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Das Taxi explodierte. Licht und Hitze von unvorstellbarer Intensität hüllten Aton ein. Die Faust eines unsichtbaren Riesen traf ihn zwischen die Schulterblätter und machte sein verzweifeltes Rennen zu einem langgestreckten, hilflosen Sturz.

Ein ungeheures Dröhnen und Krachen marterte seine Trommelfelle, und noch während er fiel, preßte ihm die Druckwelle die Luft aus den Lungen, so daß sein Schrei zu einem erstickten Krächzen wurde. Schwer schlug er auf, rollte noch mehrere Meter weiter und riß schützend die Arme vor das Gesicht. Die Welt schien nur noch aus Flammen und Hitze zu bestehen. Er war eingehüllt in Feuer, und eigentlich hätte er tot sein müssen oder zumindest schwer verletzt - aber die Flammen taten ihm nichts. Er sah, wie sie den Boden versengten und die Luft zum Kochen brachten, und ein Stück Papier, das neben ihm lag, flammte auf und zerfiel binnen Sekundenbruchteilen zu Asche. Aber es war, als umgäbe ihn ein unsichtbarer Schutz.

Nicht so die drei Verfolger. Die Wucht der Explosion hatte sie wie Aton zu Boden geschleudert, aber sie lagen reglos, mit verdrehten Gliedern und brennenden Kleidern da. Die Flammen fanden in dem uralten Stoff reichlich Nahrung, und wenn er bisher daran gezweifelt hatte, es tatsächlich mit menschlichen Gegnern zu tun zu haben, so ließ dieser Anblick seine Zweifel zur Gewißheit werden. Die drei Geschöpfe verbrannten in blauen, unglaublich hellen Flammen und unwahrscheinlich schnell. Ihre Körper zerfielen binnen Sekunden zu Staub, und nur ein wenig graue Asche und kleine, verbogene Stücke aus glühendem Metall blieben zurück.

Aber die Gefahr war keineswegs vorbei. Aton stand unsicher auf und blinzelte. Er konnte den Ägypter nicht mehr sehen.

Gleich fünf oder sechs der unheimlichen Gestalten hatten sich über ihn gebeugt und verbargen ihn vor seinen Blicken, die anderen bewegten sich schon wieder auf ihn zu. Im flackernden Licht der meterhohen Flammen, die das Taxi verschlangen und sich bereits auf das Haus ausgebreitet hatten, gegen das es geprallt war, wirkten ihre Bewegungen noch bizarrer und unwirklicher als bisher. Jetzt zögerte Aton nicht mehr. Er begann zu laufen. Die lodernden Flammen tauchten die Straße in fast taghelles Licht, so daß er zumindest sehen konnte, wohin er lief. Es war unheimlich - trotz des Lärms und des Feuers war noch immer kein Mensch zu sehen. Die Häuser lagen wie ausgestorben da. Nirgends brannte auch nur ein Licht. Und abgesehen vom Prasseln der Flammen war es nahezu gespenstisch still. Aton warf einen Blick über die Schulter zurück und sah, daß seine Verfolger die Flammen im weiten Umkreis umgangen hatten und nun wieder näher kamen. Sie hüpften und sprangen, andere rannten weit nach vorne gebeugt, so daß ihre Hände fast den Boden berührten. Der Anblick erinnerte Aton an etwas, ohne daß er genau wußte, woran.

Er dachte auch nicht weiter darüber nach, sondern bog in die nächste Straße ein. Auch sie war dunkel und menschenleer, aber an ihrem Ende gewahrte Aton Licht, und das gab ihm noch einmal neue Kraft. Er jagte weiter, aber er wußte, daß er trotzdem nicht schnell genug war. Die Verfolger tauchten bereits hinter ihm auf, und sie hatten fast die Hälfte seines Vorsprungs aufgeholt. Ihre groteske Art zu hüpfen und hopsen sah langsam aus, aber sie war es nicht.

Gehetzt sah sich Aton nach einem Ausweg um, gewahrte eine offenstehende Tür und stürmte hindurch. Er fand sich in einem dunklen, sehr langen Hausflur wieder. An seinem jenseitigen Ende war eine weitere Tür aus Holz, durch deren Ritzen graues Licht hereinfiel. Aton raste los und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß sie nicht verschlossen war. Er hatte Glück. Die morsche Holztür führte auf einen kleinen, von niedrigen Backsteinmauern umgebenen Hinterhof hinaus. Auch er lag völlig verlassen da, als lebte niemand in diesen Gebäuden.

