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Aton wurde zornig - aber nur für einen Moment. Zweifellos hätte Petach ihn auf die gleiche Weise wie die Polizisten daran hindern können, lästige Fragen zu stellen.

»Wieso sind Sie überhaupt hier?« fragte er. »Ich habe doch gesehen, daß die Mumie Sie niedergestochen hat!«

»Das war nur ein Kratzer«, behauptete Petach. »Aber ich bin unglücklich gefallen und muß wohl das Bewußtsein verloren haben.«

»Das sind Sie nicht!« beharrte Aton. »Ich habe ganz deutlich gesehen, was geschehen ist!«

»Du mußt dich täuschen«, sagte Petach ruhig. Er wies auf sein zerrissenes Hemd. »Hier, sieh selbst. Nicht einmal eine Schramme. So leicht bin ich nicht umzubringen.«

Aton hatte nicht vor, sich mit dieser Antwort zufriedenzugeben. Sicher, alles war sehr schnell gegangen, und er war halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen gewesen, aber er wußte schließlich, was er gesehen hatte!

Doch - war das wirklich noch Zufall? - er kam auch jetzt wieder nicht dazu, Petach zur Rede zu stellen, denn in der Auffahrt erschien ein Scheinwerferpaar, und einen Augenblick später rollte der Wagen seiner Eltern vor das Haus und kam so abrupt zum Stehen, daß der Kies unter den Rädern aufspritzte. Beide Türen wurden aufgerissen, und sein Vater und seine Mutter sprangen heraus.

»Was ist hier pas -«, begann sein Vater und stockte mitten im Wort, als er seinen Sohn erblickte, der zitternd mit nassem Haar in eine Decke gehüllt dastand.

»Aton!« keuchte er. »Was ist geschehen? Ist dir etwas zugestoßen? Um Gottes willen!«

Er machte einen hastigen Schritt auf Aton zu, ebenso wie dessen Mutter - beide blieben wieder stehen, als Petach die Hand hob.

»Keine Angst«, sagte der Ägypter. »Es gab ein wenig Aufregung, aber es ist nichts passiert. Aton ist in Ordnung.«

Sein Vater rührte sich nicht. Atons Mutter machte noch einen weiteren Schritt auf ihn zu und blieb dann wieder stehen; für eine Sekunde war ihr Gesicht ein einziger Ausdruck der Qual, dann machte Petach erneut diese kaum sichtbare Handbewegung, und ihr Blick verschleierte sich.

»Hören Sie auf, Petach!« sagte Aton. Seine Stimme zitterte. »Hören Sie sofort auf, oder ich erzähle ihnen alles, ganz egal, was dann ge -«

Petach wandte den Kopf, und Atons Stimme versagte. Er wollte weitersprechen, versuchte es, aber er konnte es einfach nicht. Und eine Sekunde später wollte er es auch gar nicht mehr. Selbst sein Zorn auf Petach verrauchte. Er fragte sich, warum er überhaupt wütend auf den Ägypter gewesen war; und eine weitere Sekunde später hatte er sogar vergessen, daß er Zorn empfunden hatte.

»Jemand hat eingebrochen«, sagte Petach, wieder zu Atons Eltern gewandt. »Aber die Alarmanlage ist losgegangen, und der Lärm hat ihn vertrieben. Außerdem war die Polizei in wenigen Minuten zur Stelle. Aton war keine Sekunde in Gefahr.«

»Einbrecher?« wunderte sich Atons Vater. »Schon wieder? Was ist denn mit dem Hund?«

»Den haben sie übersehen«, sagte Aton. Der Witz kam nicht an. Wahrscheinlich registrierte ihn sein Vater gar nicht, denn er sah Petach noch einen Moment lang verstört an, ehe er sich einen Ruck gab und sich zu der Polizistin herumdrehte, die bereits ihren Notizblock und einen Stift gezückt hatte und offensichtlich darauf wartete, ihren Bericht zu schreiben.

»Wieso bist du so naß?« fragte Atons Mutter.

»Ich glaube, es gab einen Kurzschluß oder so etwas Ähnliches«, sagte Petach an Atons Stelle. »Vielleicht eine Fehlfunktion in der Elektronik. Ich verstehe nichts von solcherlei Dingen. Jedenfalls hat sich die Sprinkleranlage ausgelöst, als das Fenster eingeschlagen wurde. Wir sind beide durchnäßt worden. Und ich fürchte, ein Teil Ihres Wohnzimmers auch«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu.

