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»Du hast also getan, was ich geraten habe, und bist zu Yassir gegangen«, drang Petachs Stimme in Atons Gedanken. Der Ägypter deutete ein zufriedenes Nicken an, als Aton sich zu ihm herumdrehte. »Das war sehr klug von dir. Und Ihnen -« er wandte sich an Sascha und hob die Hand, als wollte er sie berühren, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, als sie instinktiv einen halben Schritt vor ihm zurückwich, »- möchte ich meinen Dank aussprechen. Ohne Sie wäre Aton jetzt wohl nicht mehr am Leben.«

»Was man von Ihnen wahrlich nicht behaupten kann«, erwiderte Sascha scharf.

Ihre Worte schienen Petach traurig zu stimmen, aber er widersprach nicht. Aton spürte jedoch, daß irgend etwas in ihm vorging - ebenso wie in Sascha, die den Ägypter weiter mit kaum verhohlener Feindseligkeit ansah. Petach wußte mehr über Sascha, als er jetzt aussprach, und vor allem mehr als Aton. Aber vielleicht war es umgekehrt auch genauso. Nicht zum ersten Mal, seit sein Abenteuer begonnen hatte, hatte Aton das Gefühl, von allen Beteiligten der zu sein, der mit Abstand am wenigsten wußte. Und wer war diese dritte, schattenhafte Gestalt, die noch immer hinter Petach und Yassir stand und die Szene schweigend, aber offenbar sehr aufmerksam verfolgte?

Als hätte sie seine Gedanken gelesen (und kaum eine Sekunde später sollte Aton sehr sicher sein, daß sie genau das getan hatte), wandte die Gestalt in diesem Moment den Kopf und sah nun direkt in seine Richtung, und plötzlich konnte Aton sie deutlich erkennen.

Er hätte nicht überrascht sein dürfen. Tatsächlich hätte er eigentlich wissen müssen, wem er gegenüberstand - aber er stieß trotzdem einen überraschten Schrei aus und prallte einen Schritt zurück.

Die Gestalt war völlig anders, als es Horus gewesen war: Sie war kleiner, schlanker und von fast grazilem Wuchs, und es handelte sich um eine Frau, denn die Umrisse ihres Körpers zeichneten sich unter dem reichgefältetem Gewand ab, das sie trug. Und doch gab es etwas, was sie mit dem Falkengott gemein hatte: Auch ihr Kopf war nicht der eines Menschen. Auf ihrem schlanken Hals thronte der Kopf einer Katze. Aton stand niemand anderem als Bastet gegenüber, der ägyptischen Katzengöttin, der dieses Heiligtum hier geweiht war.

Bei seinem Schrei war auch Sascha herumgefahren und hatte automatisch schon wieder eine gespannte Haltung angenommen, wie um ihn zu verteidigen. Doch auch sie schien ihr Gegenüber in diesem Moment zum ersten Mal wirklich zu erkennen, denn sie verharrte wie gelähmt mitten in der Bewegung, und auch auf ihrem Gesicht machte sich das gleiche fassungslose Erstaunen breit, das Aton verspürte.

»Erschreckt nicht«, sagte Petach. Aber Aton hörte seine Worte kaum. Sein Blick hing wie gebannt am Gesicht der Katzengöttin, und obwohl ihn dessen Anblick mit einer Furcht erfüllte, die jener, die er in Horus' Nähe verspürt hatte, sehr nahe kam, empfand er doch zugleich eine tiefe Bewunderung für dieses Wesen. Es war ein unheimliches Gefühl, einem Menschen mit einem Katzenkopf gegenüberzustehen, viel unheimlicher als das, mit dem ihn Horus' Anblick erfüllt hatte, vielleicht, weil dieses schmale, von zwei großen, jadegrünen Augen beherrschte Gesicht trotz allem noch menschlicher als das des Falken war, und trotzdem war der einzige wirklich klare Gedanke, den Aton in den ersten Sekunden zu fassen imstande war, der, wie unbeschreiblich schön und edel Bastet ihm erschien. Aton hatte Katzen anderen Haustieren bisher niemals vorgezogen, ja, er hatte im Grunde nie wirklich verstanden, warum es Menschen gab, die Katzen für den Inbegriff von Stolz und Schönheit hielten, aber Bastets Anblick änderte das. Er hatte niemals ein Geschöpf gesehen, das ihm so edel erschien, niemals ein Gesicht, in dem sich Sanftmut und Kraft auf so unbeschreibliche Weise vereinten.

»Du ... du bist Bastet, nicht wahr?« flüsterte er.

