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Der weiße Toyota sah aus, als hätte er eine Meinungsverschiedenheit mit einem zornigen Elefantenbullen gehabt. Die gesamte rechte Seite war eingedrückt. Das rechte Vorderrad stand ein wenig schräg, was Aton vermuten ließ, daß auch die Achse etwas abbekommen hatte, und mit Ausnahme der Heckscheibe waren sämtliche Fenster zerbrochen. Aton glaubte nicht, daß man diesen Wagen noch reparieren konnte.

»Es tut mir sehr leid«, sagte er.

Sascha machte eine wegwerfende Handbewegung und lächelte. »Die Hauptsache ist, dir ist nichts passiert«, antwortete sie. Dann wurde ihr Lächeln ein bißchen gequält. »Ich frage mich nur, wie ich das der Versicherung erklären soll.«

»Fährt er noch?« fragte Aton.

»Bis zur nächsten Schrottpresse wird es reichen.« Sascha seufzte, dann fragte sie Aton: »Wollen wir frühstücken?«

Sie gingen ins Haus zurück. Vorhin, als Aton die Wohnung nach Sascha durchsucht hatte, war es ihm gar nicht aufgefallen, doch auf dem Herd stand bereits ein dampfender Kessel, und die junge Frau trug rasch den Rest eines einfachen Frühstücks auf: Toast, Marmelade, weiche Eier, Tee für Aton und Kaffee für sie selbst.

Sie aßen schweigend, und Sascha, die als erste fertig war, wartete geduldig, bis Aton das letzte Stück Toast hinuntergeschluckt hatte.

»Also?« begann sie dann. Nur dieses eine Wort - aber es erinnerte Aton sofort an sein Versprechen vom vergangenen Abend. Er war es Sascha schuldig, ehrlich zu sein, sie hatte schließlich ihr Leben für ihn riskiert, und er wollte es auch. Vielleicht ließ sich all das Schreckliche ein wenig leichter ertragen, wenn er es mit jemandem teilte.

Aton erzählte Sascha die ganze Geschichte; von seinem unheimlichen Erlebnis im Museum angefangen bis zu dem Moment am vergangenen Abend, in dem Saschas Wagen aufgetaucht war. »Was danach passiert ist, wissen Sie ja«, schloß er.

»Gestern abend waren wir schon beim Du angekommen«, sagte Sascha. »Ich schlage vor, wir lassen es dabei.«

»Gerne«, antwortete Aton. Er druckste einen Moment herum, bevor er die Frage stellte, die ihm schon auf der Zunge lag, seit er Sascha durch das Fenster beobachtet hatte, wie sie ihren ramponierten Wagen musterte. »Warum haben Sie ...« Er verbesserte sich. »Warum hast du nicht die Polizei verständigt?«

»Warum sollte ich?« gab sie zurück und lächelte. »Ich bin die Polizei, schon vergessen?«

Sie lachte, aber Aton blieb ernst. »Du weißt genau, was ich meine«, sagte er.

Sascha zuckte mit den Schultern. »So genau weiß ich das selbst nicht«, gestand sie. »Vielleicht, weil ich noch immer nicht ganz sicher bin, ob ich das alles nun tatsächlich erlebt oder nur geträumt habe.«

Aton konnte sie sehr gut verstehen. Noch vor zwei Tagen war es ihm ja nicht anders ergangen - und manchmal ertappte er sich sogar jetzt noch bei dem Gedanken, ob er nicht in Wahrheit einen ganz besonders häßlichen Alptraum erlebte, bei dem irgendwie das Ende abhanden gekommen war. Trotzdem sagte er: »Träume zerschlagen keine Autoscheiben.«

»Stimmt«, bestätigte Sascha. »Und Halluzinationen normalerweise auch nicht.« Sie schüttelte den Kopf, griff nach ihrer Kaffeetasse und begann sie in den Händen zu drehen, ohne daraus zu trinken. »Das ist die phantastischste Geschichte, die ich je gehört habe«, sagte sie schließlich. »Und die unglaublichste. Ich weiß nicht ...«

»Aber du hast es doch selbst gesehen«, sagte Aton. »Ich meine, den Wagen und die Mumie und -«

»Ich habe etwas gesehen«, fiel ihm Sascha mit leicht erhobener Stimme ins Wort. Sie stellte ihre Tasse ab und sah ihn fest an. »Ich weiß, daß es nichts ist, was ich jemals zuvor gesehen habe. Und daß ich es nicht erklären kann. Aber wenn ich etwas nicht verstehe, bedeutet das noch lange nicht, daß ich an Geister und Untote glaube oder gar an die Existenz dreitausend Jahre alter ägyptischer Gottheiten. Vielleicht hat sich wirklich alles so zugetragen, wie du behauptest, aber es gibt auch andere mögliche Erklärungen.«

