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»Daran zweifle ich nicht«, sagte sie kühl. »Trotzdem möchte ich jetzt wissen, was hier gespielt wird.« Sie wandte sich wieder an Aton. »Es ist jetzt das zweite Mal, daß ich dich völlig durchnäßt und offenbar in Todesangst antreffe, und jedesmal ist dieser ... Freund deiner Eltern in der Nähe. Ich frage mich, ob das noch ein Zufall ist.«

Aton sah aus den Augenwinkeln, wie Petach blaß wurde.

»Du kannst ganz offen sein«, fuhr Sascha fort. »Keine Sorge.«

Um ein Haar hätte Aton gelacht, aber dann erschien ihm Saschas Gedanke gar nicht so abwegig. Tatsächlich hatten all jene unheimlichen Ereignisse wirklich erst begonnen, nachdem Petach in sein Leben getreten war, und wer sagte ihm eigentlich, daß der Ägypter tatsächlich die Wahrheit gesprochen hatte und nur hier war, um ihm zu helfen? Was, wenn - Als er an diesem Punkt seiner Überlegung angekommen war, machte Petach eine flüchtige Handbewegung, und der Zauber, gegen den sich Sascha behauptet hatte, wirkte bei Aton dafür um so besser. Sein Verdacht war so gründlich erloschen, daß er sich nicht einmal mehr daran erinnerte, jemals einen verspürt zu haben, und er hatte es plötzlich sehr eilig, zuversichtlich zu lächeln und der jungen Polizistin wortreich zu versichern, daß wirklich alles in Ordnung sei und es keinen Grund gab, sich zu sorgen.

Saschas Gesichtsausdruck machte deutlich, daß ihr Mißtrauen dadurch noch größer geworden war. Aber sie ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern beließ es bei einem Achselzucken und wandte sich wieder an Petach.

»Sie kümmern sich also jetzt um Aton, solange seine Eltern nicht da sind?«

»Auf deren ausdrücklichen Wunsch, ja«, antwortete Petach kühl. Und ich wüßte nicht, was Sie das zum Teufel eigentlich angeht, fügte sein Blick hinzu. Sascha erwiderte seinen Blick aus zornblitzenden Augen, und Aton konnte die Spannung, die plötzlich zwischen den beiden herrschte, regelrecht fühlen.

Er hatte Petach noch nie so unhöflich und gereizt erlebt wie jetzt. Um die Situation zu entschärfen, räusperte er sich vernehmlich und sah auf die Armbanduhr.

Petach verstand. »Ja, ich denke, es wird wirklich Zeit«, sagte er. »Wir sind schon viel zu spät dran.«

Er legte Aton die Hand auf den Arm und wollte sich umwenden, aber die Polizistin rief ihn noch einmal zurück. »Wo erreiche ich Sie, falls es nötig ist?« fragte sie.

Petach biß sich auf die Unterlippe. Aton sah ihm an, daß er innerlich vor Wut beinahe kochte. »Warum sollte es denn nötig sein?« fragte er.

»Vielleicht ergeben sich ja noch Fragen wegen des gestrigen Einbruchs«, antwortete Sascha. »Man weiß ja nie.«

»Sicher«, antwortete Petach knapp. »Aber Sie haben ja Atons Adresse.« Er verstärkte den Druck auf Atons Arm. »Auf Wiedersehen.«

Sie drehten sich um und gingen - genau zwei Schritte weit, dann rief die Beamtin Aton zurück. Petach preßte so heftig die Kiefer zusammen, daß Aton glaubte, seine Zähne knirschen zu hören. Rasch löste er seinen Arm aus dem Griff des Ägypters und drehte sich noch einmal herum.

Die Beamtin hatte sich gebückt und etwas vom Boden aufgehoben. »Hier, das gehört dir.«

Aton streckte automatisch die Hand aus - und verhielt mitten in der Bewegung, als er sah, was auf Saschas Handfläche blitzte.

Im ersten Moment hielt er es für ein Kreuz, aber das war es nicht. Es besaß zwar die ungefähre Form eines Kreuzes, aber der obere, kürzere Balken war zu einem spitzen Oval ausgeformt. Es war ein Ankh, das altägyptische Henkelkreuz, Symbol des Sonnengottes Re und auch des ewigen Lebens.

»Das ... gehört mir nicht«, sagte er stockend.

»Aber es ist aus deiner Tasche gefallen«, widersprach Sascha.

»Ich habe es genau gesehen.« Sie wartete einen Moment lang vergeblich darauf, daß Aton das Ankh an sich nahm, dann hob sie es ein Stück höher und betrachtete es interessiert.

