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Aton schenkte dem Dobermann den drohendsten Blick, den er zustande brachte, und ging weiter. Einen Augenblick später erschien Petach unter der Tür. Auf seinem Gesicht machte sich ein Grinsen breit, als er Atons Aufzug registrierte. Aber er fing auch Atons warnenden Blick auf und hütete sich, irgendeine entsprechende Bemerkung zu machen. Statt dessen forderte er Aton mit einer Handbewegung auf, einzutreten.

Das Zimmer war fast noch spärlicher eingerichtet als der Rest des Hauses. Es gab einen alten, sehr großen Schrank und eine kleine Kommode neben der Tür, der Rest dessen, was Sufi für Mobiliar halten mochte, bestand aus Kissen und Decken, die scheinbar wahllos auf dem Boden verteilt waren.

Sufi saß mit untergeschlagenen Beinen vor einem kupfernen Riesenteller, der ihm als Tisch diente und auf dem eine Anzahl winziger Mokkatäßchen und ebenso kleiner Teller aus Porzellan standen, auf denen sich außer Obst und Käse auch Speisen befanden, die Aton unbekannt waren. Neben diesem großen Tablett entdeckte Aton eine sonderbare Konstruktion, die er erst beim zweiten Hinsehen identifizierte: Es war eine Wasserpfeife. Sufi hielt das Mundstück eines Schlauches zwischen den Lippen, das andere, an dem sich offensichtlich Petach gütlich getan hatte, lag auf dem Rand des Tablettes.

Dünner, grauer Rauch kräuselte daraus hervor, und ein nicht unangenehmer, aber sehr durchdringender, fremdartiger Geruch erfüllte das Zimmer.

Sufi bedeutete ihm, auf einem der Kissen Platz zu nehmen, und Petach wartete, bis Aton gehorchte, ehe er sich ebenfalls setzte und wieder nach dem Mundstück der Wasserpfeife griff. Der Anblick überraschte Aton ein wenig. So wie er Petach bisher kannte, wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, daß dieser Mann überhaupt irgendeinem Laster frönte. Wieder einmal wurde ihm klar, wie wenig er im Grunde über Petach wußte.

»Fühlst du dich nun besser?« eröffnete Sufi das Gespräch. »Es tut mir leid, daß ich dir keine bequemeren Kleider geben konnte. Aber ich bin nicht auf Besuch eingerichtet. Und ich selber pflege einen sehr bescheidenen Lebensstil.«

»Das macht nichts«, sagte Aton rasch. »Ich bin nicht anspruchsvoll.«

Sufi lachte, und Petach steuerte ein wissendes Nicken bei, schwieg aber ansonsten und sog nur genüßlich an seiner Pfeife. Für einige Sekunden breitete sich Schweigen im Zimmer aus, das Sufi schließlich mit einer Handbewegung auf den Tisch unterbrach.

»Du mußt hungrig sein«, sagte er. »Greif doch zu. Es ist nichts Besonderes, aber es ist gutes Essen, und es macht satt.«

Aton hätte etwas darum gegeben, hätte Sufi aufgehört, sich ständig für Dinge zu entschuldigen, die im Grunde ganz in Ordnung waren. Er fragte sich, was Petach seinem Freund über ihn erzählt hatte. Aber er leistete Sufis Aufforderung auch Folge und griff dankbar nach den angebotenen Speisen.

Und zum ersten Mal erlebte er eine angenehme Überraschung, seit sie dieses sonderbare Haus betreten hatten. Aton hatte zwar nicht die geringste Ahnung, was er da eigentlich aß, aber es schmeckte ausgezeichnet. Und nach den ersten Bissen meldete sich sein Hunger mit Nachdruck zurück, so daß eine ganze Weile verging, in der er einfach schweigend aß und die beiden Männer ebenso schweigend dabei zusahen; Petach mit undeutbarem Ausdruck wie üblich, Sufi aber mit eindeutigem Wohlgefallen. Erst als Aton seinen ärgsten Hunger gestillt hatte und sich zurücksinken ließ - um eine kleine Pause einzulegen, nicht etwa, um ganz aufzuhören -, legte Petach das Mundstück der Pfeife ab.

»Ich habe Herrn Sufi berichtet, was geschehen ist«, sagte er. »Auch das, was du mir erzählt hast.«

Aton sah ihn erschrocken an, und Petach fügte mit einer beruhigenden Geste hinzu: »Du kannst ihm vertrauen. Er weiß alles.«

Endlich hatte Petach ihm das Stichwort gegeben, auf das Aton schon seit einer ganzen Weile wartete. »Dann weiß er wahrscheinlich mehr als ich«, sagte er.

