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Der Schlag schien das ganze Haus bis in seine Grundfesten zu erschüttern. Petach wurde zu Boden geschleudert, und in der Tür zeigte sich ein fingerbreiter Riß, der sie wie ein gezackter Blitz von oben bis unten spaltete. Hätte sich unter dem dünnen Furnier nicht massives Metall verborgen, wäre sie vermutlich in tausend Stücke zersprungen.

Aber auch so würde sie keinem zweiten derartigen Angriff standhalten. Aton sah, daß zwischen Rahmen und Wand ein fast handbreiter Spalt entstanden war, aus dem Kalk und zerborstene Ziegelsteine zu Boden fielen. Dahinter flackerte ein unheimliches gelbliches Licht, in dem sich irgend etwas zu bewegen schien.

»Lauf, Aton!« schrie Petach. »Geh mit Anubis! Ich versuche es aufzuhalten!« Er zerrte Aton in die Höhe und versetzte ihm einen Stoß, der ihn auf die Treppe zu taumeln ließ. Er fand am Treppengeländer Halt, stolperte noch ein paar Stufen nach unten und blieb wieder stehen, um sich zu Petach herumzudrehen.

Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Tür von einem zweiten, noch gewaltigeren Schlag getroffen und einfach aus den Angeln gerissen wurde. Das schwere Türblatt flog wie ein Geschoß an Petach vorbei, dem es im allerletzten Moment gelang, sich zur Seite zu drehen, prallte gegen die gegenüberliegende Wand und zerbrach endgültig in zwei Teile. Hinter ihm ergoß sich eine Flut aus schwefelgelbem Licht auf den Flur, das Aton die Tränen in die Augen trieb. Trotzdem sah er, wie Petach einen Schritt zurücktaumelte, wieder stehenblieb und die Arme ausbreitete, als wollte er das Licht mit bloßen Händen aufhalten.

Und er wollte es nicht nur - er tat es auch. Das gelbe Leuchten hüllte seine Gestalt ein, verschlang sie förmlich, bis sein Körper sich vor Atons Augen aufzulösen schien wie eine Statue, die in geschmolzenen Stahl gestürzt war - und wich wieder zurück! Petach wankte, aber seine Arme blieben weiter erhoben, und Aton konnte regelrecht spüren, wie er, was immer sich in diesem Leuchten verbarg, mit der puren Kraft seines Willens zurückdrängte. »Lauf!« schrie Petach noch einmal. »Tritt in den Kreis! Dort bist du sicher!«

Aton verstand nicht, was er meinte, aber wenn er auch noch zögerte, Anubis tat es nicht. Die Kiefer des Hundes schlossen sich - ohne ihn zu verletzen, aber mit großer Kraft - um seinen Arm und zogen ihn die Treppe hinunter.

Auf halber Höhe drehte Aton noch einmal den Kopf und sah zu Petach hoch. Der Ägypter stand noch immer mit weit ausgebreiteten Armen da und hielt das Licht zurück. Er schrie irgend etwas, aber Aton konnte es nicht verstehen. Der Sturm und das noch immer anhaltende Heulen der Alarmanlage hatten sich zu einem wahren Crescendo gesteigert, das jeden anderen Laut einfach verschluckte. Aber er ahnte trotzdem, daß Petachs Worte nicht ihm galten.

Anubis zerrte ihn unbarmherzig die Treppe hinab, so daß er nicht verfolgen konnte, was weiter geschah. Auf der untersten Stufe stolperte er und fiel auf Hände und Knie, und als er benommen den Kopf hob, sah er auch die Katze wieder. Bastet stand keinen Meter von ihm entfernt, doch sie war kaum wiederzuerkennen. Jedes einzelne Haar auf ihrem Körper war gesträubt. Ihre Ohren waren dicht an den Schädel gelegt und der Schwanz peitschte nervös hin und her. Bastets Zähne waren drohend gefletscht, und in ihren Augen flackerte Todesangst vor etwas hinter ihm.

Noch immer auf Händen und Knien hockend, fuhr er herum - und konnte einen entsetzten Schrei nicht unterdrücken.

Auch hinter dem kleinen Fenster im oberen Teil der Hintertür war jenes unheimliche gelbe Licht erschienen, und in diesem Leuchten konnte Aton sehr wohl etwas erkennen. Etwas Schattenhaftes näherte sich der Tür, und plötzlich flog sie nach innen und mit solcher Wucht gegen die Wand, daß die Scheibe zerbrach. Eingehüllt in eine Woge aus Licht, Kälte und wirbelndem Schnee betrat der Schatten das Haus und wurde endlich zu einer Gestalt.