»Das ist sehr hübsch«, sagte sie. »Was ist es?«

»Ankh«, antwortete Aton ganz automatisch. »Ein altes ägyptisches Symbol.«

»Also gehört es doch dir«, sagte Sascha. »Deine Eltern haben ja wohl eine ganze Sammlung von solchen Dingen.«

Aton fing einen warnenden Blick Petachs auf und griff endlich nach dem kleinen Henkelkreuz. Es war sehr schwer, sehr kalt - und naß. Hastig ließ er es in der Hosentasche verschwinden. »Ich wußte gar nicht, daß ich es eingesteckt habe«, sagte er - was nicht einmal gelogen war.

»Du solltest besser auf dein Eigentum achtgeben«, sagte Sascha. »So etwas muß doch ungeheuer wertvoll sein.«

»Ja, das ist es«, antwortete Aton. »Trotzdem - vielen Dank.«

Und damit wandten sie sich endgültig um und gingen. Diesmal wurden sie nicht mehr zurückgerufen, aber als sie das Ende des Korridors erreichten und das Parkhaus verließen, sah Aton noch einmal über die Schulter zurück. Sascha stand noch immer da und blickte ihnen nach.

»Was in Amuns Namen ist passiert?« fragte Petach. »Verdammt, ich bin fast gestorben vor Sorge! Du warst mehr als zwei Stunden fort!«

»Vielleicht war ich sogar ein paar tausend Jahre weit fort«, antwortete Aton leise. Petach warf ihm einen fragenden Blick zu, winkte aber ab, als Aton zu einer Erklärung ansetzte, und deutete auf seinen Wagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt war, mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig und einem Strafzettel unter dem Scheibenwischer. Petach warf ihn achtlos zu Boden, öffnete die Tür und wartete, bis Aton und der Hund eingestiegen waren, ehe er selbst hinter dem Steuer Platz nahm und die Tür schloß. Aton registrierte ohne die geringste Überraschung, daß Anubis nicht allein gekommen war. Auf der Ablage unter der Heckscheibe räkelte sich eine graue Katze.

Petach startete den Motor, fuhr jedoch nicht los, sondern schaltete nur die Heizung ein, und Aton streckte dankbar die Hände aus und rieb sie in dem warmen Luftstrom, der aus den Schlitzen im Armaturenbrett quoll. Er wunderte sich etwas, daß die Heizung sofort ansprang, obwohl der Wagen doch offensichtlich schon seit einer geraumen Weile hier stand.

»Also«, begann Petach. »Erzähle.«

Aton begann mit seiner Begegnung mit dem Parkhauswächter und berichtete jede Kleinigkeit, die er erlebt hatte, wobei er Petach aufmerksam im Auge behielt. Der Ägypter unterbrach ihn kein einziges Mal, und sein Gesicht zeigte nicht die geringste Spur von Überraschung oder Staunen, nicht einmal, als Aton von der phantastischen Höhle und dem noch viel phantastischeren Begräbnistempel erzählte - wohl aber einen immer größeren Schrecken. Als Aton mit seinem Bericht zu Ende gekommen war, seufzte er tief.

»Es war gut, daß du das Schiff nicht betreten hast«, sagte er. »Du wärst gestorben, hättest du es getan.«

»Darin habe ich allmählich Übung«, antwortete Aton sarkastisch. »Im Beinahe-Sterben.«

Petach blieb ernst. »Ich sehe, daß du deinen Humor nicht verloren hast«, sagte er. »Aber er ist unangemessen, Aton. Du schwebst in großer Gefahr.«

»Stellen Sie sich vor, das habe ich sogar schon selbst gemerkt«, erwiderte Aton bissig. »Finden Sie nicht, daß es allmählich Zeit wäre, mir ein bißchen genauer zu erklären, was hier überhaupt vorgeht? Dieser Mann, der mich verfolgt hat - wer war das? Und was wollte er von mir?«

»Es ist meine Schuld«, sagte Petach, ohne auf Atons Frage einzugehen. »Ich hätte wissen müssen, daß sie alles daransetzen würden, dich in ihre Gewalt zu bringen. Ich fürchte, ich habe sie abermals unterschätzt. Mir war nicht klar, daß sie schon so nahe sind.«

»Sie?« fragte Aton.

»Die Götter«, antwortete Petach. »Die Götter, Aton, die endlich ihren Frieden finden wollen.« Er starrte einen Moment an Aton vorbei ins Leere, dann gab er sich einen sichtbaren Ruck.

»Es wird nicht noch einmal passieren«, versprach er mit einem leisen Lächeln. »Ab jetzt lasse ich dich keine Sekunde mehr aus den Augen. Sie werden es nicht wagen, sich dir zu nähern, wenn ich bei dir bin.«