Sufi lachte leise. »Herr Petach hat mir erzählt, daß du ein sehr energischer junger Mann bist«, sagte er. »Und wohl auch etwas ungeduldig. Ich sehe, er hat recht.«

»Wenn man dreimal hintereinander einem Mordanschlag entkommen ist und immer noch nicht weiß, warum man eigentlich verfolgt und angegriffen wird«, erwiderte Aton gereizt, »dann kann man schon etwas ungeduldig werden.«

»Ja«, sagte Sufi. »Von deinem Standpunkt aus magst du wohl recht haben.«

»Von meinem Standpunkt? Was soll -«

Sufi hob die Hand und unterbrach ihn. »Es gibt Dinge, Aton, die lassen sich nicht so leicht erklären. Und es gibt Dinge, die sollte man vielleicht nicht erklären.«

Allmählich wurde Aton wirklich wütend. Die Sympathien, die Sufi bisher bei ihm errungen hatte, schmolzen schon wieder dahin, »Sie beide sollten sich überlegen, ob Sie nicht Politiker werden«, sagte er böse. »Sie sind beide wahre Meister darin, viel zu reden, ohne irgend etwas zu sagen.«

»Manches läßt sich nicht sagen«, erwiderte Sufi, plötzlich sehr ernst und mit großem Nachdruck. »Ich verstehe deine Ungeduld, und ich verstehe deinen Zorn. Aber du hast Herrn Petach bisher vertraut, und du solltest es auch weiter tun. Ihr seid hier, weil ich dir vielleicht helfen kann. Ich kann es nicht versprechen, aber ich werde es versuchen.«

»Was sind Sie?« fragte Aton. »Eine Art Magier?«

Er meinte diese Worte ganz ernst. Noch vor drei Tagen hätte er schallend gelacht, hätte ihm jemand erzählt, daß er auch nur an die Möglichkeit glauben würde, daß es so etwas wie Zauberei und Magie wirklich gab, aber genau so war es. Sufi war sowenig ein freundlicher alter Sonderling, wie Petach der stets höfliche, ein bißchen weltfremde Forscher war, der zu sein er im allgemeinen vorgab.

»Ein Magier?« Sufi wiederholte das Wort auf eine Weise, als müsse er es laut aussprechen, um sich über seine wahre Bedeutung klarzuwerden. Erst nach einigen Sekunden schüttelte er den Kopf, und diese Bewegung war spürbar zögernd.

»Nein«, sagte er. »Du kannst mich einen ... Derwisch nennen, wenn du willst. Das kommt der Sache vielleicht am nächsten.«

Aton wußte nur, daß ein Derwisch der Anhänger eines religiösen Ordens im Islam war, mehr nicht. Aber nach all den Erfahrungen, die er bisher mit Petach gemacht hatte, war er ziemlich sicher, daß er sowieso keine ausführlichere Antwort bekommen würde, und so ersparte er es sich, nachzufragen.

»Aber Sie können uns helfen?« fragte er statt dessen.

»Du kommst schnell zur Sache«, sagte Sufi lächelnd. Dann beantwortete er Atons Frage. »Vielleicht. Vorderhand seid ihr hier in Sicherheit, und das allein zählt. Aber vielleicht kann ich euch tatsächlich helfen. Dir und deinen Eltern.«

»Meinen Eltern?« wiederholte Aton erschrocken. »Aber was haben meine Eltern -« Er brach mitten im Wort ab, als er den Blick bemerkte, den Sufi Petach zuwarf, und fuhr zu dem Ägypter herum. »Sie haben gesagt, ihnen würde nichts passieren, wenn sie das Land verlassen!«

»Das ist auch die Wahrheit«, verteidigte sich Petach. »Aber die Mächte, gegen die wir kämpfen, sind unberechenbar. Trotzdem glaube ich nicht, daß deinem Vater oder deiner Mutter irgendeine Gefahr droht.«

Sufis Gesichtsausdruck behauptete das Gegenteil. Aber er widersprach Petach zumindest nicht laut, sondern machte nur erneut eine beruhigende Geste, um Atons Aufmerksamkeit wieder zu erlangen. »Im Moment ist niemand in Gefahr«, sagte er. »Heute nacht werdet ihr hier bei mir bleiben, und morgen werden wir vielleicht eine Lösung finden. Wenn die Götter und das Schicksal uns gnädig gestimmt sind.« Er nahm den Pfeifenschlauch aus dem Mund, stand auf und ging zur Tür.