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»Wunder der Technik«, sagte Sascha kopfschüttelnd. »Irgendwo in der Wüste klingelt jetzt das Telefon.« Und das tat es sehr lange. Aton zählte das Tuten des Freizeichens mit. Es klingelte insgesamt fünfzehnmal, dann wurde die Verbindung automatisch unterbrochen, und Sascha drückte die Gabel hinunter und betätigte die Wiederholungstaste. Die ganze Prozedur begann von neuem.

»Vielleicht hört er es gar nicht«, sagte Aton. »Ich glaube, sie haben nur diesen einen Anschluß auf der Baustelle. Irgendwo in einem Büro. Wenn im Moment niemand dort ist -«

Aber es war jemand dort. Unvermittelt brach das Freizeichen ab, und Aton hörte die Stimme seines Vaters, sehr leise und von einem knisternden Rauschen und Pfeifen begleitet, aber unverkennbar. »Ja?« fragte er. »Was ist denn? Ich hatte doch gebeten -«

»Vater?« fragte Aton.

Das Telefon mußte wohl über eine moderne Freisprecheinrichtung verfügen, denn sein Vater verstand ihn, obwohl Sascha den Hörer noch immer in der Hand hielt. Ein Moment verblüfften Schweigens folgte, dann antwortete sein Vater: »Aton? Bist du das?«

Etwas am Klang seiner Stimme erschreckte Aton. Er klang natürlich überrascht, zugleich aber auch deutlich verärgert.

»Ja«, antwortete Aton. »Bitte entschuldige, wenn ich dich anrufe, aber es ist etwas passiert. Ich muß dringend mit Mutter und dir reden.«

»Schön, daß es dir gutgeht«, antwortete sein Vater. »Aber wieso rufst du deshalb extra an? Aton, ich habe dir gesagt, daß wir hier große Schwierigkeiten haben.«

Aton tauschte einen verblüfften Blick mit Sascha. Die junge Frau sah ebenso erstaunt drein wie er, zuckte aber nur mit den Schultern, und Aton versuchte es noch einmal.

»Es geht mir eben nicht gut, Vater. Etwas Schlimmes ist passiert. Und ich fürchte, ihr seid auch in Gefahr.«

»Ich verstehe ja, daß du dich einsam fühlst«, antwortete sein Vater, nur noch mühsam beherrscht. »Aber hier ist wirklich der Teufel los. Wenn es etwas Wichtiges gibt, dann sag es mir bitte, und dann häng wieder ein. Die Leitung muß frei bleiben. Ich erwarte einen dringenden Anruf aus Kairo.«

»Wieso verstehst du mich denn nicht?« fragte Aton, einer Panik nahe. »Vater, Petach hat versucht, mich umzubringen! Irgend etwas Schreckliches geht hier vor!«

»Also gut«, antwortete Atons Vater. »Ich verspreche dir, dich morgen oder übermorgen anzurufen, sobald sich die Lage hier etwas beruhigt. Deine Mutter fährt zurück nach Kairo ins Hotel. Es kann sogar sein, daß sie nach Hause zurückkommt.«

»Aber hör mir doch zu!« rief Aton. »Ihr seid in Gefahr! Petach hat -«

»Ich hänge jetzt ein«, sagte sein Vater. »Bitte sei nicht böse, aber es ist wirklich wichtig, daß die Leitung frei bleibt. Ich werde dich anrufen, sobald es hier ein bißchen ruhiger geworden ist.« Und damit wurde die Verbindung unterbrochen.

Aton starrte zuerst das Telefon und dann Sascha fassungslos an. »Aber das ist doch unmöglich«, murmelte er. »Er ... er scheint mich überhaupt nicht verstanden zu haben!«

»Vielleicht war die Verbindung so schlecht«, sagte Sascha.

Die Worte klangen nicht besonders überzeugend, und ihr Gesichtsausdruck verriet, daß sie selbst auch nicht an diese Erklärung glaubte. Umgekehrt hatten sie beide Atons Vater sehr gut verstanden, und selbst, wenn die Leitung in die andere Richtung viel schlechter gewesen sein sollte - die Antworten, die sie gehört hatten, waren nicht die auf das gewesen, was Aton gesagt hatte.

»Petach«, flüsterte er. »Das war Petach.«

»Unsinn«, sagte Sascha. »Er kann nicht wissen, daß du hier bist.«

»Aber er weiß, wo meine Eltern sind«, antwortete Aton. Plötzlich hatte er das Gefühl, einen furchtbaren Fehler begangen zu haben. »Wir hätten das nicht tun dürfen«, sagte er.

»Was?« fragte Sascha.

