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»Was ist das?« fragte er.

»Nechbet«, murmelte Petach. Das war keine Antwort auf seine Frage. Das Wort klang eher wie ein Fluch, eine Verwünschung - oder ein Ausdruck maßloser Furcht. Vielleicht, dachte Aton, ist das Gefühl der Sicherheit, das Petach ihm vermittelt hatte, doch nicht ganz so begründet.

»Was ist das?« fragte er noch einmal und lauter. Diesmal wandte Petach den Kopf und sah ihn an.

»Nichts«, sagte er. Die Lüge klang nicht einmal annähernd überzeugend. Petach wirkte mit einem Male sehr nervös.

»Ich dachte, wir wären in Sicherheit?« fragte Aton geradeheraus.

»Das dachte ich auch«, sagte Petach. »Aber sie ...« Er stockte. Aton konnte regelrecht sehen, wie sich die Gedanken hinter seiner Stirn überschlugen. »Ihre Macht wächst ungeheuer schnell«, sagte er. Plötzlich beugte er sich vor und wechselte einige Worte auf arabisch mit dem Fahrer, der daraufhin unverzüglich und so hart auf die Bremse trat, daß Aton nach vorne und unsanft gegen die Rücklehne des Beifahrersitzes geworfen wurde. Wahrend er sich erschrocken hochrappelte, wendete der Wagen mit quietschenden Reifen und begann in die entgegengesetzte Richtung zu fahren.

Aton sah automatisch auf den Tachometer, aber nur, um festzustellen, daß dieser nicht funktionierte - die Nadel hing wie festgeklebt auf der Null, aber das immer lauter werdende Dröhnen des altersschwachen Motors und die Häuser, die an beiden Seiten an ihnen vorüberglitten, sagten ihm auch so, daß der Fahrer den Wagen beschleunigte. Aton sah den Taxifahrer beunruhigt an und wünschte sich eine Sekunde später, es nicht getan zu haben. Das Gesicht des Mannes war starr, vollkommen ausdruckslos, aber sehr blaß, und seine Augen wirkten glanzlos und trüb. Offensichtlich stand er unter Petachs Einfluß. Aton hoffte, daß das seinen Fähigkeiten als Autofahrer keinen Abbruch tat. Sie fuhren sehr schnell und auf Straßen, die nicht mit denen zu vergleichen waren, die Aton von zu Hause kannte. Der Wagen sprang immer wieder durch Schlaglöcher und über Bodenwellen und schlingerte manchmal wie ein Schiff auf hoher See, und ein paarmal kam die Bordsteinkante bedrohlich nahe.

Ein Blick nach oben hatte Aton gezeigt, daß der Schatten immer noch über ihnen kreiste, ansonsten jedoch schien es keinerlei Grund für Petachs plötzliche Panik - ein anderes Wort dafür fiel Aton nicht ein - zu geben. Aber er kannte den Ägypter mittlerweile zu gut, um auch nur eine Sekunde lang zu glauben, daß es keinen Anlaß für diese plötzliche Amokfahrt gäbe.

Sie näherten sich jetzt dem Stadtzentrum, und im gleichen Maße, in dem die Lichter in den Häusern rechts und links der Straße zunahmen, wurde auch der Verkehr wieder dichter. Was ihren Fahrer allerdings nicht im geringsten daran hinderte, weiterhin so schnell, wie es möglich war, zu fahren.

Immer öfter quietschten jetzt hinter ihnen Bremsen oder erscholl ein zorniges Rufen, und mehr als einmal sprang ein Passant hastig beiseite oder schüttelte ihnen drohend die Faust nach.

Und trotzdem entkamen sie ihren Verfolgern nicht.

Auf einen Befehl Petachs hin steuerte ihr Fahrer den Wagen um eine Ecke und in eine schmalere, etwas weniger belebte Seitenstraße hinein - und trat plötzlich so kräftig auf die Bremse, daß Aton ein zweites Mal nach vorne und gegen die Rückenlehne des Sitzes geschleudert wurde. Zornig richtete er sich wieder auf - aber die wütende Beschimpfung, die ihm auf der Zunge lag, blieb ihm im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken, als sein Blick durch die Frontscheibe des Wagens fiel.

Die Straße war blockiert. Aber es waren keine Passanten oder andere Autofahrer, die den Fahrer zu dieser Notbremsung gezwungen hatten, wie Aton dachte. Vor ihnen, nur einen Steinwurf entfernt, stand der Streitwagen, der Sascha und ihn schon einmal verfolgt hatte. Und diesmal war die Mumie, die die Zügel hielt, nicht mehr allein. Rechts und links des Streitwagens, in einer weit auseinandergezogenen Kette, die die Straße auf ganzer Breite einnahm, stand eine ganze Anzahl in zerfetzte Mäntel und Umhänge gehüllter Gestalten, im blassen Licht des Mondes und der Sterne nicht mehr als Schatten, ohne Gesichter oder wirklich erkennbare Umrisse. Die beiden Pferde scharrten unruhig mit den Hufen, als könnten sie sich kaum noch beherrschen, loszustürmen und das Taxi einfach niederzurennen, und Aton spürte die stumme, unausgesprochene Drohung, die von der Gestalt hinter den Zügeln ausging.

