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»Der Portier hat euch gesehen«, antwortete Sascha. »Er ist vielleicht alt, aber er hat gute Augen. Er hat Petach sehr genau beschrieben. Ich wußte sofort, daß er es war.«

Der Portier? dachte Aton. Der Portier in einem Hotel, das es gar nicht mehr gab? Das eine Ruine gewesen war, als er es zuletzt betreten hatte? Und in dem ganz bestimmt kein Portier gewesen war? Aber dann dachte er an all die anderen unheimlichen Dinge, die ihm widerfahren waren, sobald sich Petach in seiner Nähe aufhielt, und sein Mißtrauen wurde zum ersten Mal erschüttert. »Aber wieso -?«

Sascha unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Du vergißt schon wieder, wer ich bin«, sagte sie. »Vielleicht bin ich nicht ganz so gewitzt wie James Bond und seine Kollegen, aber zwei und zwei zusammenzählen kann ich auch. Es war nicht besonders schwer, beim Flughafen anzurufen und zu erfahren, daß auf deinen und Petachs Namen zwei Tickets nach Kairo gebucht waren. Also habe ich das einzige getan, was mir logisch erschien: Ich bin in die nächste Maschine gestiegen und hierhergeflogen.« Sie lächelte. »Da ich vor euch hier war, hatte ich auch noch Zeit, den Wagen zu mieten. Und wie du eben erfahren hast, können wir ihn sehr gut gebrauchen. Du siehst - es gibt keine großen Geheimnisse. Nur ein bißchen stinknormale Polizeiarbeit.«

Das klingt beinahe zu überzeugend, dachte Aton. Und es ließ immer noch zu viele Fragen offen. Aber er schwieg, und Saschas Lächeln wurde noch trauriger.

»Du mißtraust mir«, sagte sie. Sie nickte. »Ich kann das verstehen. Wahrscheinlich kannst du niemandem mehr trauen, nach allem, was man dir angetan hat.«

»So ist es nicht«, erwiderte Aton hastig. »Es ist nur ...« Er suchte einen Moment nach Worten. »Ich verstehe nicht, warum du es überhaupt getan hast.«

»Was? Daß ich dir gefolgt bin?«

Aton nickte.

Wieder dauerte es eine Weile, bis Sascha fortfuhr.

»Ich habe gar nicht nachgedacht, sondern das erste getan, was mir richtig erschien. Es ist ... alles so unglaublich. Ich konnte nicht einfach so tun, als wäre das ein ganz normaler Kriminalfall, und anderen die Arbeit überlassen. Das ist vielleicht das größte Abenteuer, das je ein Mensch erlebt hat, mit Sicherheit aber das größte, das ich erleben werde.«

Aton sah sie ungläubig an. »Du hast es aus Abenteuerlust getan?«

»Aton, ich habe eine lebende Sphinx gesehen!« antwortete Sascha. Sie hob erregt die Hände. »Ich bin einer wandelnden Mumie begegnet. Ich habe Dinge erlebt, die ich noch vor ein paar Tagen für völlig unmöglich gehalten hätte - über die ich vermutlich gelacht hätte, hätte sie mir jemand erzählt. So mußte ich dir einfach folgen.«

So unsicher diese Worte auch klangen, sie überzeugten Aton weit mehr als alles, was sie zuvor gesagt hatte. Das konnte er verstehen. Es beantwortete noch immer nicht alle Fragen, war aber doch viel mehr als irgendwelche logischen Erklärungen.

»Das war nicht besonders klug von dir«, sagte er.

Sascha schwieg, aber er las die Frage in ihren Augen und fuhr fort: »Jetzt werden sie auch hinter dir her sein.«

»Das fürchte ich auch«, sagte Sascha. Aber sie lächelte dabei, und nach einem kurzen Augenblick fügte sie hinzu: »Ich habe nämlich nicht vor, dich auch nur noch eine Sekunde aus den Augen zu lassen.« Sie schüttelte spöttisch den Kopf. »Und ich dachte immer, man müßte nur auf kleine Kinder ununterbrochen aufpassen. Aber wenn man dich auch nur einen Moment allein läßt, hast du nichts Besseres zu tun, als dich mit irgendwelchen dahergelaufenen Göttern anzulegen.«

Eine Sekunde lang sah Aton sie mit offenem Mund an, erst dann registrierte er das spöttische Glitzern in ihren Augen. Er lachte, und wenn er es auch mehr tat, weil er spürte, daß sie es von ihm erwartete, als etwa, weil ihm wirklich nach Lachen zumute gewesen wäre, war es doch ungemein erleichternd, denn es löste die unangenehme Spannung, die sich zwischen ihnen zu entwickeln begonnen hatte.

»Wir sollten weiterfahren«, sagte Sascha und streckte die Hand nach dem Schalthebel aus, aber Aton hielt sie zurück. Sie befanden sich jetzt auf einer breiten, in Anbetracht der vorgerückten Stunde sogar reichlich belebten Straße, und er glaubte nicht, daß sie im Moment in unmittelbarer Gefahr waren. Seine Verfolger wurden zwar immer dreister, schienen aber die Öffentlichkeit noch immer zu meiden, wo es ging. Vermutlich war das auch der einzige Grund, aus dem er ihnen bisher hatte entkommen können. Hätten sie überall und jederzeit nach Belieben zuschlagen können, hätte er keine Chance gehabt. »Und wenn ich das nicht will?« fragte er.

