er in Versuchung, ihr von seinem Erlebnis im Wald zu erzählen. Aber er tat es nicht. Nicht weil er Angst hatte, sie würde ihm nicht glauben, sondern aus dem Gegenteil heraus. Im Grunde war er Petach nämlich sehr dankbar dafür, daß er ihm seine Erzählung nicht geglaubt hatte. Er wollte ja selbst nicht glauben, daß er das wirklich erlebt hatte. So schüttelte er nur den Kopf und sagte bekräftigend: »Nur ein paar Kratzer.«

Der Blick seiner Mutter machte klar, was sie von dieser Antwort hielt. Aber sie ließ es für den Moment dabei bewenden, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Also«, sagte sie. »Raus mit der Sprache. Das ist doch nicht alles. Was war wirklich los?«

Aton zögerte noch eine Sekunde, aber dann beichtete er seiner Mutter den Zwischenfall im Museum, wobei er allerdings das eine oder andere Detail wohlweislich wegließ. Die Geschichte, die er ihr erzählte, war identisch mit der, die er auch Zombeck und den anderen erzählt hatte. Wahrscheinlich ist es ohnehin die Wahrheit, dachte er. Mumien, die sich plötzlich bewegen? Jetzt, mit dem Abstand von mehr als einem Tag und in der Sicherheit seines Zuhauses, kam ihm diese Geschichte beinahe lächerlich vor.

»Du warst also dabei?« fragte seine Mutter, als er geendet hatte.

Aton fuhr wieder zusammen. »Ihr ... ihr wißt schon davon?« Aber Zombeck hatte ihm doch versprochen, seinen Eltern nichts zu sagen!

»Es kam im Fernsehen, in den Abendnachrichten«, sagte seine Mutter. »Allerdings hatte ich keine Ahnung, daß du an der Geschichte beteiligt warst. Dein Vater natürlich auch nicht. Gottlob«, fügte sie leise hinzu.

»Im Fernsehen?« stotterte Aton. »Aber wieso denn? Es ist doch niemand verletzt worden. Ich meine -«

»Anscheinend weißt du es noch nicht«, unterbrach ihn seine Mutter. »Die Geschichte geht noch weiter. Die beiden Mumien sind verschwunden.«

»Verschwunden?« murmelte Aton. Eine eisige Hand schien plötzlich zwischen seinen Schulterblättern zu liegen. »Wie ... wie meinst du das, verschwunden?«

»Eben verschwunden«, sagte sie. »Sie haben sie zurück an die Universität gebracht, wo sie versuchen wollten, sie wieder halbwegs instandzusetzten. Anscheinend haben dieser Werner und seine Freunde ziemlich viel Schaden angerichtet. Aber heute morgen waren sie fort. Wie es aussieht, ist jemand heute nacht in den Keller der Universität eingestiegen und hat die beiden Mumien gestohlen. Der Fernsehkommentator hatte sich zwar darüber belustigt geäußert, aber dein Vater war ganz aus dem Häuschen. Du weißt, wie er an solchen Dingen hängt.« Sie schüttelte den Kopf. »Man hätte meinen können, er wäre bestohlen worden, nicht das Museum.«