Atons Vater hielt darin inne, der Polizistin die gewünschten Angaben zu diktieren, und sah Petach erschrocken an. »Es ist nicht viel Sachschaden entstanden«, sagte der Ägypter beruhigend - und Aton war keineswegs erstaunt, daß sein Vater auch diese schon beinahe unverschämte Behauptung widerspruchslos schluckte. Er fragte sich, was Petach wohl tun würde, wenn sein Vater sah, was wirklich passiert war - daß sich sein Wohnzimmer nämlich in ein Schwimmbad mit Brandflecken auf dem Parkettboden verwandelt hatte.

»Gehen wir hinein«, sagte Atons Mutter. »Du mußt aus den nassen Sachen heraus, ehe du dir eine Lungenentzündung holst.«

Die Worte ließen Aton wieder spüren, wie erbärmlich er fror. Widerspruchslos folgte er seiner Mutter und Petach ins Haus, blieb aber dicht vor der Tür noch einmal stehen und sah zurück. Sein Vater redete noch immer mit der Polizeibeamtin, die seine Angaben eifrig auf ihren Block notierte. Plötzlich aber stockte sie und bückte sich, um etwas vom Boden aufzuheben. Ein erstaunter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht, als sie auf den winzigen Gegenstand hinabblickte, der auf ihrer Handfläche lag.

Trotz der Entfernung konnte Aton erkennen, worum es sich handelte. Es war der Skarabäus, der aus seinen Kleidern gekrochen war und sie so erschreckt hatte.

Aber nun bestand er wieder aus gebranntem Ton.

Die Polizistin hob den Kopf und blickte zum Haus hinüber, und Petach machte eine rasche Handbewegung. Der ungläubige Ausdruck verschwand wie weggezaubert vom Gesicht der Beamtin. Einen Augenblick später ließ sie den Käfer achtlos fallen und konzentrierte sich wieder ganz darauf, mit Atons Vater zu sprechen.

»Überanstrengen Sie sich nicht, Petach«, sagte Aton feindselig. »Sie können nicht die ganze Welt an der Nase herumführen, wissen Sie?«

Petach sah ihn traurig an. »Ich verstehe deinen Zorn«, sagte er. »Aber bitte vertrau mir. Ich werde dir alles erklären, und dann wirst du mich verstehen. Es geht jetzt nicht anders.«

»O ja, darauf wette ich«, knurrte Aton wütend. »Und wenn ich es nicht verstehen sollte, dann werden Sie dafür sorgen, daß ich es verstehe, nicht wahr?«

Petach antwortete nicht, und Aton spürte, daß sein Zorn den Ägypter wirklich verletzt haben mußte, aber er bedauerte es nicht. Im Gegenteil - im Augenblick bereitete es ihm eine geradezu diebische Freude, noch Salz in die offene Wunde zu streuen. »Vielleicht wachen wir ja auch alle morgen früh auf und denken, wir hätten nur einen schlechten Traum gehabt, wie?« fragte er. »Oder wir wachen gar nicht mehr auf, und -«

»Das reicht«, sagte Petach scharf, und Aton verstummte. Doch diesmal hatte Petach seine unheimliche Macht gar nicht eingesetzt. Es war die Autorität in seiner Stimme gewesen, die es Aton unmöglich machte, weiterzusprechen.

Sie betraten das Haus. Atons Mutter schlug erschrocken die Hand vor den Mund, als sie sah, wie es drinnen aussah - zu allem Überfluß hatten die Polizisten auch noch die Vordertür eingeschlagen, um sich gewaltsam Zutritt zum Haus zu verschaffen, und der hereingewehte Schnee war mittlerweile längst geschmolzen, so daß der Hausflur tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schlammigen Schwimmbad besaß. Die zerborstene Tür zu Atons Zimmer war die Treppe hinuntergestürzt und hatte dabei auch noch einen Teil des Geländers zertrümmert, und der Sturm hatte sämtliche Bilder von den Wänden gefegt.

Petach sorgte auf seine ganz eigene Art dafür, daß sich Mutters Erschrecken in Grenzen hielt, und es verging nur ein Augenblick, ehe sie sich wieder ganz Aton zuwandte.

»Geh schon hinauf ins Bad«, sagte sie. »Ich bringe dir gleich trockene Sachen. Am besten duschst du ausgiebig und wärmst dich richtig auf.«

Aton gehorchte sofort, denn er zitterte vor Kälte am ganzen Leib. Während sich Petach seiner Mutter zuwandte und mit leiser Stimme auf sie einzureden begann (wenn er mit ihr fertig ist, dachte Aton verärgert, dann wird sie wahrscheinlich vergessen haben, daß dieses Haus jemals anders ausgesehen hat als jetzt), eilte er die Treppe hinauf und begann sich schon auf dem Weg zum Badezimmer aus den nassen Kleidern zu schälen.