Die Katzengöttin reagierte nicht. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht änderte sich nicht, und es war nach einigen Sekunden auch Petach, der antwortete, nicht sie: »Ja. Aber ihr müßt sie nicht fürchten. Sie steht auf unserer Seite.«

Ohne daß es einer weiteren Erklärung bedurft hätte, begriff Aton, daß Bastet ihm nicht antworten würde, egal, welche Frage er stellte oder was immer er auch sagte. Vielleicht konnte sie es gar nicht. So wandte er sich mit seiner nächsten Frage auch direkt an Petach, obwohl sie vielmehr Bastet galt.

»Warum hat sie uns geholfen?«

»Weil sie zu denen gehört, die wissen, daß man den natürlichen Lauf der Welt nicht aufhalten kann«, antwortete Petach. Eine leise Spur von Resignation mischte sich in seine Stimme. »Leider ist sie beinahe die einzige, die so denkt. Osiris' und Horus' Einfluß wird immer stärker, je näher die Stunde des Erwachens rückt. Aber sie ist unsere Verbündete. Solange wir uns in ihrer Nähe aufhalten, kann uns nichts geschehen.«

»Na wunderbar«, sagte Sascha spöttisch. »Dann brauchen wir ja nur den nächsten Tag in dieser Ruine zu bleiben.«

Aton fuhr zusammen. Sascha hatte in wenige Worte gekleidet, was er unterschwellig schon die ganze Zeit über gespürt hatte. Ihr Sieg war kein wirklicher Sieg. Horus hatte ihnen nichts anhaben können, das stimmte, aber der Schutz, den ihnen Bastet gewährte, war auf diesen Ort hier beschränkt, das Zentrum ihrer Macht, vermutlich der Ort, an dem sie die letzten dreitausend Jahre verbracht hatte. Sobald sie diesen Tempel verließen, würde die gnadenlose Jagd weitergehen. Und sie konnten nicht einfach abwarten. Der Morgen, der im Osten jetzt immer schneller heraufdämmerte, war der letzte, der ihnen noch blieb, um das Unvermeidliche vielleicht doch noch aufzuhalten.

»Sind Sie deshalb hierhergekommen?« Es fiel Aton schwer, seinen Blick von Bastets Gesicht zu lösen und Petach anzusehen.

Der Ägypter nickte. Ein Schatten huschte über seine Züge. »Ja. Auch für mich ist dies einer der wenigen Orte, an dem ich noch sicher bin.«

»Wo sind Sie gewesen?« fragte Sascha.

»An ... einem schrecklichen Ort«, antwortete Petach und machte zugleich eine Geste, die sie beide erkennen ließ, daß er nicht weiter über dieses Thema reden wollte. »Aber wir sollten nicht über das reden, was war, sondern über das, was ist und sein wird.« Er deutete nach Osten. »Sobald es hell geworden ist, bringe ich euch von hier fort.«

»Von dem einzigen Ort, an dem wir sicher sind?« fragte Sascha mit unüberhörbarem Spott in der Stimme.

»Solange das Licht des Gottes Aton am Himmel steht, seid ihr überall sicher«, antwortete Petach ruhig. »Und die Zeit drängt. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«

Aton widersprach nicht, obwohl ihm der Gedanke, mit Petach zu gehen, alles andere als behagte. Bisher hatte er jedesmal, wenn er das tat, eine böse Überraschung erlebt, und eine war schlimmer als die andere gewesen. Aber sie mußten zum Staudamm, um seine Eltern und die anderen dort zu warnen, und die Strecke dorthin wäre auch ohne den Umweg, den sie gegen ihren Willen gemacht hatten, lang genug gewesen. Er sprach den Gedanken laut aus, doch Petach schüttelte den Kopf.

»Dieser Ort ist im Moment der letzte, an den du dich wünschen solltest«, sagte er. »Es würde deinen sicheren Tod bedeuten, wärest du auch nur in der Nähe, wenn Echnatons Krieger erwachen.«

»Warum, zum Teufel, haben Sie ihn dann überhaupt hierhergebracht?« fragte Sascha scharf. »Hätten Sie ihn zu Hause gelassen, wäre er sicher gewesen.«

»Nein«, antwortete Petach ruhig. »Zeit und Raum bedeuten für sie nicht dasselbe wie für uns. Aber es gibt Plätze, an denen ihre Macht nichts ausrichten kann. Und an einen solchen werde ich euch bringen.«

»Wer sagt Ihnen, daß wir das wollen?« fragte Sascha.

Petach blinzelte. »Ich verstehe Ihre Feindseligkeit nicht«, sagte er und sprach damit das aus, was Aton genau in diesem Moment dachte. »Ich bin hier, um Aton zu beschützen - ebenso wie Sie.«

»Dessen bin ich mir mittlerweile gar nicht mehr so sicher«, murmelte Sascha. Die Worte galten nicht Petach, aber er hörte sie trotzdem, und die Trauer auf seinem Gesicht wurde größer.