»Anrufen«, antwortete Aton. Er wurde immer nervöser. Etwas geschah. Er konnte es fühlen. »Sie wissen jetzt, wo wir sind«, sagte er.

»Bitte red nicht so einen Unsinn«, antwortete Sascha. Sie gab sich Mühe, ruhig und sachlich zu sprechen, aber in ihrer Stimme war auch ein leiser nervöser Unterton. »Du hast kaum zwei Minuten mit ihm geredet, und -«

Das Telefon klingelte. Sascha runzelte die Stirn und streckte dann die Hand nach dem Hörer aus. Aton sagte erschrocken: »Nicht abheben!«

Sascha zog die Hand wieder zurück, aber dann machte sie eine übertrieben beruhigende Geste, nahm den Hörer ab und meldete sich.

Aton konnte nicht verstehen, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde, aber er konnte sehen, wie plötzlich alle Farbe aus Saschas Gesicht wich. Einige Sekunden lang hörte sie schweigend zu, dann drehte sie sich mit einer sonderbar hölzern wirkenden Bewegung zu Aton herum und reichte ihm den Hörer.

Wortlos griff er danach und hielt ihn ans Ohr. Es war Petach.

»Hör mir zu, Aton«, begann Petach in einem schnellen, gehetzten Tonfall, den Aton noch nie bei ihm erlebt hatte. »Stell keine Fragen, sondern hör einfach nur zu und tu, was ich dir sage. Ich weiß, daß es dir schwerfallen muß, mir zu vertrauen, aber du mußt es noch einmal tun. Sie wissen, wo du bist, und werden dich holen. Ich erwarte dich am Flughafen, in einer Stunde.«

»Warum sollte ich Ihnen trauen?« fragte Aton.

In Petachs Stimme war plötzlich Panik. »Dazu ist jetzt keine Zeit, Aton!« Er schrie beinahe. »Ich werde dir alles erklären, das verspreche ich dir. Bring meinetwegen deine Freundin mit, aber verlaßt die Wohnung, wenn ihr am Leben bleiben wollt!«

Und damit hängte er ein. Aton legte den Hörer auf die Gabel zurück und sah wieder zu Sascha hoch. »Am Flughafen? Was um alles in der Welt soll ich dort?«

»Ich schlage vor, wir fragen Petach selbst danach«, antwortete Sascha. Sie sah noch immer verwirrt und erschrocken drein, aber ihre Stimme klang sehr entschlossen. »Wir werden genau das tun, was Petach vorgeschlagen hat. Wir werden gemeinsam dorthin fahren. Mit einer kleinen Änderung.« Sie erklärte nicht, was sie damit meinte, sondern wies mit der Hand zum Gästezimmer. »Im Schrank hängt eine Jacke. Geh und hol sie. Ich will inzwischen schnell telefonieren.«

»Petach hat gesagt, wir sollten sofort gehen«, sagte Aton.

»Es dauert nicht lange«, erwiderte Sascha. »Außerdem weigere ich mich noch immer, an Gespenster und lebende Mumien zu glauben. Und im allerschlimmsten Fall haben wir noch das da.« Sie machte eine Kopfbewegung zu ihrer Uniformjacke hin, die an einem Haken neben der Tür hing. Unter der grünen Jacke lugte der Gürtel hervor, an dem ihre Pistolentasche befestigt war. Der Anblick beruhigte Aton allerdings kein bißchen. Sie hatten es nicht mit einem Gegner zu tun, den man sich mit einer Pistole vom Leib halten konnte; vermutlich mit gar keiner von Menschenhand erschaffenen Waffe. Aber er sagte nichts, sondern lief ins Gästezimmer zurück, um die Jacke zu holen.

Er mußte nicht lange danach suchen. Der Schrank war bis auf den Kleiderbügel mit der schweren Steppjacke - die so genau paßte, als wäre sie eigens für ihn angefertigt worden - vollkommen leer. Aton schlüpfte hinein, verließ das Zimmer wieder und kam gerade noch zurecht, um mit anzuhören, wie Sascha sich von jemandem verabschiedete und dann den Hörer einhängte. Das Gespräch mußte wirklich sehr kurz gewesen sein. Er hatte nicht viel mehr als eine Minute gebraucht, um die Jacke zu holen.

»Wen hast du angerufen?« fragte er.

Sascha überging die Frage. Sie zog ihre Jacke an, schnallte den Pistolengürtel um und schob ihren Pferdeschwanz unter ihre Dienstmütze. Dann öffnete sie die Tür und schob Aton in den Hausflur. Aber als er nach dem Lichtschalter greifen wollte, legte sie rasch die Hand auf seinen Unterarm und hielt ihn zurück. »Warte!« flüsterte sie.