»Was? Daß ich weiterfahre?«

Aton machte eine ärgerliche Geste. »Du weißt genau, was ich meine. Es ist toll, daß du mir hilfst. Ich bin wirklich sehr dankbar, aber ich will nicht, daß du auch in Gefahr gerätst.«

»Ich kann schon ganz gut auf mich aufpassen«, beruhigte ihn Sascha. »Außerdem werde ich bei dir bleiben, ob du es nun willst oder nicht.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und spürte selbst, daß ihm die Berührung unangenehm war, denn sie zog den Arm rasch wieder zurück, rettete sich in ein abermaliges Lächeln und sagte: »Betrachte mich einfach als deinen Schutzengel. Den kann man auch nicht wegschicken, wenn einem gerade danach ist.«

Aton protestierte nicht mehr. Zum einen wußte er, daß es ohnehin sinnlos gewesen wäre - und außerdem wollte er es gar nicht wirklich. Er hatte diese Worte nur zu Sascha gesagt, weil er glaubte, es sagen zu müssen, ihr und vor allem sich selbst gegenüber. Aber tief in sich drin war er unendlich erleichtert, nicht mehr allein zu sein, eine Freundin, eine Verbündete zu haben. »Wohin fahren wir?« fragte er.

»Zum Palast-Hotel«, antwortete Sascha.

Aton erschrak. »Zu meiner Mutter? Ich ... ich will nicht, daß sie mit hineingezogen wird.«

»Aber das ist sie doch längst«, antwortete Sascha. Sie legte den Gang ein und fuhr los. »Willst du es wirklich darauf ankommen lassen, daß Petach oder die anderen ihr etwas antun?«

»Aber warum sollten sie das?«

Sascha lachte wieder, aber es klang jetzt nicht sehr amüsiert. Als sie antwortete, tat sie es in einem Tonfall, der Aton klarmachte, daß seine Frage reichlich naiv gewesen war. »Wenn sie dich nicht bekommen können, nehmen sie vielleicht deine Mutter gefangen«, sagte sie. Entschlossen schüttelte sie den Kopf. »Wir müssen sie warnen. Wir werden zu ihr fahren und ihr alles erzählen, und dann fahren wir gemeinsam zu deinem Vater.«

»Der wird uns genausowenig helfen können«, sagte Aton leise.

»Da bin ich nicht sicher«, erwiderte Sascha. »Weißt du, irgend etwas fehlt noch in dem Ganzen. Petach hat dir etwas verschwiegen, und ich glaube, daß deine Eltern wissen, was es ist.«

Natürlich war Aton auch schon von sich aus zu dieser Erkenntnis gelangt - sie war letztendlich der Grund, aus dem er hier in Ägypten war. Er glaubte sogar ungefähr zu ahnen, wie die Erklärung aussehen mochte, aber dieser Gedanke war noch zu vage, um ihn auszusprechen. Er wußte nur, daß es richtig war, daß er jetzt hier war; nicht unbedingt hier in dieser Stadt, aber in diesem Land. Alles hatte in Ägypten begonnen, vor mehr als dreitausend Jahren, und hier würde es enden. Das Gefühl war durch keinerlei Wissen begründet, aber sehr sicher.

Die Fahrt zum Palast-Hotel dauerte noch eine gute halbe Stunde. In dieser Stadt schien es so etwas wie eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht zu geben, und der Verkehr war jetzt so dicht, daß sie nur langsam vorwärtskamen. Zudem verfuhr sich Sascha ein paarmal, und da sie beide des Ägyptischen nicht mächtig waren, fiel es ihnen schwer, sich nach dem richtigen Weg zu erkundigen. Sie waren beide sehr erleichtert, als der große, in maurischem Stil errichtete Bau schließlich vor ihnen auftauchte. Sascha lenkte den Wagen direkt vor den hellerleuchteten Haupteingang. Ein livrierter Page kam ihnen entgegen und nahm wortlos die Autoschlüssel, die Sascha ihm zusammen mit einem kleinen Geldschein überreichte, und sie stiegen beide aus und betraten das große, taghell erleuchtete Foyer. Der Tagesanbruch war nicht mehr fern, trotzdem herrschte hier noch ein reges Kommen und Gehen. Leise europäische Musik erfüllte die Luft, an einigen kleinen Tischchen saßen Gäste und unterhielten sich, und der Empfang, auf den Aton zielsicher zuging, war beinahe größer und auf jeden Fall prachtvoller als die Abfertigungsschalter im Flughafen. Das Personal war ebenfalls europäisch gekleidet und von ausgesuchter Höflichkeit. Es dauerte nur einen Augenblick, bis Aton einen Hotelangestellten gefunden hatte, der ein fast akzentfreies Deutsch sprach und sich zuvorkommend nach seinen Wünschen erkundigte.