Auch die Straße hinter ihnen war nicht mehr leer. Zwar stand dort kein Streitwagen, wohl aber fast ein weiteres Dutzend der unheimlichen Gestalten, auch sie völlig reglos, auch sie kaum mehr als Schemen, die gar nicht richtig zu erkennen waren.

Petach machte eine Handbewegung. »Hör mir zu«, sagte er in gehetztem Ton, den Blick wieder starr auf die Reihe der Gestalten vor ihnen gerichtet, die immer noch vollkommen bewegungslos dastand und darauf zu warten schien, daß irgend etwas Bestimmtes geschah. »Ich werde versuchen, sie aufzuhalten. Du mußt fliehen. Vielleicht hast du eine Chance, ihnen zu entkommen.«

Eine Chance, ihnen zu entkommen? Aton hätte fast laut aufgelacht. Vor und hinter ihnen befanden sich etwa zwanzig Männer, ganz zu schweigen von dem Streitwagen. Was glaubte Petach, wer er war? Indiana-Jones?

Aber Petach sprach im gleichen gehetzten Tonfall weiter, noch ehe Aton eine entsprechende Bemerkung machen konnte: »Du mußt die Stadt verlassen. Wenn wir getrennt werden, dann geh nach Gizeh und frage nach Yassir. Jeder kennt ihn dort. Erzähl ihm, was geschehen ist. Er wird dir glauben. Und er weiß, was weiter zu tun ist. Und jetzt gib acht. Wir haben nur diese eine Chance.«

Und ehe Aton auch nur ein einziges der hundert Wenn und Aber vorbringen konnte, die ihm durch den Kopf schossen, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Petach rief dem Fahrer ein einzelnes, abgehacktes Wort auf arabisch zu, riß mit der linken Hand die Tür auf seiner Seite auf und versetzte Aton mit der rechten einen heftigen Stoß. Unsanft prallte Aton gegen die Tür, die ohne sein Zutun im selben Moment aufflog, suchte vergeblich mit den Händen irgendwo nach Halt und stürzte rücklings aus dem Wagen, als dieser plötzlich mit aufbrüllendem Motor einen regelrechten Satz nach vorne und auf den Streitwagen zu machte. Während Aton auf das harte Straßenpflaster fiel, sah er, wie Petach auf der anderen Seite mit einer ungemein geschickten Bewegung aus dem Wagen sprang und wie eine Katze auf allen vieren landete, um sofort wieder hochzufedern. Das Taxi raste weiter auf den Kampfwagen zu; so schnell, daß die Reifen auf dem schlüpfrigen Pflaster durchdrehten.

Aber auch der Streitwagen stand nicht mehr still. Der Mann hinter dem Zügel machte eine befehlende Geste mit seiner Lanze, und im selben Augenblick schossen die beiden schwarzen Pferde los. Aton hielt unwillkürlich den Atem an, während die beiden ungleichen Fahrzeuge aufeinander zuschnellten. Ein Zusammenstoß schien unausweichlich, aber im buchstäblich allerletzten Moment riß der Lenker des Streitwagens seine Tiere zur Seite, und der Taxifahrer schien aus seiner Trance zu erwachen und zu begreifen, was geschah, denn er versuchte verzweifelt, den Zusammenprall zu verhindern. Die beiden Wagen schrammten funkensprühend aneinander vorbei. Metall kreischte. Glas zerbarst. Eines der beiden Pferde bäumte sich mit einem schrillen Wiehern auf und brach zusammen, und der plötzliche Ruck brachte das zweite Pferd und den Wagen aus dem Gleichgewicht. Die beiden Tiere stürzten in einem fürchterlichen Durcheinander aus schlagenden Gliedern und Leibern zu Boden, die Räder des Streitwagens verloren plötzlich den Kontakt zur Straße.

Splitternd zerbrach die Achse, und der Mumienkrieger wurde regelrecht aus dem Wagen heraus und in hohem Bogen über die beiden gestürzten Pferde hinwegkatapultiert.

Doch noch während er stürzte, schleuderte er seine Lanze. Die Waffe flog wie ein Blitz aus Bronze durch die Luft - und durchbohrte Petachs Brust! Mit einem keuchenden Schrei sank der Ägypter zu Boden. Keine der andere Gestalten hatte sich gerührt, fast als wären sie nur Zuschauer bei etwas, was nur Petach und den Mumienkrieger anging, aber nun erwachten sie plötzlich aus ihrer Erstarrung. Langsam, aber unaufhaltsam begannen sie, sich auf Aton und Petach zuzubewegen. Das Klirren von Metall erklang und das Rascheln von uraltem Stoff und Leder, und Aton sah, wie einige der Männer kurze gebogene Schwerter unter ihren Mänteln hervorzogen.