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Schließlich verfing sich sein Fuß in einer Felsspalte. Er stolperte, versuchte den Sturz ungeschickt aufzufangen und spürte, wie sein linkes Handgelenk brach, als er zu Boden fiel und es mit dem ganzen Gewicht seines Körpers belastete. Der Schmerz war grauenhaft und trotzdem sonderbar irreal - als wäre es schon gar nicht mehr er selbst, der ihn verspürte, sondern bereits ein anderer, der tote Mann, der er vor Ablauf einer Stunde sein würde, ein toter König, ein toter Gott, und doch ebenso tot wie der geringste seiner Untertanen.

Eine Weile blieb er benommen liegen und wartete darauf, daß sich die große Dunkelheit nach ihm ausstreckte, aber seine Zeit war noch nicht gekommen. Ganz im Gegenteil spürte er, wie das Leben noch einmal in seinen geschundenen Körper zurückfloß, und es war ein sehr eigenartiges Gefühclass="underline" Er war zu Tode verwundet, und er fühlte all die kleinen Verletzungen, aus denen das Blut aus seinem Körper herausfloß, und doch war es plötzlich, als hielte ihn etwas zurück, als strecke eine andere, ungleich mächtigere Kraft als der Tod seine Hand nach ihm aus und stieße ihn zurück in die Welt der Lebenden, weil es für ihn noch nicht an der Zeit war, den dunklen Fluß des Todes zu befahren, weil es da noch etwas gab, was er zu tun hatte.

Hatte sich Gott Aton am Ende doch seines Kindes erinnert?

Echnaton stöhnte vor Schmerz, als er die Lider hob und ihm sein eigenes Blut, vermischt mit salzigen Tränen, in die Augen floß. Mit dem letzten bißchen Kraft, das er in seinen zerbrochenen Gliedern fand, wälzte er sich auf den Rücken und zwang sich, die weißglühende Sonnenscheibe über sich anzustarren.

Seine Augen würden verbrennen, wenn er dies länger als einige Momente lang tat, aber welche Rolle spielte das jetzt noch?

Aton? dachte er. Bist du gekommen? Ist es deine Allmacht, die ich spüre?

Und tatsächlich - etwas bewegte sich vor der lodernden Sonnenscheibe am Himmel. Ein Schatten, groß, mächtig und schwarz, mit dem schimmernden Bronzeblitz einer Lanze in der Hand, und für einen Moment machte sich eine wilde, verzweifelte Hoffnung in Echnaton breit und gab ihm noch einmal die Kraft, sich auf die Ellbogen hochzustemmen.

Dann klärten sich die Schleier vor seinen Augen, und er sah, wer es wirklich war.

Die Erkenntnis ließ ihn aufstöhnen. Für einen Moment vergaß er alles: seine Schmerzen, das furchtbare Pochen in seiner linken Hand und das Feuer in seinen Lungen. Aus ungläubig aufgerissenen Augen blickte er die schlanke, hochgewachsene Gestalt an, die sich direkt aus der Sonne heraus auf ihn zubewegte, einen zerschrammten Schild am Arm, eine blutende Wunde an der Stirn und eine blutige Lanze in der Hand haltend.

»Du?« flüsterte er ungläubig. Und dann noch einmal, und mit einem solchen Entsetzen, daß das Wort wie ein Schrei klang: »DU?«

Sein Mörder trat so dicht an ihn heran, daß sich sein Schatten wie ein schwarzes Leichentuch aus Spinnweben über Echnatons Gesicht legte, ehe er stehenblieb. Die Lanze in seiner Hand zitterte, und er hatte die Faust so fest darum geschlossen, daß seine Knochen weiß durch die Haut stachen.

»Ja«, sagte er. »Ich, du Narr!«

»Aber ... warum?« flüsterte Echnaton. Er verstand es nicht.

Nicht er. Nicht dieser Mann, der seine religiöse Reform so unterstützt hatte, der sein Freund gewesen war!

»Warum?« flüsterte er noch einmal.

»Warum?« wiederholte der Verräter und lachte. »Weißt du das nicht selbst, du Narr?« Er hob die Lanze, als wollte er unverzüglich damit zustoßen, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, aber dann ließ er den Arm wieder sinken.