»So?« fragte Aton enttäuscht. »Und die wären - außer der, daß ich eigentlich in eine Klapsmühle gehöre?«

»Petach könnte irgend etwas mit dir getan haben, zum Beispiel«, antwortete Sascha. »Du hast selbst erzählt, daß er und sein Kumpan dir ein Schlafmittel oder irgendeine andere Droge verabreicht haben. Vielleicht hat er das schon vorher getan. Wer weiß, vielleicht ist er einfach ein geschickter Trickbetrüger, der will, daß du all das glaubst.«

»Aber warum denn?«

»Woher soll ich das wissen?« gab Sascha zurück. »Bisher kenne ich nur den Namen dieses Mannes - und ich weiß nicht, ob er echt ist. Wir müssen zuerst einmal mehr über ihn herausfinden.«

»Aber was kann er von mir wollen?«

»Vielleicht nichts von dir, aber von deinen Eltern. Weißt du, für mich hört sich das alles so an, als hätte er sehr geschickt dafür gesorgt, daß ihr getrennt werdet. Dein Vater ist Architekt, nicht wahr?«

»Bauingenieur«, korrigierte sie Aton. »Er leitet den Bau eines Staudammes in Ägypten.«

»Das könnte schon eine Spur sein«, sagte Sascha. »Vielleicht hatte Petach einfach vor, dich zu entführen, um deine Eltern zu erpressen.«

Das klang zwar einleuchtend, aber irgendwie spürte Aton, daß es nicht so war. Er schüttelte den Kopf. »Das hätte wenig Sinn«, sagte er. »Meine Eltern sind nicht reich. Ich meine, sie haben das Haus und die Sammlung - aber viel mehr ist nicht da.«

»Wer sagt dir, daß es um deinen Vater geht? Vielleicht hat es etwas mit seiner Arbeit zu tun.«

»Bestimmt nicht«, widersprach Aton überzeugt. »Niemand kann etwas gegen diesen Staudamm haben. Auf der Baustelle finden Tausende von Leuten Arbeit, und wenn er erst fertig ist, wird ein großer Teil der Wüste bewässert und fruchtbar werden.«

Sascha lächelte flüchtig. »Hat dein Vater dir das erzählt?«

»Ja«, antwortete Aton. »Aber das ändert nichts daran, daß es die Wahrheit ist.«

»Vielleicht stimmt das sogar«, sagte Sascha. »Trotzdem ... der Nahe Osten war schon immer ein unsicheres Gebiet. Die Menschen dort denken nicht so wie wir, weißt du? Es ist manchmal schwer für uns, ihre Beweggründe zu verstehen und nachzuvollziehen. Aber es hat wenig Sinn, wild herumzuraten.« Sie nippte noch einmal an ihrem Kaffee, verzog das Gesicht und schüttete den Rest in die Kanne zurück. Dann stand sie auf. »Hast du irgend jemanden, zu dem du gehen kannst? Verwandte? Freunde deiner Eltern?«

Aton schüttelte auf jede Frage den Kopf, und Sascha überlegte angestrengt. »Dann sollten wir deine Eltern anrufen«, sagte sie. »Weißt du, in welchem Hotel sie wohnen?«

Aton nickte. »Im Palast-Hotel in Kairo. Aber ich glaube nicht, daß sie noch dort sind. Und auf der Baustelle gibt es zwar Telefon, aber ich habe die Nummer nicht.«

»Aber die muß doch herauszufinden sein.«

Aton dachte einen Moment nach. Natürlich hätte er einfach nach Hause fahren und in den Papieren seines Vaters nachsehen können - aber er hatte das sichere Gefühl, daß das Haus seiner Eltern im Augenblick der Ort war, an dem er sich auf der ganzen Welt am wenigsten sehen lassen sollte. »Vielleicht über die Firma«, sagte er. »In der Hauptverwaltung müßten sie die Nummer haben. Aber ob sie sie mir geben ...«

»Wenn nicht dir, dann ganz bestimmt mir«, versicherte Sascha. »Wozu bin ich Polizistin? Das finde ich heraus, keine Sorge. Und ich werde mich auch ein wenig nach eurem Freund Petach und diesem Arzt erkundigen.« Sie sah auf die Uhr. »Es wird ohnehin allmählich Zeit, zum Dienst zu gehen. Wenn ich ein paar Minuten eher auf der Wache bin, komme ich vielleicht an den Computer heran.«

»Du mußt weg?« fragte Aton erschrocken.

»Keine Sorge«, sagte Sascha beruhigend. »Du bist hier in Sicherheit. Niemand weiß, daß du hier bist. Solange du die Wohnung nicht verläßt, bist du nicht in Gefahr. Und ich bin ja bald zurück.«