Aton erreichte die Mauer, sprang hinüber und fand sich auf einem zweiten, etwas größeren Hof wieder, dessen Begrenzung an drei Seiten von dunkel daliegenden Gebäuden gebildet wurde. Aton rannte auf das nächstliegende zu, rüttelte an der Türklinke und fand sie zu seiner Erleichterung offen. Er stürmte hinein, schloß die Tür hinter sich und durchquerte den Flur in umgekehrter Richtung. Er war nicht sehr lang. Sieben oder acht Schritte vor ihm lag eine andere Tür, die wieder auf die Straße hinausführte. Unbehelligt erreichte er sie, und damit hörte seine Glückssträhne dann endgültig auf. Die Tür war verschlossen. Aton rüttelte einige Sekunden vergeblich an der Klinke und warf sich schließlich mit aller Gewalt gegen die Tür, doch sie erwies sich als äußerst massiv. Und hinter sich, auf dem Hof, konnte er schon wieder seine Verfolger hören. Irgend etwas schlug mit dumpfem Krachen gegen Holz, dann folgte ein Splittern und Bersten. Offensichtlich vermuteten sie ihn in einem der anderen Gebäude und hatten die Tür einfach eingeschlagen. Aber es würde nicht lange dauern, bis sie ihren Irrtum begriffen und auch hierher kamen.

Atons Gedanken begannen sich wild im Kreis zu drehen. Er zwang sich zur Ruhe und sah sich in dem dunkel daliegenden Hausflur um. Er konnte seine Umgebung nur schemenhaft erkennen - rechter Hand gab es drei ebenfalls äußerst massiv aussehende Türen, zur Linken führte eine sehr schmale, geländerlose Treppe nach oben. Er rannte hinauf.

Aton gelangte in einen weiteren, von Türen flankierten Gang. Er verschwendete nicht einmal eine Sekunde an den Gedanken, in irgendeinem der dahinterliegenden Räume Schutz zu suchen. Er mußte aus diesem Haus heraus. Aber wie? Es gab keine Fenster, und der Weg nach unten war ihm verwehrt, denn genau in diesem Moment hörte er, wie die Tür mit einem einzigen Hieb eingeschlagen wurde und rasche, tappende Schritte näher kamen. Dann entdeckte er etwas, was ihm auf den ersten Blick entgangen war: Am Ende des Korridors gab es eine schmale Leiter, die zu einer Luke in der Decke hinaufführte. Rasch kletterte er sie empor, drückte die kleine und gottlob unverschlossene Klappe an ihrem oberen Ende auf und fand sich unversehens auf einem staubigen, vollkommen leeren Dachboden wieder. Der Raum war überraschend groß und für ein Gebäude in einer orientalischen Stadt eigentlich ungewöhnlich, denn die Balkenkonstruktion über seinem Kopf gehörte zu einem ganz normalen Dachboden, während doch die meisten Häuser Kairos über Flachdächer verfügten. Dieses jedoch offensichtlich nicht. Ebensowenig, wie es über ein Dachfenster verfügt hätte.

Verzweiflung stieg in Aton hoch. Das Schicksal hatte sich wirklich gegen ihn verschworen. Wie es schien, stolperte er unentwegt von einer Falle in die nächste. Und er konnte die Schritte seiner Verfolger schon wieder hören: Sie tappten unter ihm die Treppe herauf, und jetzt vernahm er noch einen anderen, furchteinflößenden Laut, etwas wie ein Hecheln und Schnüffeln, als würde er von einer Meute Bluthunde verfolgt, nicht von Menschen.

Und dann entdeckte er doch noch einen Ausweg. Es gab zwar keine Fenster, aber hoch über ihm, fast unter dem Giebel und somit gute sechs oder sieben Meter über dem Fußboden, gähnte ein metergroßes Loch im Dach. Wenn er irgendwie dort hinaufkam, konnte er vielleicht auf eines der benachbarten Häuser gelangen, schlimmstenfalls an der Fassade dieses Gebäudes hinunterklettern - schon bei der bloßen Vorstellung sträubten sich ihm zwar die Haare, aber welche Wahl hatte er schon?

Das Gewirr von Balken und Verstrebungen über ihm war zwar alt, sah aber äußerst stabil aus und würde sein Gewicht sicher tragen. Wenn es ihm gelang, hinaufzuklettern, konnte er mit ausgestreckten Armen das Loch im Dach erreichen. Während unter ihm die Schritte der Schattenkrieger immer näher kamen, sah sich Aton nervös auf dem Dachboden um und fand schließlich, wonach er suchte. In einer Ecke lehnte eine Leiter. Sie war offensichtlich selbstgezimmert und wackelig, Aton jedoch kam sie vor wie ein Geschenk des Himmels. So schnell er konnte, ohne dabei übermäßigen Lärm zu verursachen, lehnte er die Leiter gegen einen Balken, überzeugte sich hastig davon, daß sie sicher stand und nicht etwa wegrutschen würde, und begann sie hinaufzusteigen. Er erreichte den Balken, suchte mit der linken Hand an einer Querstrebe Halt und richtete sich auf.