»Weil du der Untergang für unser Land bist!« sagte er haßerfüllt. »Weil du die alten Götter verraten und Ägypten an den Rand des Ruins gebracht hast! Du bist kein Pharao! Du bist es nie gewesen! Du bist nichts als ein Narr, ein Kind, das niemals auf den Thron dieses Landes gehört hätte! Dich zu erschlagen ist noch eine Ehre für dich. Ich sollte dich einfach hier liegen und den Schakalen zum Fraß lassen!«

»Den ... Untergang?« Echnaton blickte in das schmale, jugendhafte Gesicht des Verräter über sich und versuchte vergeblich, Haß oder auch nur Zorn zu empfinden. »Aber ich habe euch ... den Frieden gegeben!«

»Den Frieden!« Der Verräter lachte schrill. »Nicht einmal jetzt begreifst du es. Frieden, sagst du? Unsere Feinde sind zahlreicher und stärker als je zuvor! Sie schleichen um unsere Grenzen wie die Hyänen und suchen nach einer Stelle, an der sie zubeißen können! Die Menschen im Lande wollen deinen Gott nicht, und die Priesterschaft ist in Aufruhr! Das ist dein Frieden!« Plötzlich schrie er: »Dieses Land wird untergehen an deinem Frieden, du verfluchter Narr! Es ist nicht Friede, den dieses Land braucht! Es sind keine Kunstwerke und schönen Worte, die es nötig hat, sondern einen starken Herrscher, der seine Macht und Größe stärkt und seine Feinde in Furcht auf die Knie sinken läßt!«

Echnaton blickte den Verräter schweigend an, ehe er leise sagte: »Also das ist es, was du willst. Du willst Pharao werden.« Er lächelte matt. Etwas von seinem eigenen Blut floß ihm in die Kehle und verwandelte seine nächsten Worte in einen qualvollen Hustenanfall. Schließlich fand er die Gewalt über seine Stimme wieder.

»Es wird dir nicht gelingen, mein Freund«, sagte er sanft. »Ich mag ein schlechter Pharao gewesen sein und vielleicht wirklich der schwache Herrscher, als den mich viele sehen. Aber eines war ich nie: ein Verräter wie du. Niemals wird ein Mann den Thron Ägyptens besteigen, an dessen Händen das Blut seines rechtmäßigen Besitzers klebt.«

Der Verräter schüttelte den Kopf. »Sei beruhigt, Echnaton. Niemand wird je erfahren, was hier geschehen ist, daß man dich ermordet hat. Du hast Achet-Aton nie verlassen.«

Einen Moment lang war Echnaton verwirrt. Ein ungläubiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Das wird niemand glauben«, sagte er.

»O doch«, antwortete der Verräter. »Und selbst wenn - hast du vergessen, daß ich selbst es war, der dir von dieser Reise abgeraten hat?«

Echnaton lachte bitter und leise. »Nachdem du mich vorher auf den Gedanken gebracht hast, ja.«

»Das stimmt. Der Plan ist aufgegangen. Und auch meine anderen Pläne werden aufgehen. Dieses Land wird mir gehören. Vielleicht nicht morgen, vielleicht nicht nach der nächsten Nilschwemme, aber irgendwann.«

»Nach mir kommen andere«, sagte Echnaton. »Willst du sie alle umbringen?«

»Andere?« Der Verräter lächelte. »Oh, du meinst Tutanchaton? Er ist ein Kind. Ein Kind, das Berater und Freunde braucht, um dieses Land zu regieren. Ägyptens Thron ist zu groß, als daß ein Knabe wie er ihn allein ausfüllen könnte. Auch du brauchtest Freunde - hast du das schon vergessen ?«

Echnatons Gesicht verdüsterte sich. »Du hast es vom ersten Tag an geplant, nicht wahr?« fragte er.

»Nicht vom ersten Tage«, erwiderte der Verräter. »Aber schon lange, ja. Ich hasse dich, Echnaton. Du hast unser Land an den Rand des Unterganges geführt. Du hast die alten Götter verschmäht und die alte Ordnung zerstört. Dafür werde ich dich töten. Und ich werde mit dir tun, was du mit den Namen der Götter getan hast: Ich werde jede Erinnerung an dich austilgen. Es wird dich nicht gegeben haben, Amenophis der Vierte, der du dich selbst Echnaton genannt hast! Künftige Generationen werden nicht einmal mehr wissen, daß es dich gegeben hat.« Er lachte leise und häßlich. »Und so wird mich auch niemand einen Mörder nennen können, nicht wahr? Ich kann keinen Mann ermorden, der nie gelebt hat!«