Выбрать главу

Zombeck allerdings fand den Anblick nicht im geringsten komisch. Ganz im Gegenteiclass="underline" Er sah aus, als träfe ihn jeden Augenblick der Schlag. Mit einem einzigen Satz war er an Aton vorbei, stürzte sich auf Werner - und erstarrte mitten in der Bewegung. Offensichtlich begriff er erst jetzt wirklich, was hier geschehen war.

Seine Augen quollen förmlich aus den Höhlen, während sein Gesicht die Farbe wechselte. »Was - ist - hier - los?« stammelte er schließlich fassungslos.

Werner hatte sich mittlerweile endlich von der toten Katze befreit. Keuchend setzte er sich auf, fuhr sich angeekelt mit beiden Händen über das Gesicht und versetzte der Mumie einen Tritt, der sie gegen den Sockel schleuderte, von dem sie heruntergestürzt war. Sie zerbrach in zwei Teile.

Zombeck gab einen Laut von sich, als würden ihm sämtliche Zähne auf einmal gezogen (und zwar ohne Narkose). Dann verdunkelte jäher Zorn sein Gesicht.

»Werner!« sagte er. »Natürlich. Wer auch sonst!« Er machte einen Schritt auf ihn zu und blieb wieder stehen, als Werner aufstand. Er bot einen geradezu erschreckenden Anblick: keuchend vor Furcht und Ekel und mit einem Gesicht, das aussah, als hätte er eine Auseinandersetzung mit einer Brotschneidemaschine gehabt.

In diesem Moment kamen die anderen herbei. Frau Steller schlug entsetzt die Hand vor den Mund, als sie sah, was geschehen war, während Herr Dufeu sich hastig neben dem Jungen niederkniete, der unter der Mumie begraben worden war, und versuchte, den toten Krieger von ihm herunterzubringen. Allerdings gab er sein Vorhaben sofort wieder auf, denn unter seinen zupackenden Fingern zerfielen die morschen Stoffstreifen, die den toten Körper umhüllten, zu Staub.

»Um Gottes willen!« keuchte Zombeck. »Seien Sie vorsichtig!«

Dufeu wirkte plötzlich sehr nervös - vermutlich war ihm zu Bewußtsein gekommen, welch ungeheuren Wert das darstellte, was da wie ein Haufen vermoderter Lumpen auf dem Jungen lag. Unsicher streckte er ein zweites Mal die Hände aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern griff nach den Füßen des Jungen, um ihn behutsam unter dem Mumienkrieger hervorzuziehen. Es gelang ihm erst, als ihm Frau Steller und zwei weitere Schüler dabei halfen, und selbst dann blieben ein paar zerrissene Stoffstreifen und kleine, grauschwarze Brocken auf dem Boden zurück.

Zombeck sah wortlos zu, bis die Befreiungsaktion zu Ende war. Dann richtete er sich auf und ließ seinen Blick eisig über die Gesichter der drei Übeltäter streifen. Zuletzt wandte er sich an Aton.

»Was ist hier passiert?« fragte er. »Von Werner und diesen beiden habe ich nichts anderes erwartet, aber du? Was habt ihr nur getan? Habt ihr auch nur eine Vorstellung davon, was diese Dinge wert sind?«

»Ich ... es ... es ist nicht meine Schuld«, stammelte Aton. Er war noch immer zutiefst verwirrt. Er starrte die Mumie an, die wieder zur Reglosigkeit erstarrt war, und für eine Sekunde war er fest davon überzeugt, daß sie im nächsten Augenblick aufspringen und einfach davonmarschieren würde.

Natürlich geschah das nicht. Der Krieger hatte sich nie bewegt. Nicht wirklich. Alles war nur Einbildung gewesen - ein Streich, den ihm seine Angst gespielt hatte. Werners Ohrfeige hatte ihn ja halb bewußtlos gemacht. Und trotzdem ... es war so realistisch gewesen.

»Ich warte«, sagte Zombeck. Seine Stimme zitterte. Er hatte alle Mühe, sich noch zu beherrschen.

»Ich ... es tut mir leid«, stieß Aton mühsam hervor. »Ich wollte das nicht. Aber Werner ...«

»Werner.« Dieses Wort allein schien Zombeck als Antwort auszureichen. »Natürlich - wer auch sonst? Wo immer es Ärger gibt, bist du dabei, nicht? Und wenn es keinen gibt, dann machst du eben welchen.« Er wandte sich zu Werner um und starrte ihn finster an. Werner erwiderte seinen Blick trotzig - aber Aton bemerkte auch, daß er viel von seiner gewohnten Selbstsicherheit eingebüßt hatte. Unter all dem Blut und Schmutz auf seinem Gesicht war er kreideweiß geworden.