Anubis heulte auf, wirbelte herum und raste davon, und auch Aton schrie wieder entsetzt auf, als er die Gestalt erkannte. Es war kein Gespenst, sondern ein Mensch - beziehungsweise das, was einmal ein Mensch gewesen war. Was von seinem Körper nicht unter grauen Binden verborgen war, das war ledern und tiefbraun. Am linken Arm trug er einen Schild, und in der rechten Hand eine Lanze mit dreieckiger Spitze.

Es war die Mumie! Die Mumie aus dem Museum! Sie war gekommen, um nachzuholen, was ihr beim ersten Mal mißlungen war!

Der Gedanke lähmte Aton regelrecht. Schnee und Kälte schlugen über ihm zusammen, und die Mumie näherte sich ihm unaufhaltsam und mit sonderbar schwerfälligen, eckigen Bewegungen, so daß es ihm ein leichtes gewesen wäre, aufzuspringen und davonzulaufen. Aber er war unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Über sich hörte er Petach schreien, aber er konnte sich einfach nicht bewegen. Er konnte kaum noch atmen.

Und vermutlich hätte der Unheimliche ihn auch erreicht und getötet, wäre Bastet nicht gewesen. Die Katze stieß plötzlich ein schrilles, kreischendes Fauchen aus, einen Laut, wie Aton ihn nie zuvor aus dem Mund eines Tieres gehört hatte, und schoß wie ein grauer Blitz beinahe waagerecht durch die Luft auf die Mumie zu.

Die Mumie versuchte, ihre Waffen zu heben, aber ihre Bewegungen waren viel zu schwerfällig. Bastet prallte gegen ihre Brust, klammerte sich mit den Hinterläufen daran fest und begann mit den Vordertatzen und Zähnen ihr bandagiertes Gesicht zu bearbeiten. Staub und Stoffetzen flogen unter den angreifenden Krallen davon.

Der unheimliche Angreifer wankte. Bastet schlug und hackte wie toll auf ihn ein, so daß er zuerst seinen Schild, dann die Lanze fallen ließ und mit beiden Händen nach ihr griff. Bastet klammerte sich mit aller Kraft an ihm fest, aber die Mumie riß sie einfach von sich herunter, ohne darauf zu achten, daß an Bastets Krallen ein guter Teil der vermoderten Bandagen hängenblieb. Darunter kam ledrige, gerissene Haut zum Vorschein, und Aton blickte in Augenhöhlen, die leer, aber nicht ohne Leben waren.

Aus Bastets Fauchen wurde ein gequältes Kreischen, als die Mumie sie packte und zu Boden schleuderte. Die Katze schlitterte meterweit davon, prallte gegen die Wand und blieb wimmernd liegen. Der Mumienkrieger starrte einen Moment lang aus seinen leeren Augenhöhlen auf sie hinab, dann hob er Lanze und Schild auf und drehte sich langsam wieder zu Aton herum.

Und endlich erwachte Aton aus seiner Erstarrung - um ein Haar zu spät. Die Mumie hatte ihn fast erreicht, als er hochsprang und rückwärts vor ihr davonzustolpern begann.

Das grausige Geschöpf stieß einen zischenden, zornerfüllten Laut aus und zielte ungeschickt mit der Lanze nach Aton. Er konnte geschickt der rostigen Spitze ausweichen, aber er prallte dabei so unglücklich gegen den Türrahmen, daß er erneut das Gleichgewicht verlor und stürzte.

Als er sich wieder aufrichten wollte, war die Mumie über ihm. Aton begann sich mit verzweifelter Kraft zu wehren, aber der unheimliche Angreifer packte ihn einfach und zerrte ihn so heftig in die Höhe, daß seine Füße den Kontakt mit dem Boden verloren und für einen Moment in der Luft pendelten. Die schrecklichen, halbvermoderten Finger berührten sein Gesicht, tasteten über seine Augen, die Nase, den Mund und das Kinn und glitten weiter nach unten, auf der Suche nach seiner Kehle. Aton hämmerte verzweifelt mit den Fäusten auf das Gesicht der Mumie ein, aber es war, als schlüge er in einen trockenen Schwamm: Unter seinen Fingern wirbelten trockener Staub und kleine Stoffetzchen davon, aber irgendeine andere Wirkung blieb aus. Dafür hatten die Finger der Mumie seine Kehle erreicht und würden zweifellos gleich zudrücken.

Und dann war plötzlich eine andere Hand da, schmaler, sehniger und vor allem lebendiger als die der Mumie, die den Arm des Unheimlichen ergriff und mit einem einzigen kraftvollen Ruck zurückbog.