Seine Hände zitterten.

»Hast du überhaupt eine Ahnung, was ihr getan habt?« fuhr Zombeck fort und beantwortete seine Frage gleich selbst, indem er den Kopf schüttelte. »Natürlich nicht. Diese Dinge hier sind unvorstellbar wertvoll. Mit Geld gar nicht aufzuwiegen! Und ihr ... ihr -« Er brach ab. Ihm fehlten einfach die Worte.

»Ich glaube, wir sollten einen Arzt rufen«, sagte Frau Steller. Sie deutete auf Werners blutiges Gesicht und den häßlichen Kratzer an seiner Seite. »Wenn er sich an der Mumie verletzt hat, dann kann er sich alle möglichen Infektionen zuziehen.«

Sie maß die beiden anderen Jungen mit einem prüfenden Blick, stellte fest, daß sie unverletzt waren, und wandte sich schließlich Aton zu.

»Was ist mit dir? Deine Nase blutet.«

»Das war Werner«, antwortete Aton. Ihm fiel zu spät ein, daß sich diese Worte wie ein Vorwurf anhörten, nicht wie die Beruhigung, die sie sein sollten. Erschrocken sah er zu Werner auf, aber der schien seine Antwort gar nicht mitbekommen zu haben: Er starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die tote, zweigeteilte Katze hinab, die am Fuße des Sockels lag.

Zum ersten Mal, solange Aton Werner kannte, sah er echte Angst in dessen Augen. Und plötzlich war er gar nicht mehr so sicher, daß er sich wirklich alles nur eingebildet hatte.

»Sie haben recht«, sagte Zombeck. »Nehmen Sie sich ein Taxi und fahren Sie mit den Jungen ins nächste Krankenhaus. Sie sollen sie gründlich untersuchen. Und wir ...« Er seufzte tief und drehte sich zu Dufeu herum, der noch immer dastand und mit unglücklichem Gesichtsausdruck auf die Mumie hinuntersah, »... werden den Direktor des Museums suchen. Ich fürchte, wir haben ihm eine Menge zu erklären.«

Herr Petach

Klar, daß Aton den Rest des Tages abhaken konnte - er verlief ganz genau so, wie er nach der Katastrophe im Museum erwartet hatte, allerhöchstens noch ein bißchen schlimmer: Nach ihrer Rückkehr ins Internat wurden sie alle zum Direktor zitiert, wo ihnen eine Standpauke blühte, nach der Aton noch am Abend die Ohren klingelten, und selbstverständlich war das, was passiert war, den ganzen Tag über das Gesprächsthema überhaupt. Aton ging an diesem Abend ungewöhnlich früh zu Bett, und das vor allem deshalb, weil er es leid war, immer wieder dieselben Fragen zu hören und immer wieder dieselbe Geschichte zu erzählen.

Aber nicht nur aus diesem Grund.

Nachdem sich seine Aufregung ein wenig gelegt hatte, hatte er die ganze Geschichte noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren lassen, und dabei war etwas sehr Seltsames geschehen: Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er, sich das unheimliche Erwachen der Mumie nicht eingebildet zu haben. Die offizielle Version - die sowohl Werner als auch Aton zu bezweifeln sich gehütet hatten! - war, daß Werner gegen die Vitrine gestolpert war und sie dabei zerschlagen hatte. Aber Aton wußte, daß das nicht stimmte; und Werner und seine beiden Freunde im Grunde wohl auch.

So war es eigentlich kein Wunder, daß Aton in dieser Nacht nicht besonders viel Ruhe fand. Er schlief erst lange nach Mitternacht ein und schrak ein paarmal schweißgebadet und mit heftig klopfendem Herzen aus einem Alptraum auf, an den er sich zwar nicht erinnerte, der aber schrecklich gewesen sein mußte, denn er erwachte jedesmal mit einem Gefühl von Beklemmung und Furcht, wie er es selten zuvor verspürt hatte. Schließlich, es mußte schon fast Morgen sein, sank er dann doch in einen tiefen, endlich traumlosen Schlummer - und verschlief prompt den Wecker.